Ich habe das Ende der #Schuldenbremse letzte Woche nur hustend und keuchend aus dem Bett verfolgen können. Aber im Gegensatz zur Bremse habe ich mich glücklicherweise wieder erholt. Sie Ruhe in Frieden. 1/32
Ich gebe zu, dass mir zwar klar war, dass die CDU sobald sie regiert, die Bremse ändern würde. Jeder, der etwas von Politik versteht wusste das die Regierungszeit für #Merz andernfalls sehr unangenehm und unerfolgreich geworden wäre. 2/32 politischeoekonomie.com/nicht-ob-sonde…
Dass die #CDU von der Schuldenbremse aber fast nichts übrig lassen würde hat dann auch mich überrascht. Und es war natürlich nicht die #SPD, die das durchgesetzt hat. Es war von der #CDU schon seit Herbst vorbereitet. Siehe diese Recherche. 3/32
Und ich würde auch behaupten, dass eine linke Regierung sich sowas – selbst mit Mehrheit – nie getraut hätte. Ich selbst kann behaupten, dass ich deutlich weniger weitgehende Vorschläge gemacht habe: 4/32
Wenn man der #SPD davon etwas zurechnen will dann das Sondervermögen Infrastruktur. 500 Milliarden sind verglichen mit alles über 1% bei Verteidigung aber erstens bescheiden und zweitens sehr endlich. Daher ist das auch keine optimale Reform. 5/32
Die Abstimmung im Bundesrat zeigt, dass der Länderanteil (0,35% Strukturkomponente + 100 Mrd. aus dem Sondervermögen) von allen beteiligten Parteien in den Ländern (CDU/CSU, SPD, Grüne) gewollt wurde. Nur deshalb gab es 2/3-Mehrheit. 6/32
Dann kann man die neuen Schulden etwas vereinfachend den Parteien und Ebenen zuordnen. Verteidigung der CDU, Infrastruktur Bund der SPD, Klima Bund den Grünen und Länderanteil einfach komplett den Bundesländern. 7/32
Dann ergibt sich aus einer Simulation mit 63% Schuldenquote 2024 und neuen Schulden ab 2026 folgende Entwicklung. Dabei ist unterstellt, dass der Bund 3% des BIP für Verteidigung ausgibt und davon 2% über Kredite finanziert. 8/32
Ferner sind die BIP-Zahlen der Jahresprojektion der Regierung verwendet und ab 2030 dann ein Nominalwachstum von jährlich 2,5%. Strukturkomponente und Verteidigung stellen wie heute auf das BIP 2 Jahre vorher ab, weil das bei Aufstellung bekannt ist. 9/32
Eine Tilgungsverpflichtung ist im Grundgesetz – wie schon beim Sondervermögen Bundeswehr – nicht vorgesehen. Daher habe ich mal nur die vom BMF berechneten Tilgungen für die Corona-Schulden mit hineingerechnet. Fallen aber kaum ins Gewicht. 10/32
Interessant ist das nur, weil Ex-Finanzminister Lindner vorgeschlagen hatte, die Tilgung abzusenken, wenn die Schuldenquote wieder unter 60% fällt. Diese Bedingung wird jetzt aber gar nicht mehr eintreten (Tilgung strecken könnte der Bundestag trotzdem). 11/32
Wie Andere schon angemerkt haben steigt die Schuldenquote bis 2040 auf knapp über 80%. Keine Zahlen, die irgendwie gefährlich wären. Und die Zinsanstiege für Bundesanleihen sind auch kein Zeichen für eine Erwartung, der Bund würde ausfallen. 12/32
Vielmehr vermute ich wie viele Ökonomen einen konjunkturellen Effekt, wenn nicht nur Deutschland, sondern alle EU-Staaten ihre (Verteidigungs)ausgaben ausweiten. Und mit einem größeren fiskalischen Effekt kann der Effekt der Geldpolitik geringer ausfallen. 13/32
Also würde ich davon ausgehen, dass die Märkte bereits eingepreiste Zinssenkungserwartungen korrigiert haben, also von weniger Zinssenkungen ausgehen. Wirkt sich das Paket über diesen Kanal negativ ökonomisch aus? 14/32
Schwer zu sagen: Bei höherer Inflation und einer Zentralbank mit Inflationsziel ist die Zinspolitik in der Tat der mögliche Kanal für Crowding Out privater Investitionen (nicht etwa ein Fehlen von Ersparnissen). 15/32
Aber zumindest die höheren Investitionen in die Infrastruktur verbessern natürlich auch die Produktivität und Rendite privater Investitionen und weiten die Produktionsmöglichkeiten insgesamt aus. Ich bevorzuge bis zum Beweis des Gegenteils den Optimismus. 16/32
Seltsam ist es die Bereichsausnahme für Verteidigung aber schon, weil sie – anders als Infrastrukturinvestitionen – das Produktionspotential der Volkswirtschaft nicht erhöhen werden. Schützen ja, aber nicht erweitern. 17/32
Damit komme ich zur Frage, ob es bessere Reformmöglichkeiten gegeben hätte? Für mich eindeutig ja. Die jetzige Lösung hat mehrere Probleme und löst auch nicht vorher schon bekannte Probleme der #Schuldenbremse z.B. Rückkehr nach Notlagen. 18/32
Wie wir bei den 100 Milliarden Sondervermögen Bundeswehr gelernt haben, haben Sondervermögen immer ein Problem: Sie sind endlich. 500 Milliarden mag auf den ersten Blick viel erscheinen, aber geteilt durch 12 Jahre sind es schon nur noch ca. 40 Milliarden. 19/32
Und dieser Betrag wird dann aufgeteilt auf die staatlichen Ebenen, auf Klima und die unterschiedlichen Arten von Infrastruktur. Wenn die #GroKo – und davon ist auszugehen siehe Strom – auch die Investitionen privater bezuschussen will … 20/32
… können wir froh sein, wenn das Geld überhaupt 12 Jahre reichen wird. Danach aber würde für alles außer Verteidigung wieder die gleiche restriktive #Schuldenbremse gelten wie heute. Wenn nicht noch eine weitere Reform nachgeschoben wird. 21/32
Warum für Verteidigung die Kreditaufnahme unbegrenzt ist, während alles andere gedeckelt wird, lässt sich nur aus parteitaktischen Motiven der #CDU erklären. Offenbar hielt man bei den eigenen Anhängern nur Militär für vermittelbar. 22/32
Die bessere Reform der Bremse hätte genau umgekehrt ausgesehen. Eine temporäre Lösung um verteidigungsfähig zu werden, und eine dann dauerhafte Steuerfinanzierung der höheren Verteidigungsausgaben z.B. durch eine neue Bundesergänzungsabgabe/#Soli 23/32
Und stattdessen bei Investitionen eine dauerhafte Lösung z.B. eine Nettoinvestitionsregel. Und weil die inhaltlich anspruchsvoll ist (wie berechnet man die Abschreibungen?) hätte man an der Stelle einen Schwellenwert nehmen können. 24/32
Also: Alles was der Bund mehr als x% des BIP investiert, darf er über Kredite finanzieren. Genau die Lösung also, die man jetzt für die Verteidigungsausgaben getroffen hat. Für Investitionen wäre sie weitaus logischer gewesen. 25/32
Mir sind übrigens ohnehin Lösungen lieber, die den Kreditfinanzierungsspielraum jährlich um einen begrenzen Betrag ausweiten als solche einmaligen Riesentöpfe. Bei Letzterem sind Anreize und Begehrlichkeiten m.E. schon denklogisch schlechter. 26/32
Ausgerechnet Friedrich #Merz war es, der das bei der Ampel und dem Sondervermögen Bundeswehr immer wieder kritisiert hat. Das er jetzt eine solche Konstruktion selbst geplant hat spricht Bände: 28/32cducsu.de/themen/zeitenw…
Ausgerechnet Friedrich #Merz war es, der das bei der Ampel und dem Sondervermögen Bundeswehr immer wieder kritisiert hat. Das er jetzt eine solche Konstruktion selbst geplant hat spricht Bände: 28/32cducsu.de/themen/zeitenw…
Auch im Sinne zukünftiger Regierungen ist eine moderate Erhöhung des jährlichen Kreditfinanzierungsspielraums besser als eine Regierung die sich einmal selbst kräftig bedient und ihren Nachfolgern, dann womöglich wenig bis nichts übriglässt. 29/32
Warten auf die dauerhafte Reform. Ob sie kommt, nachdem der politische Druck fast weg ist? Die politischen Anreize sprechen dagegen. Aber es wäre leichtfertig das nicht zu machen solange verfassungsändernde Mehrheiten noch möglich sind. 30/32
In eigener Sache: Auch ich verabschiede mich jetzt erstmal aus der Politik. Einerseits war es spannend und zumindest manchmal sinnvoll. Andererseits aber auch oft frustrierend und mit persönlichen Nachteilen verbunden. 31/32
Aber das heißt ja nicht, dass man nicht weiter Politik und Ökonomie kommentieren kann, wenn man Spaß daran hat. Im Gegenteil, ist man vielleicht noch unbefangener 😉32/32
@threadreaderapp unroll
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Ganz kurz zur (Sprach)verirrung des Friedrich #Merz. Ein #Sondervermögen ist natürlich eine Änderung der #Schuldenbremse. Wie ist denn das Sondervermögen Bundeswehr im Grundgesetz formuliert. Art. 87a Abs.1a: "Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann ... 1/4
...der Bund ein Sondervermögen für die Bundeswehr mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden." 2/4
Also Artikel 109 und 115 (Die Schuldenbremse) wird durch Artikel 87a als eine Art Spezialnorm überschrieben und gilt insoweit dann nicht. Was er vermutlich meint: Das ist dann auf die dort festgelegte Summe gedeckelt. Ich höre etwas von 200 Milliarden plus. 3/4
Bin ich bei @jsuedekum. Und das als Gegner der #Schuldenbremse! Wir brauchen eine SB-Reform nicht nur für Verteidigung sondern generell, weil schon 2029 auch mit der Linken die 2/3 Mehrheit fehlen könnte. 1/
Kurzfristige Lösungen die das Problem nur für die nächsten Jahre lösen würden verbieten sich daher. Sie sind auch nicht nötig, weil die große Koalition eine Notlage mit einfacher Mehrheit für 2025 und 2026 beschließen kann. AfD kann auch nicht dagegen klagen. 2/
Dafür braucht man nämlich 25% der Mitglieder des Bundestags (Artikel 94 GG). Die hat die AfD nicht sondern bräuchte auch hier die Unterstützung der Linken. Die #Linke wird mit Sicherheit - anders als Merz -nicht mit der AfD gemeinsame Sache machen. Sonst wären sie erledigt. 3/
Sie sind weniger geworden die Verteidiger der #Schuldenbremse, aber offiziell verteidigen momentan noch #CDU /CSU, #FDP und #AfD die Bremse. Daher hier der Versuch einer letzten inhaltlichen Gegendarstellung von mir vor der #Bundestagswahl. 1/
Unsere Kinder müssen das NICHT zurückzahlen. Was für Individuen gilt ist für Staaten falsch, weil diese nicht sterben, und wenn dann in der Regel mit Rechtsnachfolger. Die Kinder der Gründermütter der USA haben jedenfalls Netto nichts zurückgezahlt. 😉 2/
Die wahre Belastung liegt in den Zinsen. Damit diese zu einem großen Problem werden können muss die Bedingung erfüllt sein, dass der Zinssatz, den der Staat zahlt über der Wachstumsrate der Volkswirtschaft liegt. Ökonominnen reden von r (Realzins) – g (growth = Wachstum). 3/
Alle posten ihr Ergebnis beim #wahlomat. Ich mache es anders und analysiere die Übereinstimmung der #Parteien zur #Bundestagswahl. Wie groß sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten, also wenn man nach den Antworten der Parteien zum Wahl-O-Mat geht? 🧵1/11
Das Vorgehen hat den Vorteil, dass die Parteien, die Antworten selbst gegeben haben, man ihnen also nichts unterstellen muss. Es hat den Nachteil, dass man nicht weiß wie viel Überzeugung und wie viel wahltaktisches Kalkül in den Antworten steckt. 2/11
Bei Zustimmung zu einer These vergebe ich den Wert 1, wenn die Partei die These ablehnt den Wert -1. Verhält sie sich neutral vergebe ich eine Null. Das mache ich für alle Parteien die Chancen haben in den Bundestag einzuziehen. 3/11
Das "Wir werden alle Kapitalisten" ist nicht nur sein Geschäftsmodell. Für die meisten Menschen bleibt das aber nur ein schöner Traum. Die real existierende #Vermögensverteilung in Deutschland sieht ganz anders aus. 1/13
Die allermeisten Menschen leben eben nicht von ihrem Vermögen, sondern von ihrer Arbeit. Lt. dem letzten Mikrozensus sind es in Deutschland 1% der Menschen, die überwiegend von Kapitalerträgen leben: 2/
Und #kapitalertraege werden im Schnitt geringer mit Steuern und Abgaben belegt als Arbeitseinkommen. Sie unterliegen der Einkommensteuer, aber nicht den Sozialversicherunsbeiträgen. Für die Mehrheit der Erwerbstätigen sind letztere übrigens höher als die Einkommensteuer. 3/
Bei allem Respekt, aber man kann natürlich leicht darstellen wie sich das auf die Schuldenquote Deutschlands auswirken würde. Ich nehme die Daten der Herbstprojektion der Bundesregierung für BIP und Konjunkturkomponente 1/10
Das geht bis 2029. Für 2030 unterstelle ich vorsichtig 2,5% Nominalwachstum (2% Inflation, 0,5% real) und als Ausgangspunkt nehme ich die Schuldenquote die das Finanzministerium noch unter #Lindner für 2024 vorhergesagt hatte (64%). 2/10
Dann wirken sich die +500 Milliarden (habe die einfach komplett 2025 verbucht; es verteilen ändert ja das Endergebnis nicht) so auf die deutsche #Schuldenquote aus im Vergleich zur geltenden Schuldenregel. 3/10