Hab heute nen kleinen Spaziergang gemacht über Moskaus Fußgängerzone „Alter Arbat“. Inklusive Besichtigung einer Plakat-Ausstellung - was man hier halt so aufhängt zur Betrachtung fürs Volk.
Kleiner thread, nix für schwache Nerven👇🏼 „Hörst du es? Das Gebrüll unvermeidlicher Vergeltung“
(da steht nicht, an wen sich das richtet - egal offenbar)

Am runden Tisch mit Putin und den #Brics-Staatschefs sitzt auch UN-GenSek Guterres. Die Regie zeigt ihn immer wieder. Chinas Staatschef Xi redet über Stärkung des globalen Südens. Mitten in der Rede von Südafrikas Präsidenten Ramaphosa verabschiedet er sich und verlässt den Saal Alle anwesenden Staatschefs am Tisch halten kurze Reden. Gaza thematisiert fast jeder, die Ukraine kommt nur selten vor. Viele Redner, auch Xi, sprechen Putin als „Eure Exzellenz“ an. Erscheint mir sehr ungewöhnlich für ein Gipfeltreffen. Erdogan sagt einfach: „Herr Putin“

Was auch immer das bedeutet: Mehrere prominente Häftlinge in Russland sind laut ihren Anwält/innen in den vergangenen Tagen aus ihren Zellen verschwunden – offenbar verlegt an unbekannte Orte. Gestern verschwand der Menschenrechtler Oleg Orlow, 1/2 heute der Lokalpolitiker Ilja Jaschin, zuvor die ehemaligen Nawalny-Stableiterinnen Ksenia Fadejewa und Lilija Tschanyschewa und die Sankt-Petersburger Künstlerin Sascha Skotschilenko. Als letzter wird nun auch der 19jährige Kevin Lik vermisst, der wegen Staatsverrats einsitzt 2/

In Moskau beginnt gerade der Hauptprozess gegen die Regisseurin Jewgenija Berkowitsch und die Dramaturgin Swetlana Petrijtschuk. Man wirft ihnen Werbung für Terrorismus vor, hat sie bereits zu „Extremistinnen“ erklärt. Verhandelt wird vor dem Militärgericht. Es geht um ein 1/ Theaterstück, in dem sie über Frauen berichten, die sich online in islamistische Terroristen verlieben und für den IS rekrutieren lassen. Es hatte zuvor den wichtigsten russischen Theaterpreis gewonnen. Gerichtssaal ist zum Bersten voll. Schauspielerinnen, Verwandte, 2/

Jetzt ists raus: Putin wechselt den Verteidigungsminister. Schojgu muss gehen, wird aber zum Sicherheitsrats-Chef, quasi wegbefördert. Diesen mächtigen Posten hatte bislang Patruschew, dem man viel Einfluss nachsagte. Was mit ihm nun wird? Das werde in den kommenden Tagen 1/ bekannt, so Putins Sprecher. Verteidigungsminister wird ein Zivilist, der Wirtschaftswissenschaftler Belousow, vorher bereits stellv Regierungschef (das Militär brauche einen Ökonomen angesichts des hohen Budgets, so die eher wenig überzeugende Begründung) 2/

Osterwochenende in Moskau. Im „Park des Sieges“, der eigentlich dem Sieg gegen Hitlerdeutschland gewidmet ist, sind Kriegstrophäen aus der Ukraine ausgestellt. Die Ausstellung heißt „Geschichte wiederholt sich“. Zehntausende stehen an, um reinzukommen. Kriegsgerät aus vielen 1/ Ländern, auch ein Leopard, ein Marder, ein Abrams. „Mich macht das stolz“, sagt eine Frau. „Ich wusste nicht, dass so viele Länder gegen uns kämpfen“. Eine andere weint beinahe vor Rührung: „Unser Land ist einfach großartig“. Viele Junge Leute sind da, viele mit Kindern. Leute 2/

„Außer uns sieht er nur den Schließer – und ab und an den Staatsanwalt“. Die beiden Anwältinnen des inhaftierten Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa sind zurück aus dem sibirischen Straflager. Kara-Mursa sitzt dort in Isolationshaft. Heute sollte sein Berufungsverfahren vor dem1/ Obersten Gericht stattfinden, doch die Richter vertagten um 2 Wochen. Kara-Mursa, der als "ausländischer Agent" gebrandmarkt ist und wegen, so heißt es, "Hochverrats" 25 Jahre Haft absitzt, klagt gegen das Urteil. Am 11. April ist er 2 Jahre in Haft. Laut Anwältinnen durfte 2/

Vor 10 Minuten sollte Putins Rede zur Lage der Nation beginnen. Sein Sprecher sagt, er werde nicht nur als Staatschef, sondern auch als "Kandidat" reden, man solle es als Wahlprogramm sehen. Im Publikum viele junge Ordensträger in Militäruniform. Straßen um den Kreml abgesperrt. In einem der ersten Sätze erfindet Putin einen neuen Begriff: Man feiere 10 Jahre des "russischen Frühlings" - gemeint ist die Zeit seit 2014, seit der Annexion der Krim. Eine der Tugenden des russischen Volks sei Hilfsbereitschaft.

“Armee 2023”: die Ausstellung vor den Toren Moskaus zeigt nicht nur Militärtechnik, sondern auch, wie es in der Gesellschaft nach 18 Monaten um die Akzeptanz des Kriegs gegen die🇺🇦steht: Das Gelände ist voll. Ausflugsziel für Familien, die sich vor den Exponaten fotografieren,1/ manche Kinder tragen Camouflage, man kann eine Seeschlacht nachspielen, eine Art „Schiffe versenken“2/

Gegenüber liegt China, fast zum Greifen nah. Die Grenze verläuft mitten auf dem Fluss Amur.
In Blagoweschtschensk, 9 Flugstunden von Moskau entfernt, geht gerade die Sonne unter. Fragt man die Leute hier nach China, hört man nur Gutes:„Sanktionen? Treffen uns nicht, uns hilft🇨🇳“ Auf seiner Seite lässt🇷🇺 eine riesige Flagge wehen, damit sie sie drüben im chinesischen Hei-He sehen. Vor 20 Jahren, sagen sie in Blagoweschtschensk, „gab’s drüben nur Wald und Holzhäuser. Und jetzt? Shoppingcenter, Vergnügungsparks, Hochhäuser, doppelt so hoch wie unsere“.

Wladiwostok, 9 Flugstunden östlich von Moskau, direkt am Pazifik. Der Krieg ist weit entfernt und doch präsent. Aber die Leute wirken mutiger als in Zentralrussland. Und zweifelnder. Bei einer Straßenumfrage hören wir viel vorsichtige Kritik. Nur 2 halten den Krieg für richtig 1/ Überraschung in einem unabhängigen Buchladen in Wladiwostok: ein ganzes Regal voller Literatur über Hitler, Weimar, die dreißiger Jahre in Deutschland. Meist verkaufter Autor in diesem Laden sei 2022 Sebastian Haffner gewesen. Auch Florian Illies Buch über die 30er laufe gut. 2/

Nur fünf Minuten nach der angekündigten Zeit - so pünktlich war Putin nie. Die Rede zur Lage der Nation beginnt mit der „Spezialoperation“ - der Donbas habe auf die Hilfe Russlands gewartet. Erster Applaus Westliche Menschen seien zum Symbol der totalen Lüge und Heuchlerei geworden. In Worten und Taten - holt aus zu einer Art Generalabrechnung, beginnend mit NATO-Osterweiterung. „SIE haben den Krieg begonnen. Wir wenden Gewalt an, um ihn zu beenden!“ Applaus

Vor genau einem Jahr: die letzte Drehreise vor dem Krieg führte uns nach Charkiw. Sehr angespannte Stimmung in der Stadt, viele, aber nicht alle, rechneten mit einem Angriff. An der Hotelrezeption (wie überall im Land) stand eine Spendendose für die Armee. Am „Haus mit der Uhr“ mitten im Zentrum (längst kaputt) hatten wir uns mit unserer Protagonistin verabredet. Sie hatte Mann und Kind in die Westukraine geschickt, sie selbst - eine Mathelehrerin - wollte sie die Stadt nicht verlassen, denn die Schulen arbeiteten ja noch

Die Literaturnaja Gaseta galt mal als Intellektuellen-Blatt. Ist lange her. Heute wird sie im Zug verteilt, über Literatur gehts nur noch am Rande. Dafür um Spielberg, der den Golden Globe bekomme, weil er die USA als weltbestes Land darstelle(„Preis für den ideologisch Besten“), um die Ukraine, die barbarisch die Zivilbevölkerung beschieße - ob sie nicht sehe, dass der Beschuss ziviler Infrastruktur ein Kriegsverbrechen sei? (konnte kaum glauben daß das da steht),

Lesenswertes Interview mit dem Abrüstungsexperten Aleksej Arbatow. New Start, der letzte verbliebene Abrüstungsvertrag, läuft 2026 aus. Chancen für Verlängerung eher mau. Wie gefährlich das ist, erklärt Arbatow, der auch Mitglied der Oppositionspartei Jabloko ist, eindrücklich 1/

https://twitter.com/ElenaChernenko/status/1623591789570539521

Ohne Verträge können Nuklearmächte unkontrolliert weiterrüsten. Bis niemand mehr weiß, was der andere hat. Und wer fürchtet, der andere könne mehr haben, ist laut Arbatow eher zum entwaffnenden Erstschlag bereit. Hab ich so noch nie drüber nachgedacht.

Die Reaktion auf die Mobilmachung beweist, wie wenig hier Umfragen („70-80 % unterstützen Putins Ukrainekurs“) aussagen. Ja, es war klar, daß Umfragen in autoritärem Umfeld problematisch sind. Aber was wir jetzt von Leuten hören, hätte ich vor 3 Tagen nicht für möglich gehalten Klar spielt es ne Rolle, dass der Krieg die Leute jetzt selbst betrifft, auch deshalb sind sie nun dagegen.Aber man sollte das neue Zweifeln nicht unterschätzen. Taxifahrer:„Vielleicht gibts in der🇺🇦 ja wirklich Genozid, aber vielleicht erzählen sie uns das im Fernsehen auch nur“

Selbst die Moderation im russischen Fernsehen feiert #Manizha für ihren grandiosen Auftritt. Kein Wort darüber, dass Politiker der Regierungspartei die Nominierung verhindern wollten, das Ermittlungskomitee den Text auf Extremismus untersuchte, orthodoxe Christen Sturm liefen 1/ weil es doch nicht sein kann, dass ein Flüchtlingskind, geboren in Tadschikistan, eine Muslima, Feministin, die sich für queere Rechte und gegen häusliche Gewalt einsetzt und dabei einfach stur sagt: ich bin „Russian Woman“, gewöhnt euch dran“ - dass so eine für Russland singt..