Daniel-Pascal Zorn Profile picture
Philosoph, Dr. phil. | Sachbuchautor | Phil. Komparatistik, Phil.geschichte, Didaktik d. Philosophie | Aktuell: Ideengeschichte d. Liberalismus | Hier: Logiker
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Jan 13 15 tweets 2 min read
Die drei Disziplinen, mit denen ich als Philosoph meistens über Kreuz gerate, sind Psychologie, Ökonomik und Politikwissenschaft.

Alle drei haben sich – als Geistes- und Sozialwissenschaften – zu im strengen Sinne empirischen Wissenschaften ausgerufen. /1 Aus Sicht der Philosophie ist das in allen drei Fällen problematisch:

Die Psychologie laboriert immer noch an der Übertragung der Ontologie auf die Seelenlehre, die durch einen Übersetzungsfehler entstanden ist. Schon im 14. Jahrhundert drängt sie daher die Logik als … /2
Jan 10 23 tweets 4 min read
Die deutsche Extremismustheorie – ‚rechts von der CSU der Rechtsradikalismus‘ – ist nicht unmittelbar anwendbar auf historische Phänomene.

‚Rechts‘ war in der französischen Nationalversammlung rechts vom Präsidenten, wo die Monarchisten und Adligen saßen. ‚Rechts‘ … /1 … bedeutete also: ‚zurück in die Vergangenheit‘. Mit der Durchsetzung des Liberalismus verschwand diese Option zusehends, weswegen ‚rechts‘ erweitert wurde um ‚beibehalten wie es ist‘, gegen progressive, sozialliberale Bewegungen. /2
Jan 9 17 tweets 3 min read
Das 19. Jh. war politisch ein Zeitalter der liberalen Experimente – vor allem in England und Frankreich, aber auch im Deutschen Bund. Innenpolitisch wie außenpolitisch stritten Liberale für wirtschaftliche Freiheit, während sie politischer Freiheit skeptisch gegenüberstanden. /1 In England, Frankreich und Deutschland gingen vermögendes Großbürgertum und Monarchie früh Bündnisse ein – in England organisierten die Whigs ab 1830 im Verein mit adligen Großgrundbesitzern das wachsende Proletariat in Arbeitshäusern. Dabei folgte man dem Paradigma … /2
Dec 26, 2024 21 tweets 4 min read
Der wesentliche Hauptkonflikt jener Autoren und Autorinnen, die man mit einem publizistischen Schlagwort von Ende des 18. Jh. heute unter ‚Aufklärung‘ fasst, ist der Konflikt mit der Religion.

Ironischerweise, denn dieser Konflikt dauert an bis in die 2. Hälfte des 20. Jh. /1 Kant entwickelt seine Erkenntniskritik gegen eine theologische Schulphilosophie – seinen publizistischen Namen macht er sich als Kritiker der Religion, wie schon Lessing vor ihm und Fichte nach ihm. /2
Dec 25, 2024 4 tweets 1 min read
Diese Kulturkampf-Posts aus der Facebook-Ära, mit denen @VinceEbert sich der aktuellen Konjunktur des aggressiven Libertarismus andient, sind noch peinlicher als die Troll-Clownerie, die in der WELT präsentiert wird. Diese maximal uninformierte Aneinanderreihung von Buzzwords…/1 … ohne jeglichen Bezug zur Sache – ‚Vernunft‘, ‚Aufklärung‘, ‚abendländische Kultur‘ – erinnert an die Gelehrsamkeitssimulationen der Neuen Rechten 2017ff., als deren Aktivisten ihr Geschichtsbild aus Comics und Propaganda-Literatur als Nonplusultra darstellten. /2
Dec 23, 2024 7 tweets 1 min read
Ceterum censeo:

Nein, die Neurowissenschaften – Neurologie, Neurobiologie, Kognitionspsychologie – erklären nicht das menschliche diskursive Denken.

Nein, es gibt dazu keine einzige konsistente Theorie.

Nein, die wissenschaftliche Psychologie kann das auch nicht. /1 Der ‚Hirn‘-Materialismus, der alles Denken auf empirische Zusammenhänge reduzieren will, ist inkonsistent und selbstvergessen – vor allem aber ist er eine *Metaphysik*, d. h. eine *philosophische* Position. /2
Dec 7, 2024 21 tweets 3 min read
Diejenigen, die in einem deregulierten Markt ohne staatliche Vorgaben und Beschränkungen die meisten Profite machen, haben natürlich ein Interesse, diese Vorgaben loszuwerden.

Dieselben Vorgaben und Beschränkungen schützen zugleich diejenigen, die auf einem solchen … /1 … Markt, auf dem das Recht des Stärkeren regiert, die Schwächeren und Schwächsten sind.

Das historische Beispiel zeigt, was passiert, wenn sich die ökonomisch Stärksten mit ihren Interessen durchsetzen. Die wenigen, die am meisten haben, haben dann den meisten politischen …/2
Nov 22, 2024 26 tweets 4 min read
Platon lesen – aber wo anfangen?

An den Universitäten orientiert sich die Platonlektüre unsinnigerweise an der Kategorie ‚Hauptwerk‘ (z. B. Politeia) oder an Ordnungsbegriffen wie ‚Ontologie‘ (z. B. Sophistes) oder ‚Erkenntnistheorie‘ (z. B. Theaitetos).

Das ist unsinnig. /1 Es unterwirft die platonischen Dialoge modernen Vorstellungen von Philosophie und ihren Fragerichtungen – Dialoge, in denen überhaupt erst um den Begriff der Philosophie selbst gerungen wird.

Wie macht man es besser? /2
Jul 27, 2024 30 tweets 4 min read
Wie die Philosophie die Wissenschaftstheorie ausgehebelt hat – ein 🧵⏬️

Ich lese gerade das Buch ‚Wissenschaftsfreiheit und Moral‘ von @TimHenningJGU. Dabei – und beim Ansehen des Vortrags, der Ausgangspunkt des Buches ist, sind mir ein paar Dinge bezüglich der dort … /1 … vorausgesetzten philosophischen Erkenntnistheorie aufgefallen. Ausgegangen wird von einem Modell wissenschaftlicher Erkenntnis, in dem „evidence“ einen „belief“ rechtfertigt. Nanu, denke ich – so einfach funktioniert Wissenschaft dann doch nicht, oder? … /2
Jul 22, 2024 36 tweets 6 min read
As a logician, I would like to point you to the mistake in your argument:

„(2) brain processes are physical“ means: brain processes can be described physically. That holds for anything you can *measure* physically. However, only because there are processes that can be … … described physically, this doesn‘t entail that any phenomenon related to the brain can be described as „process“ and / or physically.

If this is, as you claim, @aran_nayebi, „standard neuroscience“, your neuroscience is physicalistic and, thus, metaphysics. …
Jul 7, 2024 6 tweets 1 min read
Typisches akademisches Problemgespräch:

Ich: (behaupte was zu einem Text & nenne auf Anfrage die Stelle)

Antwort: meine Behauptung sei eine mögliche Interpretation

Ich: Eigentlich steht das da

Antwort: man wäre da vorsichtiger

Ich: Warum?

Antwort: die Forschung … /1 … streitet um die Bedeutung fast jedes Wortes in diesem Text (= alles ist interpretationsbedürftig). Welches Wort steht denn für XY?

Ich: Das hat mit problematischen Voraussetzungen dieser Forschung zu tun (gebe umfängliche Darlegung zur Übersetzung und Funktion von XY) … /2
Jun 30, 2024 9 tweets 2 min read
Ein Hauptproblem mit der Lektüre von Texten, das mir in Seminaren und Diskussionen immer wieder begegnet, ist die stille Voraussetzung, es gehe immer darum, einem Text ‚Informationen‘ zu entnehmen. Durch diese Voraussetzung werden philosophische Texte unverständlich. /1 Philosophische Texte sind argumentierende Texte. Selbst im Extremfall sogenannter ‚wissenschaftlicher Philosophie‘ handelt es sich immer um eine Auseinandersetzung mit bestehenden Positionen. Den Lesern wird abverlangt, die Diskussion durchzuspielen und zu prüfen. /2
Jun 27, 2024 20 tweets 4 min read
Dank dieses Berichts von @BiskyJens und Karsten Malowitz zur Benjamin Lecture von @lea_ypi kann ich besser verstehen, was mich an dieser Art, Theorie vorzutragen im Allgemeinen und der Vorlesung im Besonderen stört.

Ja, der Versuch, Marx mit der Aufklärung zu versöhnen, hat…/1 … Tradition. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass es zwei Marx gibt: denjenigen vor und den nach 1931, als Landshut die frühen Manuskripte im Berliner SPD-Archiv entdeckt. Der Konflikt von Marx und Aufklärung war vor 1931 motiviert durch die schroffe Absetzung Marxens …/2
Jun 18, 2024 5 tweets 1 min read
Offenbar basiert die gesamte Affäre #BMBF auf einem Fehlbezug:

Der offene Brief der Berliner bezieht sich laut @micwildt auf die Vorgänge am 3. Mai an FU und HU.

Die antisemitischen Vorfälle und Straftaten ereignen sich am 7. Mai an der FU.

Beides wird am 8. Mai öffentlich. Alternativ bezieht sich der Brief auf die Räumung des Protestcamps am 7.5. Der AStA der FU macht dazu folgende Angaben:

– der Protest war zunächst friedlich
– Sachbeschädigungen gab es erst NACH einer unverhältnismäßigen Räumung durch die Polizei …
Jun 6, 2024 11 tweets 2 min read
Alle Letztbegründungsfiguren der Philosophie lassen sich auf die gleiche logische Struktur zurückführen – von ‚Gott‘ über das ‚Ich‘, den ‚Ursprung‘, das ‚Unbewusste‘, bis zum ‚Absoluten‘ und dem ‚Nichts‘. Die logische Struktur nenne ich ‚reflexive Komplikation‘:

… : ‚… : …‘ Die Pointe von Reflexivität ist, dass man sie nicht nicht auslegen kann – oder: dass man sie auslegen muss. Auch ‚Struktur’, ‚reflexive Komplikation‘ oder ‚Reflexivität‘ sind Auslegungen, d. h. begriffliche Fassungen, die bestimmte Aspekte der Struktur betreffen.
Apr 15, 2024 8 tweets 1 min read
Ich frage mich, was antirassistische Aktivistinnen gewinnen, wenn sie sich selbst zum Maßstab ihres Diskurses machen. Sie skandalisieren für dieselbe Öffentlichkeit, die sie skandalisieren. Geht‘s also nur um identitäre Bestätigung? Was soll dieses Schulhof-Geblaffe bewirken? /1 Ich verstehe, wenn man den Kaffee auf hat und keine Geduld mehr für Diskurs. Aber warum muss man damit dann andere bedrängen, die darauf dann wieder antworten werden? Um das dann wieder skandalisieren zu können? /2
Mar 5, 2024 11 tweets 2 min read
Ich glaube, es ist möglich, weil Butler hier drei Dinge zugleich versucht:

1. Sie versucht, das Framing „armed resistance“ aufrechtzuerhalten

2. Sie versucht, das Framing „terrorist attack“ als stellvertretend für eine falsche Darstellung des gesamten Konflikts abzuwehren /1 3. Sie versucht, den „terror“ in „terrorism“ als bloß emotionale, unklare Reaktion (die sie bei sich beschreibt) darzustellen, der aber eine klare, rationale Beurteilung gegenübergestellt werden soll (wenn nicht, wäre das „foolish“)

Das sind alles drei Reflexe aus dem … /2
Feb 14, 2024 6 tweets 1 min read
Viele – auch sehr gebildete – Menschen haben Formen rhetorischer Manipulation so sehr verinnerlicht, dass sie ihnen zur selbstverständlichen Praxis geworden sind. Gerade der Wettbewerb unter ‚Gebildeten‘ artet zuweilen in eine rhetorische Schlammschlacht aus. /1 Das liegt auch daran, dass echte argumentative Auseinandersetzungen schon im Studium vermieden werden. Es gibt also keinen Übungseffekt. Die Leute sollen Qualifikationsarbeiten schreiben, lernen aber nie, sich argumentativ angemessen zu verteidigen. /2
Feb 10, 2024 16 tweets 2 min read
In Deutschland wird es immer schwieriger, ein ordentliches Philosophiestudium zu absolvieren. Dazu trägt nicht nur die Hochschule bei, die Studierende wie Auszubildende nach Regelplan durch die Seminare jagt. Eine zunehmende inhaltliche Monokultur macht das Studium einseitig. /1 An großen Universitäten, früher Zentren diverser philosophischer Forschung, wurden Lehrstühle nach theoriepolitischen Maßgaben besetzt. In Berlin, Tübingen, Heidelberg studiert man nicht mehr Philosophie, sondern die Schule der Analytischen Philosophie. /2
Feb 2, 2024 19 tweets 3 min read
‚Würde‘ ist, seit Pico della Mirandola, die Freiheit zur Selbstbestimmung. Mit Kant ausgedrückt: der Mensch ist Zweck an sich selbst. Mensch ist man nicht für dies oder das, sondern um seiner selbst Willen.

Das Würde-Postulat gilt, als vernunftlogisches Postulat, notwendig: /1 Wer überhaupt irgendeine Art der Selbstbestimmung in Anspruch nimmt, bestätigt es – auch und gerade die, die sich selbstbestimmt davon mit einem ‚Nein!‘ abgrenzen. Jede Sprechposition bestimmt sich im Gesagten selbst. Jede Äußerung, Selbstdarstellung ist Ausdruck von Würde. /2
Jan 31, 2024 9 tweets 2 min read
Handreichung zur begriffsgeschichtlichen Bestimmung:

1. Wird der betreffende Begriff zu irgendeinem Zeitpunkt polemisch verwendet?

2. Wenn 1. zutrifft: Gibt es Übereinstimmungen dieser polemischen Verwendung mit einer aktuellen deskriptiven Verwendung? /1 3. Wenn 1. zutrifft: Welche Aspekte der zeitgenössischen polemischen Verwendung gibt es?

4. Wenn 3. geklärt ist: Beruft sich die zeitgenössische polemische Verwendung auf Vorläufer?

5. Wenn 4. zutrifft: Sind diese Vorläuferverwendungen ihrerseits polemisch oder deskriptiv? /2