1/ In die Milliarden-Masken-Affäre von Spahn kommt neue Bewegung. Spoiler: Es tun sich Abgründe auf. Ein seit Monaten vorliegender Aufklärungsbericht wird im BMG unter Verschluss gehalten. Dazu, und was das alles mit dem Sohn von Helmut Kohl zu tun hat – ein längerer Thread 🧵
2/ Die von der Bundesregierung eingesetzte Sonderermittlerin Margaretha Sudhof hat bereits im Januar ihren Ermittlungsbericht dem @BMG_Bund vorgelegt. Doch er wird entgegen Ankündigungen, weiter unter Verschluss gehalten – obwohl er fertig ist. Man hört Ausreden statt Aufklärung.
3/ Offenbar enthält er so viel politischen Sprengstoff, dass das BMG unter der neuen CDU-Ministerin Nina Warken ihn lieber verschwinden lassen will. Offizielle Begründung: „rechtliche Abwägungen“. Die inoffizielle Vermutung: Schutz von Spahn, statt Transparenz für Steuerzahler.
4/ Was steht mutmaßlich u.a. in dem Bericht?
Im März 2020 beauftragte Spahn offenbar gegen den Rat aller Ministerin und des Krisenstabs nicht DHL oder Schenker – sondern Fiege Logistik, ein Mittelständler aus seinem Wahlkreis, mit der gesamten Maskenbeschaffung für Deutschland.
5/ Der Auftrag an das ihm persönlich „eng vertraute“ kleine Mittelstandsunternehmen Fiege:
Beschaffung, Lagerung und Verteilung aller Corona-Masken für ganz Deutschland.
Auftragswert: >1,5 Milliarden Euro.
Die Vergabe: freihändig, ohne Ausschreibung, ohne jeden Wettbewerb.
6/ Doch damit nicht genug: Spahn setzte über Nacht persönlich – ebenfalls gegen allen Rat seiner eigenen Fachleute und aller Ministerien – einen Stückpreis von 4,50 € pro Maske fest. Marktüblich und empfohlen waren damals 2,83 €. Ein Preisaufschlag von +59 %.
7/ Und er ging noch weiter: Alle Anbieter, die zu diesem Preis liefern wollten, erhielten sofort eine Zusage. Ohne Mengenbegrenzung. Ohne vorherige Prüfung von Lieferfähigkeit oder jedweder Qualität. Es fehlte jede Form von Überblick und Steuerung.
8/ Das System geriet über Nacht völlig außer Kontrolle. Die Lager bei Fiege liefen voll, die Logistik brach zusammen. Der Überblick über tatsächliche, angebliche und mutmaßliche Lieferungen ging verloren.
9/ Laut Ermittlungsbericht war Fiege Logistik offenbar „sehr schnell komplett überfordert“. Dass Innen- und Verteidigungsministerium hatten genau davor gewarnt. Von Spahn wurde das wissentlich ignoriert und offenbar als „verzeihbarer Fehler“ billigend in Kauf genommen.
10/ Besonders auffällig: Insbesondere viele Masken-Händler mit Nähe zur Union erhielten Aufträge. Über 100 andere Anbieter schauten aber in die Röhre, als das außer Kontrolle geratene Verfahren von Spahn plötzlich wieder abrupt gestoppt wurde.
11/ Brisant, selbst nach dem offiziellen Vergabe-Stop ließ Spahn teilweise nur Tage später, nachträglich offenbar trotzdem noch weitere Masken beschaffen – außerhalb des offiziellen Verfahrens, diesmal direkt und erneut mutmaßlich über Firmen aus seinem Umfeld und dem der Union.
12/ Das Ergebnis: Millionen Masken wurden später verbrannt – insbesondere wegen Qualitätsmängeln. Gleichzeitig blieben viele seriöse Anbieter auf hochwertiger Schutzausrüstung sitzen, da diese, in die mit Ramschware überfüllten Fiege-Lager von Spahn nie ausliefern konnten.
13/ Mehr als 100 Firmen klagen inzwischen gegen den Bund. Es geht nun um mindestens 2,3 Milliarden Euro Schadensersatz plus Zinsen. Viele Prozesse hat der Bund bereits verloren. Jeden Tag fallen inzwischen 1 Millionen Euro Schadensersatz-Zinsen zusätzlich an.
14/ Ist das schon alles? Nein, nun wird es heikel: Nur wenige Monate nach den ersten Fiege-Maskendeals kaufte der bis dato nicht als vermögend bekannte damalige Minister Spahn mitten in der Pandemie überraschend eine Villa in Berlin-Dahlem – für über 4 Millionen Euro.
15/ Die Finanzierung: Bis heute nicht aufgeklärt. Zunächst gab es eine dubiose Grundschuld auf einem Raiffeisenbank-Konto in Österreich – die plötzlich wieder verschwand.
Wenig später dann ein Kredit der Sparkasse Westmünsterland, für die Spahn einst selbst arbeitete.
16/ Auffällig: Sowohl ein Vorstand der Sparkasse als auch ein Vertreter von Fiege sitzen mit Spahn im Kuratorium einer regionalen Wirtschaftsvereinigung, die der Union und Spahn politisch und privat sehr nahesteht.
17/ Die Nähe ist natürlich kein Beweis – aber in der Summe mit vielen anderen offenen Fragen wirkt sie verstörend. Bis heute ist trotz aller Recherche-Versuchen unklar, welche Eigenmittel Spahn aufgebracht hat – und ob weitere Bürgschaften im Spiel waren.
18/ Aber nicht nur zu dem Immobilien-Deal parallel zum Krisenmanagement stellen sich weiter Fragen: Auch der Spendendinner-Skandal im Herbst 2020 in Leipzig ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Worum geht es dabei?
19/ Damals lud Minister Spahn wenige Monate nach den Maskendeals mitten im Lockdown bis heute geheim gebliebene Unternehmen zum privaten Dinner nach Leipzig ein. Ziel: Parteispenden in Höhe von 9.999 Euro je Teilnehmer an seinen CDU-Kreisverband.
19/ Und dann ist da noch Maskenhändler Walter Kohl, Sohn des Altkanzlers. Auch er wurde durch Spahns Chaos geschädigt – und hat inzwischen einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Bund (in Millionenhöhe) erzielt. Das selbst er nun Aufklärung fordert wirkt fast bizarr.
20/ Was jetzt zu tun ist:
Der vollständige Sudhof-Bericht muss veröffentlicht werden! Die parlamentarische Kontrolle darf nicht länger blockiert werden. Denn wer Milliarden Euro an Steuergeld verschwendet, wer gegen den Rat von Fachleuten entscheidet, ist nun Antworten schuldig.
22/ Diese Affäre ist kein vergangener Fehler in guter Absicht – sondern ein politisches Drama mit Ansage, dass bis heute andauert. Die Masken-Milliarden von Spahn verschlingen weiter Geld was anderen fehlt. Spahn muss sich endlich verantworten: deutschlandfunk.de/spahns-maskend…
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1️⃣ Ein verbindliches Primärarztsystem steht grade im Zentrum der aktuellen gesundheitspolitischen Debatte. Ziel ist klar: bessere Steuerung, gleichzeitig schnellere Termine, weniger Fehlversorgung. Die Frage ist: Wie gelingt das – und wann droht Stau statt besserer Steuerung?
2️⃣ Wir haben im internationalen Vergleich sehr viele Arztkontakte, niemand in Europa gibt pro Kopf so viel für Gesundheit aus wie wir, gleichzeitig ist die Versorgungsqualität schlecht.
„Zu viel, zu oft, zu unkoordiniert“ - richtig gemacht, kann hausärztliche Steuerung helfen.
3️⃣ Voraussetzung: Die Struktur muss zur Steuerung passen.
Ein verpflichtendes Primärarztsystem ohne Ausbau der Primärversorgung würde in die Überforderung führen – und in Regionen ohne Hausärzt:innen ins Leere laufen.
1/5 Trump wettert mal wieder gegen Europa, diesmal die Arzneimittelpreise. Dabei lenkt er vom eigentlichen Problem ab: Ein marktgetriebenes US-Gesundheitssystem, das Millionen Menschen lebenswichtige Medikamente vorenthält & nun droht auch seine Innovationskraft zu verlieren.
2/5 So berechenbar Trumps populistische Polemik ist, so berechtigt ist der Blick auf ein reales Problem: Auch in Deutschland steigen die Arzneimittelausgaben stark. Wir geben inzwischen mehr für Medikamente als für ärztliche Versorgung aus. Ohne Zutun wird das zum großen Problem.
3/5 Wir erleben in Deutschland eine doppelte Arzneimittel-Schieflage: Patentschutz treibt neue Therapien in extreme Preisdimensionen. Gleichzeitig machen aggressive Rabatte bei Generika deren Produktion oft unwirtschaftlich – mit Folgen: Lieferengpässe & Versorgungsprobleme.
1/ DAS ist bedeutsam & in den letzten Tagen untergegangen:
Der Bund & das Land Baden-Württemberg (stellvertretend für alle Länder!) werden wegen Untätigkeit bei der Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes vor dem Bundesverfassungsgericht verklagt.
Worum geht es?
Die @steigerstiftung wirft in ihrer Klage Bund und Ländern vor, seit Jahren in Kauf zu nehmen, dass die Gesundheit der Patientinnen und Patienten in der Notfallversorgung durch einen uneinheitlichen und qualitativ mangelhaften Rettungsdienst gefährdet wird. 2/
Konkret wird darauf abgestellt, dass dadurch die im Grundgesetz festgeschriebenen Schutzpflichten des Staates für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger sowie das Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland verletzt würden. 3/
🧵 Was passiert eigentlich jetzt mit der Krankenhausreform?
Die Krankenhausreform steht am 22.11. im Bundesrat zur Abstimmung. Mehrere Länder wollen Einspruch einlegen und den Vermittlungsausschuss anrufen. Welche Folgen hätte das?
1️⃣ Der Kern der Reform: Ziel ist die Verbesserung der Qualität und nachhaltige Sicherung der Krankenhausversorgung, vor allem im ländlichen Raum. Dazu sollen ab dem 1.1.2025 jährlich zusätzlich 3 Mrd. Euro Betriebskostenhilfe und 5 Mrd. Euro aus dem Transformationsfonds fließen.
2️⃣ Was passiert wenn die Reform nicht kommt? Ohne sie droht vielen Kliniken schon in 2025 das Aus, besonders in ländlichen Regionen. 70 % der Kliniken sind aktuell defizitär, v.a. kleinere Häuser und Häuser auf dem Land würden schließen müssen.
1/ Wie sehr der Arbeitskräftemangel inzwischen das Vertrauen in die Lösungsfähigkeit unserer Demokratie & Handlungsfähigkeit des Staates erodiert, zeigt sich im Brennglas für das Gesundheitswesen in dieser Befragung des Institut für Demoskopie Allensbach. faz.net/aktuell/politi…
2/ Die Allensbach-Umfrage zeigt: Das Vertrauen der Befragten in die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystem hat stark abgenommen. Die Gesundheitsversorgung, einst Musterbeispiel für gute soziale Absicherung & gleichwertige Lebensverhältnisse ist, selbst zum Patienten geworden.
3/ Der doppelte demographische Wandel führt dazu, dass immer mehr ältere Menschen versorgt werden müssen, während gleichzeitig immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Weniger sozialversicherungspflichtige Jobs sorgen zu dem für ein wachsendes Defizit der Krankenkassen.
1/ Eine berechtigte Frage von @ChristinaBerndt: „Und wo ist jetzt der Skandal?“. Die veröffentlichten Dokumente sind mutmaßlich die Protokolle des RKI aus der Pandemie-Zeit. Sie zeigen m.E. übliche Krisenstabs-Arbeit und den damaligen Wissensstand. sueddeutsche.de/wissen/corona-…
2/ Die Dokumente zeigen z.B. wie sich die Lage in mehreren Infektionswellen 2020 und 2021 dramatisch zugespitzt hat, insbesondere durch die mindestens regionale Überlastung der Intensivstationen. Die Menschen dort haben über ihre Grenzen hinaus gearbeitet. ardmediathek.de/serie/charite-…
3/ Auch wird ersichtlich, wie sich die Einschätzung der Lage mit dem wachsenden Wissen über das Virus und die Impfungen veränderte und darüber intensiv beraten und gerungen wurde. Ein Skandal oder eine Neuigkeit ergibt sich daraus nicht.