Daniel-Pascal Zorn Profile picture
Philosoph, Dr. phil. | Sachbuchautor | Phil. Komparatistik, Phil.geschichte, Didaktik d. Philosophie | Aktuell: Ideengeschichte d. Liberalismus | Hier privat
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Dec 23 7 tweets 1 min read
Ceterum censeo:

Nein, die Neurowissenschaften – Neurologie, Neurobiologie, Kognitionspsychologie – erklären nicht das menschliche diskursive Denken.

Nein, es gibt dazu keine einzige konsistente Theorie.

Nein, die wissenschaftliche Psychologie kann das auch nicht. /1 Der ‚Hirn‘-Materialismus, der alles Denken auf empirische Zusammenhänge reduzieren will, ist inkonsistent und selbstvergessen – vor allem aber ist er eine *Metaphysik*, d. h. eine *philosophische* Position. /2
Dec 7 21 tweets 3 min read
Diejenigen, die in einem deregulierten Markt ohne staatliche Vorgaben und Beschränkungen die meisten Profite machen, haben natürlich ein Interesse, diese Vorgaben loszuwerden.

Dieselben Vorgaben und Beschränkungen schützen zugleich diejenigen, die auf einem solchen … /1 … Markt, auf dem das Recht des Stärkeren regiert, die Schwächeren und Schwächsten sind.

Das historische Beispiel zeigt, was passiert, wenn sich die ökonomisch Stärksten mit ihren Interessen durchsetzen. Die wenigen, die am meisten haben, haben dann den meisten politischen …/2
Nov 22 26 tweets 4 min read
Platon lesen – aber wo anfangen?

An den Universitäten orientiert sich die Platonlektüre unsinnigerweise an der Kategorie ‚Hauptwerk‘ (z. B. Politeia) oder an Ordnungsbegriffen wie ‚Ontologie‘ (z. B. Sophistes) oder ‚Erkenntnistheorie‘ (z. B. Theaitetos).

Das ist unsinnig. /1 Es unterwirft die platonischen Dialoge modernen Vorstellungen von Philosophie und ihren Fragerichtungen – Dialoge, in denen überhaupt erst um den Begriff der Philosophie selbst gerungen wird.

Wie macht man es besser? /2
Jul 27 30 tweets 4 min read
Wie die Philosophie die Wissenschaftstheorie ausgehebelt hat – ein 🧵⏬️

Ich lese gerade das Buch ‚Wissenschaftsfreiheit und Moral‘ von @TimHenningJGU. Dabei – und beim Ansehen des Vortrags, der Ausgangspunkt des Buches ist, sind mir ein paar Dinge bezüglich der dort … /1 … vorausgesetzten philosophischen Erkenntnistheorie aufgefallen. Ausgegangen wird von einem Modell wissenschaftlicher Erkenntnis, in dem „evidence“ einen „belief“ rechtfertigt. Nanu, denke ich – so einfach funktioniert Wissenschaft dann doch nicht, oder? … /2
Jul 22 36 tweets 6 min read
As a logician, I would like to point you to the mistake in your argument:

„(2) brain processes are physical“ means: brain processes can be described physically. That holds for anything you can *measure* physically. However, only because there are processes that can be … … described physically, this doesn‘t entail that any phenomenon related to the brain can be described as „process“ and / or physically.

If this is, as you claim, @aran_nayebi, „standard neuroscience“, your neuroscience is physicalistic and, thus, metaphysics. …
Jul 7 6 tweets 1 min read
Typisches akademisches Problemgespräch:

Ich: (behaupte was zu einem Text & nenne auf Anfrage die Stelle)

Antwort: meine Behauptung sei eine mögliche Interpretation

Ich: Eigentlich steht das da

Antwort: man wäre da vorsichtiger

Ich: Warum?

Antwort: die Forschung … /1 … streitet um die Bedeutung fast jedes Wortes in diesem Text (= alles ist interpretationsbedürftig). Welches Wort steht denn für XY?

Ich: Das hat mit problematischen Voraussetzungen dieser Forschung zu tun (gebe umfängliche Darlegung zur Übersetzung und Funktion von XY) … /2
Jun 30 9 tweets 2 min read
Ein Hauptproblem mit der Lektüre von Texten, das mir in Seminaren und Diskussionen immer wieder begegnet, ist die stille Voraussetzung, es gehe immer darum, einem Text ‚Informationen‘ zu entnehmen. Durch diese Voraussetzung werden philosophische Texte unverständlich. /1 Philosophische Texte sind argumentierende Texte. Selbst im Extremfall sogenannter ‚wissenschaftlicher Philosophie‘ handelt es sich immer um eine Auseinandersetzung mit bestehenden Positionen. Den Lesern wird abverlangt, die Diskussion durchzuspielen und zu prüfen. /2
Jun 27 20 tweets 4 min read
Dank dieses Berichts von @BiskyJens und Karsten Malowitz zur Benjamin Lecture von @lea_ypi kann ich besser verstehen, was mich an dieser Art, Theorie vorzutragen im Allgemeinen und der Vorlesung im Besonderen stört.

Ja, der Versuch, Marx mit der Aufklärung zu versöhnen, hat…/1 … Tradition. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass es zwei Marx gibt: denjenigen vor und den nach 1931, als Landshut die frühen Manuskripte im Berliner SPD-Archiv entdeckt. Der Konflikt von Marx und Aufklärung war vor 1931 motiviert durch die schroffe Absetzung Marxens …/2
Jun 18 5 tweets 1 min read
Offenbar basiert die gesamte Affäre #BMBF auf einem Fehlbezug:

Der offene Brief der Berliner bezieht sich laut @micwildt auf die Vorgänge am 3. Mai an FU und HU.

Die antisemitischen Vorfälle und Straftaten ereignen sich am 7. Mai an der FU.

Beides wird am 8. Mai öffentlich. Alternativ bezieht sich der Brief auf die Räumung des Protestcamps am 7.5. Der AStA der FU macht dazu folgende Angaben:

– der Protest war zunächst friedlich
– Sachbeschädigungen gab es erst NACH einer unverhältnismäßigen Räumung durch die Polizei …
Jun 6 11 tweets 2 min read
Alle Letztbegründungsfiguren der Philosophie lassen sich auf die gleiche logische Struktur zurückführen – von ‚Gott‘ über das ‚Ich‘, den ‚Ursprung‘, das ‚Unbewusste‘, bis zum ‚Absoluten‘ und dem ‚Nichts‘. Die logische Struktur nenne ich ‚reflexive Komplikation‘:

… : ‚… : …‘ Die Pointe von Reflexivität ist, dass man sie nicht nicht auslegen kann – oder: dass man sie auslegen muss. Auch ‚Struktur’, ‚reflexive Komplikation‘ oder ‚Reflexivität‘ sind Auslegungen, d. h. begriffliche Fassungen, die bestimmte Aspekte der Struktur betreffen.
Apr 15 8 tweets 1 min read
Ich frage mich, was antirassistische Aktivistinnen gewinnen, wenn sie sich selbst zum Maßstab ihres Diskurses machen. Sie skandalisieren für dieselbe Öffentlichkeit, die sie skandalisieren. Geht‘s also nur um identitäre Bestätigung? Was soll dieses Schulhof-Geblaffe bewirken? /1 Ich verstehe, wenn man den Kaffee auf hat und keine Geduld mehr für Diskurs. Aber warum muss man damit dann andere bedrängen, die darauf dann wieder antworten werden? Um das dann wieder skandalisieren zu können? /2
Mar 5 11 tweets 2 min read
Ich glaube, es ist möglich, weil Butler hier drei Dinge zugleich versucht:

1. Sie versucht, das Framing „armed resistance“ aufrechtzuerhalten

2. Sie versucht, das Framing „terrorist attack“ als stellvertretend für eine falsche Darstellung des gesamten Konflikts abzuwehren /1 3. Sie versucht, den „terror“ in „terrorism“ als bloß emotionale, unklare Reaktion (die sie bei sich beschreibt) darzustellen, der aber eine klare, rationale Beurteilung gegenübergestellt werden soll (wenn nicht, wäre das „foolish“)

Das sind alles drei Reflexe aus dem … /2
Feb 14 6 tweets 1 min read
Viele – auch sehr gebildete – Menschen haben Formen rhetorischer Manipulation so sehr verinnerlicht, dass sie ihnen zur selbstverständlichen Praxis geworden sind. Gerade der Wettbewerb unter ‚Gebildeten‘ artet zuweilen in eine rhetorische Schlammschlacht aus. /1 Das liegt auch daran, dass echte argumentative Auseinandersetzungen schon im Studium vermieden werden. Es gibt also keinen Übungseffekt. Die Leute sollen Qualifikationsarbeiten schreiben, lernen aber nie, sich argumentativ angemessen zu verteidigen. /2
Feb 10 16 tweets 2 min read
In Deutschland wird es immer schwieriger, ein ordentliches Philosophiestudium zu absolvieren. Dazu trägt nicht nur die Hochschule bei, die Studierende wie Auszubildende nach Regelplan durch die Seminare jagt. Eine zunehmende inhaltliche Monokultur macht das Studium einseitig. /1 An großen Universitäten, früher Zentren diverser philosophischer Forschung, wurden Lehrstühle nach theoriepolitischen Maßgaben besetzt. In Berlin, Tübingen, Heidelberg studiert man nicht mehr Philosophie, sondern die Schule der Analytischen Philosophie. /2
Feb 2 19 tweets 3 min read
‚Würde‘ ist, seit Pico della Mirandola, die Freiheit zur Selbstbestimmung. Mit Kant ausgedrückt: der Mensch ist Zweck an sich selbst. Mensch ist man nicht für dies oder das, sondern um seiner selbst Willen.

Das Würde-Postulat gilt, als vernunftlogisches Postulat, notwendig: /1 Wer überhaupt irgendeine Art der Selbstbestimmung in Anspruch nimmt, bestätigt es – auch und gerade die, die sich selbstbestimmt davon mit einem ‚Nein!‘ abgrenzen. Jede Sprechposition bestimmt sich im Gesagten selbst. Jede Äußerung, Selbstdarstellung ist Ausdruck von Würde. /2
Jan 31 9 tweets 2 min read
Handreichung zur begriffsgeschichtlichen Bestimmung:

1. Wird der betreffende Begriff zu irgendeinem Zeitpunkt polemisch verwendet?

2. Wenn 1. zutrifft: Gibt es Übereinstimmungen dieser polemischen Verwendung mit einer aktuellen deskriptiven Verwendung? /1 3. Wenn 1. zutrifft: Welche Aspekte der zeitgenössischen polemischen Verwendung gibt es?

4. Wenn 3. geklärt ist: Beruft sich die zeitgenössische polemische Verwendung auf Vorläufer?

5. Wenn 4. zutrifft: Sind diese Vorläuferverwendungen ihrerseits polemisch oder deskriptiv? /2
Jan 27 21 tweets 4 min read
Vielleicht sollte ich diesen Standardsatz von mir einmal erläutern:

Dieser Satz erfüllt zwei Funktionen.

1. Die erste Funktion ist, persönliche Unterstellungen zu provozieren. Offen geäußerte Überlegenheitsansprüche, die nicht-polemisch formuliert sind, wirken auf Leute, … /1 … die hier vor allem polemisch unterwegs sind, meistens herausfordernd. Da vielen die Unterstellung von ‚Arroganz‘, ‚Hybris‘, ‚Eitelkeit‘ usw. nahe liegt, sobald sie etwas selbst nicht mehr verstehen, rechne ich einfach damit, zur Unsachlichkeit zu reizen. /2
Jan 19 15 tweets 2 min read
Während hier Rechte, Linke und Liberale blind die repräsentativsten Gefechte der ideologischen Moderne wiederholen und mit der Gegenwart verwechseln, macht Pierre Charbonnier einen interessanten begrifflichen Vorschlag: /1 Er stellt im ökologischen Diskurs zwei Antworten auf das Risiko-Paradigma (z. B. Beck: „Risikogesellschaft“) vor: Giddens‘ wissenschaftliche Verbrämung neoliberaler Gesellschaftsentwürfe als Soziologie – und Latours Idee, Wissenschaften an politischen und sozialen … /2
Jan 3 12 tweets 2 min read
Ein typisches Problem im Umgang mit Philosophie und ‚Theorie‘:

Man geht von einem Erkenntnisinteresse aus und sucht sich dann Theorien, die es bedienen. Das Ergebnis sind Texte, die so viele theoretische Voraussetzungen machen, dass sie argumentativ nicht mehr funktionieren. /1 Insbesondere in philosophischen Texten ist das ein Problem, weil sich Philosophie als Text- und Denkgattung durch radikale Voraussetzungskontrolle auszeichnet. Diese Voraussetzungskontrolle wird aber methodisch oft nicht vermittelt. Das Ergebnis: Simulation von Theoriearbeit. /2
Nov 21, 2023 14 tweets 2 min read
‚Bewusstsein‘ mag, als Phänomen betrachtet, unterschiedliche Grade und Modi aufweisen – unmittelbar / rein, gesund / wahnhaft, rein subjektiv oder an Zwecken oder Objekten orientiert. Aber keine Explikation desselben kann sich der Reflexivität entziehen, die sie selbst … /1 … – sobald sie nur expliziert – voraussetzt. Das heißt: Sie wird immer nur abstrakt darüber sprechen können. Ihr wird es geltungslogisch nie gelingen, einen Grad oder Modus zur Grundlage zu machen, der nicht explizit reflexiv ist. – DAS, nicht irgendwelche „Qualia“, ist das …/2
Nov 18, 2023 14 tweets 3 min read
Ein paar verstreute Bemerkungen:

Wer ‚Normative Orders‘ erforscht, wird dadurch nicht zu einer Instanz normativer Ordnung – auch dann nicht, wenn man Jürgen Habermas heißt.

Wenn „Grundsätze“ der Art und Weise einer Kriegsführung „bei all den widerstreitenden Sichtweisen,… /1 … die geäußert werden“, solche sind, „die nicht bestritten werden sollten“, sind jene Diskussionsbeiträge ausgeschlossen, die den Krieg selbst in Frage stellen. Dass Israel einen „prinzipiell gerechtfertigte[n] Gegenschlag“ führt, ist ein Beitrag in dieser Diskussion über … /2