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Dec 21 15 tweets 6 min read Read on X
Oliver Conradi und @SchullerKonrad haben ein aufschlussreiches Interview mit #Wagenknecht über #Putin, Ukraine, NATO geführt - aber angesichts des Lügen-Tsunamis stellt sich mir die Frage, wie sinnvoll Gespräche sind. Sie kommt mit zu vielen Aussagen durch; die bleiben hängen:
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Problematisch sind v.a. die klassischen Fake News, die Wagenknecht verbreitet und denen nicht widersprochen wird. Dann nehmen Leser an, es seien Fakten. Hier: in der UA stationiertes US-Militär und CIA-Basen. Die waren nicht nur keine Ursache des Krieges - es gab sie nicht!
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Nebenbei erklärt Wagenknecht dann auch den Krieg in Afghanistan und in Libyen zu völkerrechtswidrigen Kriegen - obwohl beide Interventionen mit Mandaten des UN-Sicherheitsrates durchgeführt wurden. In Libyen waren es zudem FR und GB, die vorgeprescht sind, nicht die USA.
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An anderer Stelle suggeriert Wagenknecht, die bloße *Aussicht* auf die Stationierung von US-Truppen habe Putin zum Angriff bewegt. Das ist nicht "umstritten", sondern ignoriert die NATO-Russland-Grundakte, die nennenswerte Stationierungen östlich der Elbe ausschließt.
Bis 2014
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stand die NATO-Mitgliedschaft der Staaten Ostmitteleuropas de facto nur auf dem Papier, und selbst bis 2022 waren dort *insgesamt* nur 4000 Soldaten aus anderen Staaten stationiert.
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Und so wundert mich, warum man Wagenknecht nie bei Aussagen wie dieser hier festnagelt: Wenn die Welt 2013 so toll war, warum hat Putin ab dem 20.2.14 (also vor dem Sturz von Janukowitsch) nach der Krim gegriffen? Damals stand FR davor, 2 Hubschrauberträger an RU auszuliefern.
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Stattdessen kann Wagenknecht die Aggression Russlands ein weiteres Mal als eine Art Präventivkriegshandlung darstellen, indem es die Invasion als Reaktion auf eine zumindest "gefühlte" Bedrohungslage darstellt.
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Richtig stellt Wagenknecht fest, dass man sich in die Gegenseite hineinversetzen muss, um dessen Handeln zu verstehen: Wenn NATO-Staaten vor 2014 RU aufrüsten, nach 2015 der UA Waffen verweigerten und NS2 bauten, muss sich Putin ermuntert gefühlt haben, sich die UA zu nehmen.
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Mit Wagenknecht über Einschätzungen zu sprechen, bringt jedoch nichts - da hat sie schon gewonnen, weil sie strukturell im Vorteil ist: Sie kann immer entgegen "die einen sehen es so, die anderen so".
Wenn man aber Einschätzungen thematisiert, sollte man sie auf die
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Widersprüche ihrer Argumentation ansprechen. Wenn Wagenknecht erkennt, dass der BND 2022 falsch gelegen hat, warum hält sie es nicht für möglich, dass sich auch Putin verkalkuliert hat? Er war ja nicht der Einzige, der glaubte, die ukr. Armee würde in drei Tage kapitulieren.
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Ein besonders krasser Widerspruch in Wagenknechts Argumentation ist der Vorschlag, die Türkei solle die Sicherheit der UA garantieren. Würde die Türkei von RU angegriffen, weil sie ihr bei einer weiteren Invasion militärisch beiseite steht, wäre das Art.5.
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Immer wieder ist Wagenknecht zudem kurz davor zu verstehen, dass man die Ukraine schon 2008 in die NATO hätte aufnehmen sollen: Wie bedroht sich Putin dann auch immer "gefühlt" hätte - wie Wagenknecht diesmal richtig erkennt: er hätte die NATO nicht angegriffen...
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Stattdessen ergeht sich Wagenknecht im Geraune, dass Länder gegen ihren Willen in die NATO gezwungen würden. Aus Versehen spricht sie auch hier eine Wahrheit aus: Die Ukrainer:innen wollten mehrheitlich nicht in die NATO - bis zur Großinvasion. Seitdem schon.
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Aber das interessiert Wagenknecht nicht, denn sie suggeriert, die Ukraine sei es ohnehin nicht wert, verteidigt zu werden - alles korrupt und chaotisch.
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Was Gespräche mit Wagenknecht & Co betrifft, bin ich also skeptisch. Konrad Schuller und Oliver Conradi widersprechen, stellen vieles gerade - aber angesichts der Ballung von Desinformation frage ich mich, ob dieses Format sinnvoll ist.
15/15.

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