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Jun 28, 2023 14 tweets 2 min read
„Warum lasst ihr das mit euch machen?“
Von außen wirkt es paradox, dass wir 24h am Stück arbeiten und dafür noch Minusstunden bekommen. Dass wir an unserem einzigen freien Tag einspringen. Dass wir jeden Tag 3 Stunden gratis Überstunden machen. Ich versuche das mal zu erklären: Der wichtigste Grund, völlig indiskutable Arbeitszeiten und -bedingungen zu akzeptieren, ist unsere Erpressbarkeit. Wir sind auf mehreren Ebenen erpressbar und werden erpresst.
Jun 19, 2023 18 tweets 3 min read
Ich möchte eine kurze Geschichte über Zeit, Empathie, Fließbandmedizin erzählen. Und darüber, wie individuelle Betreuung einen riesigen Unterschied machen kann, teilweise zwischen Leben und Tod. Wir hatten vor einiger Zeit einen Patienten, er hatte eine chronische Lungenerkrankung, eine sogenannte COPD. Seine dadurch ohnehin eingeschränkte Atemfunktion hatte sich nun nochmals akut verschlechtert.
Oct 30, 2022 6 tweets 1 min read
Dritte Arbeitswoche, frisch ab Staatsexamen. Du wurdest „eingearbeitet“ von einer Person, die selbst erst 4 Monate Berufserfahrung hat. Du hast heute deinen ersten 24-Stunden-Dienst. Alle sagen „du musst schwimmen“ oder „man lernt nur durch machen“. Dir hat niemand gezeigt, wo der Notfallwagen steht. Du hast noch nie ein Medikament selbst aufgezogen. Du hast noch nie eine Maskenbeatmung gemacht. Du hast noch nie einen Defi bedient. Du weißt nicht mal, dass er auch als externer Schrittmacher eingesetzt werden kann.
Oct 23, 2022 7 tweets 1 min read
Der mit Abstand schnellste Weg, die Bilddaten einer CT-Untersuchung aus einer 60 Kilometer entfernten Uniklinik anzufordern, ist sie dort auf DVD brennen zu lassen und sie dann mit einem Kurierdienst rüberfahren zu lassen. Kein Witz: Ich habe es 8 Stunden probiert, das Ergebnis war gleich 0. Nach 8 Stunden und unzähligen Anrufen waren keinerlei Daten der anderen Uniklinik bei unserer Uniklinik eingetroffen. Trotz redlicher Versuche auf beiden Seiten.
Oct 13, 2022 20 tweets 4 min read
Die jährliche Thread-Wiederholung: Warum es so immens wichtig ist, dass alle Personen, die dauerhaft Medikamente einnehmen, auch immer (nicht manchmal, nicht oft, sondern immer!) einen ausgedruckten (!) Medikamentenplan zuhause griffbereit und unterwegs dabei haben: Patient*innensicherheit: Notfälle passieren nun mal ungeplant. Wer dann den Plan nicht dabei hat, wird, wenn nicht über Alternativwege die Medikation herausgefunden werden kann, im Zweifel schlechter / unsicher behandelt, da wir nichts über mögliche Interaktionen wissen können.
Oct 6, 2022 7 tweets 1 min read
Die Mehrheit der Gesellschaft beschließt einfach, dass Corona „vorbei“ ist. Wie bei allem: Gibt genug Gründe, sich darüber bitterlich aufzuregen, ändert nur nichts mehr dran. Unumkehrbar. Rückkehr zu mehr Maßnahmen wird nicht mehr durchsetzbar sein. 1/7 Daher die Frage: Wie gehen wir damit um? Überall laufen draußen infizierte Leute ohne Maske herum, wir merken das an aktuell sprunghaft steigenden Zahlen im Haus. 2/7
Aug 15, 2022 4 tweets 1 min read
Ich habe einen panischen Patient in seinen Zwanzigern in der Notaufnahme. Er hat ein Lymphom und ist unter Chemotherapie. Er und seine Familie haben aufgepasst, aber jetzt hat er Covid. 1/4 Es geht ihm nicht gut, er hat tatsächlich Angst, dass er stirbt. Wird er zum Glück aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Aber er tut mir unglaublich Leid - er lebt in einer Gesellschaft, der er egal ist. Nichts wird mehr für seinen Schutz getan. 2/4
Aug 7, 2022 23 tweets 4 min read
Dieser Tweet wurde von mir nach einem sehr anstrengenden Dienst geschrieben, ich wahr erschöpft, sauer, habe Dampf abgelassen, aber das macht ihn nicht weniger wahr. Auf einige der hunderten Replies möchte ich eingehen. Also, wer sich für die tatsächliche Situation interessiert: "Fallzahlen gehen aber doch runter": Die Fallzahlen bilden nicht die Realität ab, da nur PCR-positive Fälle gemeldet werden. Die Dunkelziffer ist riesig. Wir gehen von der offiziellen Inzidenz mal Faktor 3-4 als reele Inzidenz aus. Das merken wir in der Notaufnahme.
Aug 3, 2022 12 tweets 2 min read
Immer mehr meiner „Aufnahmen aus sozialer Indikation“ werden am Folgetag ohne Maßnahmen entlassen, weil der Platz und die Kapazität fehlt. Das ist so unmenschlich, das ich weinen möchte. Zur Erklärung: Es gibt Krankheitskonstellationen, mit denen Menschen in die Notaufnahme kommen oder gebracht werden, die in unserem System ambulant gehandhabt werden sollen. Ein Beispiel:
Apr 9, 2022 8 tweets 2 min read
Ich arbeite fast jeden Tag in einer der größten Notaufnahmen Deutschlands. Wir sind so ausgelastet, 6 und mehr Stunden Wartezeit sind Standard. Teils liegen Menschen dort 14 Stunden.
Sie liegen oder sitzen währenddessen ohne jeglichen Abstand auf dem Flur neben anderen Wartenden. Sie werden sehen, was los ist, und das stoisch ertragen. Oder sich einmal stündlich beschweren, was nichts bringen wird. Es wird Ihnen Schulterzucken begegnen: Wer gerade nicht stirbt, wartet halt. Anders als mit Gleichgültigkeit kann das Personal das nämlich kaum ertragen.
Jul 18, 2021 5 tweets 1 min read
Warum müssen Krankenhäuser Gewinn machen? Warum gibt es circa 100 gesetzliche Krankenkassen? Warum brauchen wir im Krankenhaus Mitarbeiter*innen, die unsere Codierungen optimieren, und in der Krankenkasse Mitarbeiter*innen, die wieder versuchen die Rechnung runter zu rechnen? Warum müssen wir uns von Wirtschaftsmenschen erklären lassen, wie viele Ärzt*innen und Pflegefachkräfte eine Abteilung benötigt? Warum bedeutet eine 100% Stelle bei uns oft 6 freie Tage im Monat und nicht selten 60-Stunden-Woche?
Jul 18, 2021 10 tweets 2 min read
Ein paar Zahlen und Eindrücke aus einem normalen Samstagsspätdienst in einer großen deutschen Uniklinik-Notaufnahme ohne große Unfälle oder Schadenslagen in der Umgebung, einfach nur normaler Betrieb: CN Notfallmedizin, Wunden, Krankheit, Nadeln, Tod, Alkohol

2 Assistenzärzt*innen pro Schicht kümmern sich um die internistischen Fälle. Oberärzt*innen am Wochenende nur in Rufbereitschaft.
Dec 31, 2020 7 tweets 2 min read
Es gibt tatsächlich Menschen, die aktuell in Krankenhäuser rennen und filmen, um zu „beweisen“, dass alles leer sei und gar kein Chaos sondern Ruhe herrscht.
Hierzu ein paar Gedanken: 1. Tatsächlich sind hier und da einige Stationen leer / kaum besetzt. Liegt daran, dass kein (v.a. Pflege-) Personal für diese Stationen verfügbar ist. Hier können wir natürlich noch Patient*innen hinlegen - die sind dann halt alleine. Ohne Versorgung.
Dec 29, 2020 6 tweets 1 min read
Diese Bilder von irgendwelchen Chefärzten, die Urinbeutel leeren, mögen erstmal romantisch wirken. Wir halten alle zusammen um euch zu versorgen, super, oder?
Nein, gar nicht super. 1. Diese signalpolitische PR suggeriert, dass Ärzt*innen ohne Probleme in der Pflege aushelfen könnten. Ja, Urinbeutel leeren kann praktisch jeder. Pflege kann NICHT jeder, und Ärzt*innen ohne Ausbildung in der Pflege sind kaum bessere Pflege-Unterstützung als ein Zivi an Tag 1.
Dec 23, 2020 19 tweets 3 min read
Viele in unserem Beruf (auch ich) regen sich manchmal darüber auf, was Patient*innen so machen. Oder shamen sie sogar dafür. Will mal ein paar typische Beispiele benennen und etwas bearbeiten. Der Klassiker: Vorstellung in der Notaufnahme mit ner Lappalie, gerne nachts. Oder mit nem seit Wochen konstant bestehenden Problem. Oder leichten Kopfschmerzen, aber noch nicht mal ne Paracetamol oder Ibu eingenommen. Oder das Kind hat seit einer Stunde ganz bisschen Fieber.
Nov 20, 2020 8 tweets 2 min read
Die Intendantin des RBB, Patricia Schlesinger, hat sich zu der Sendung von @dieternuhr geäußert, in der er einigermaßen kenntnisfrei versuchte, das großartige Buch "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten" von @alicehasters zu diskreditieren. Schlesinger gesteht in dem Interview zu, dass wohl besser nicht über Bücher gesprochen werden sollte, die gar nicht gelesen wurden. Wow, Chapeau. Aber Nuhr wird von ihr auch verteidigt. Zum einen mit Bezug auf die Kunstfreiheit.
Jul 31, 2020 9 tweets 2 min read
Ich möchte euch erklären, warum es "keine Jubelstürme auslöst", wenn ein seit drei Tagen exakt gleiches und unverändertes Problem (können auch drei Wochen oder Monate sein) nachts um 2 in der Notaufnahme vorgestellt wird. Den ursprünglichen Tweet dazu habe ich gelöscht. Es geht nicht darum, Menschen abhalten zu wollen, in die Notaufnahme zu kommen. Im Zweifel immer in die Notaufnahme gehen, das ist doch keine Frage. Besonders Nachts um 2, wenn es keine Alternative gibt.
Mar 24, 2020 10 tweets 2 min read
Leute, @FerdaAtaman hat Recht.
In einer normalen Situation machen unsere objektiven Regeln es unmöglich, dass aufgrund von -ismen Beatmungsplätze nicht gerecht verteilt werden, und wir haben ja eh genug.
In einer Sondersituation aber könnte es anders laufen. Es verwechseln gerade wieder viele Leute das Benennen von strukturellem, systemimmanenten Rassismus mit dem persönlichen Vorwurf, ein*e Rassist*in zu sein.
Und wir sehen wieder, dass die meisten, die schreien "Ich bin kein*e Rassistin" das noch nicht verstanden haben.
Oct 29, 2019 9 tweets 1 min read
Ca. 50% der Ärzt*innen in Deutschland sind Frauen.
Ca. 10% der Chefärzt*innen in Deutschland sind Frauen. Auf Fachkongressen ist es keine Seltenheit, dass keine einzige Frau als Rednerin eingeladen wird.