Der Jubel beim Fall der Mauer war gross, ein Weltereignis im wahrsten Sinne des Wortes. Im Jubel nach der Selbstbefreiung der syrischen Bevölkerung vom Baath-Regime des Assad-Clans hallt in gleicher Weise ein Weltereignis, dessen Ausgang ungewiss ist so wie beim Umbruch 1989.👇🏽 Das Erbe, das dieses Regime hinterlassen hat, ist um einiges schrecklicher als das des DDR-Regimes. In Damaskus liegen ganze Stadteile wie Jarmuk in Trümmern, das Ausmass der Zerstörung in den Regionen ähnelt der nach einem verheerenden Erdbeben, das Regime hat der Gesellschaft👇🏽

Ahmad al-Scharaa, Militärchef des neuen Regimes in Syrien, hat im syrischen Fernsehen eine Art politische Absichtserklärung für das künftige Regierungshandeln abgegeben. Zunächst wies er auf das soziale und wirtschaftliche Desaster und die katastrophale Geldpolitik der👇🏽 Zentralbank hin, dann forderte er einen Mentalitätswandel von revolutionärer Siegesstimmung zu einer Mentalität der Staatlichkeit, des Rechts und der Institutionen; jetzt, nach dem Sieg, sei ein politischer Prozess möglich, nun müsse ein kompletter Neuaufbau von Staat und👇🏽

Entscheidend für das Gelingen einer politischen Neuordnung in Syrien nach dem Umbruch des 8. Dezembers ist, ob die kommunale Verfasstheit der syrischen Gesellschaft in einer repräsentativen und partizipativen Ordnung abgebildet wird. Der Widerstand gegen das Assad-Regime 2011/2👇🏽 war ein kommunaler Widerstand, der dann von militärischen Einheiten, Milizen und Banden des Regimes zusammengeschossen wurde. Daran knüpft der Umbruch von 2024 an. Sollte dies Gelingen, könnte in Syrien tatsächlich eine Ordnung entstehen, die im Nahen Osten Wellen schlägt.👇🏽

Die Überlebenschancen des Assad-Regime in Damaskus tendieren gegen Zero. Iran will nicht eingreifen, Russlands Militär ist in einer desolaten Verfassung, die erhofften Hilfstruppen aus Irak u Libanon aus dem Umfeld der Achse des Islamischen Widerstands kommen nicht ins Land,👇🏽 lokale Milizen haben die Kontrolle über Dar‘a u der schon lange protestieren Drusenstadt al-Suwaida übernommen, die SDF hat Deir az-Zor besetzt u damit den Weg in den Irak versperrt, die regimetreuen Truppen sind zu Organen der zahllosen kleinen Subzentren der Macht geworden👇🏽

Jetzt wird viel über die HTS, die Befreiungsorganisation der Levante, geschrieben; viele machen es sich einfach und kategorisieren sie als Dschihadisten, Terroristen oder Islamisten oder subsumieren sie unter dem schwammigen Begriff „Rebellen“. Ein paar klärende Anmerkungen:👇🏽 1) Die HTS ist ein 2017 in Idlib geschaffenes Bündnis von fünf Kampfbünden, darunter prominent al-Dschaulanis Front für die Eroberung der Levante, die bis 2012 Nusra-Front hiess und damals versuchte, die ultrareligiöse Programmatik von al-Qaida im syrischen Krieg einzubringen.👇🏽

Syrien ist zum Kristallisationspunkt einer Vielzahl regionaler Macht- und Geltungsansprüche geworden, die mit militärischer Intervention durchgesetzt werden. Die Interessenslage ist so komplex, dass sich lokale u reg. Allianzen oft nur auf Teilaspekte ihrer Interessen beziehen:👇🏽 Israel: Syrien darf nicht zum Machtbereich einer neuen nationalreligiösen Ideologie werden, die entsprechende ideologische Welten im Westjordanland u Gaza motiviert. Syrien darf aber auch nicht das Aufmarschgebiet Irans beziehungsweise seiner Proxies in Libanon u Irak bleiben.👇🏽

Ich wiederhole mich: Bei der „Levante Befreiungsorganisation“ (HTS) in Nordwestsyrien handelt es sich weder um einen syrischen Wiedergänger der Taliban, noch um eine Neuauflage des IS. Vielmehr ist sie als Verband einer radikalen nationalreligiösen Vorstellungswelt zu vestehen.👇🏽 Es ist klar, dass der Militärchef der HTS, al-Dschaulani, aus der al-Qaida-Tradition stammt und vor der Gründung von Nusra u noch in ihrem Kontext eine ultrareligiöse Einstellung pflegte; doch vor dem Eintritt der Nusra in die Fünferallianz, die sich 2017 als HTS konstituierte,👇🏽

Die Offensive der nationalreligiösen Idlib-Koalition unter Führung der HTS wird es kaum schaffen, den innersyrischen Widerspruch zwischen ideologisch ausgerichteter Kaderorganisation und kommunalen Formen der Selbstorganisation aufzulösen. Anders als die Taliban können sich👇🏽 die Nationalreligiösen nicht durch einen elitären Ethnonationalismus schmücken; diese Position ist de facto vom Regime durch dessen Bezug auf die Alawiten besetzt. Den Taliban war die Machtübernahme gelungen, weil sie den Islam zum Retter ihres paschtunischen Ethnonationalismus👇🏽

Die Offensive der bewaffneten Formationen der syrischen Opposition im West von Aleppo, die vor wenigen Tagen begonnen hat, kommt überraschend schnell voran. Inzwischen stehen die Verbände angeblich nur noch vier Km vor dem Stadtzentrum. Die Versuche russischer Truppen👇🏽 und Einheiten der iranischen Revolutionsgarden im Verbund mit regimetreuen Truppen, den Vormarsch aufzuhalten, sind bislang gescheitert. Die Truppen der Opposition nutzen die Gunst der Stunde, die sich ihnen aufgrund des Abzugs von Hisbollah-Einheiten, dem Rückzug russ. Söldner👇🏽

Netanjahu trägt eine politische Verantwortung für die Umsetzung des Kriegs gegen Hamas. Der Krieg selbst wird von einem überwiegenden Teil der israelischen Bevölkerung als Akt der Selbstverteidigung gebilligt. Die Tatsache, dass die Umsetzung begleitet war und begleitet ist👇🏼 von einem Kriegsgeschehen, dem Zigtausende Zivilisten zum Opfer fielen und bitterste Not und Hunger auslösten, ist zunächst der Hamas zuzuschreiben, die sich die komplexe Geographie und Demographie im Gazastreifen als „Widerstandsressource“ zu eigen machte und die Bevölkerung👇🏼

Trumps Strategie ist es, alle Seiten mit nebulösen Versprechungen und Sanktionsdrohungen zu ködern, um eine Definitionsmacht zu erlangen, sich unentbehrlich zu machen und dann als Übervater die Interessen- und Geopolitik seiner Klientel durchzusetzen.👇🏽 Deren rechtsextreme, religiös-nationalistische Agenda verwebt Trump zu einem Flickenteppich, was ihm den Anschein von Zielstrebigkeit u Verlässlichkeit verleihen soll. Der ehemalige US-Sicherheitsberater John Bolton sagt dazu: Trump habe keine nationale Sicherheitsphilosophie.👇🏽

Die Pläne der religiösen Zionisten in der israelischen Regierung, die Siedlungen im Westjordanland an den Staat Israel zu annektieren, werden auch von Netanjahu mitgetragen und sollen nach Trumps Amtseinführung angegangen werden. Damit würde Netanjahu Israel weiter isolieren:👇🏽 Es würde bedeuten,dass die restlichen palästinensischen Gebiete (Oslo A,B) einem israelischen Protektorat unterstellt würden, eingegrenzt in Enklaven, die zugleich innerhalb der Eisernen Mauer lägen, jener von Jabotinsky erdachten Selbstausgrenzung Israels aus dem Nahen Osten.👇🏽

Den Zerfall der linken Idee kennzeichnet auch die Tatsache, dass sich linksverstehende Menschen vor den Karren rechter religiös-nationalistischer Propaganda spannen und dabei deren antisemitische Denkmuster gewähren lassen. Die alte undogmatische linke Idee, die auf Freiheit,👇🏽 Fortschritt und Gerechtigkeit gründet und für ein gesellschaftliches Selbstverständnis wirbt, das auf republikanischen Tugenden beruht, hat aber immer noch das Potential, zugleich eine proisraelische und eine propalästinensische Haltung zum Ausdruck zu bringen.👇🏽

Wie weit die israelische Politik militärisch gehen wird, um die Bedrohung durch Iran nachhaltig einzuhegen, ist schwer abzuschätzen. Die Militärführung testet mit jedem Schritt die iranische Reaktionsfähigkeit u das Resultat vorgängiger Angriffe. Diese stufenweise Eskalation👇🏽 hat den Vorteil, sich jederzeit zurückziehen zu können, ohne strategische Positionen aufgeben zu müssen. So ist es absehbar, dass die IDF die gewonnene Lufthoheit nutzen wird, um weitere militärische Ziele in Iran anzugreifen. Doch zugleich zeigt sich hier eine Achillessehne: 👇🏽

In der arabischen Öffentlichkeit herrscht ein Meinungskrieg um das Erbe von Jahja al-Sinwar. Für die einen ist er ein palästinensischer Ché, ein arabischer Heroe u ein muslimischer Ho Chi Minh, für andere ein Lakai von Khamenei, Erfüllungsgehilfe eines iranischen Expansionismus👇🏽 und ein schiitischer Provokateur unter den sunnitischen Muslimen. Und wie schon anlässlich des Todes von Hanija blühen Verschwörungstheorien auf: Vorneweg jene, die eine verdeckte Allianz des „khomeinistischen Schiismus“ und des „israelischen Zionismus“ zu erkennen glauben,👇🏽

Am Freitag empfing der türkische Aussenminister Hakan Fidan eine Delegation der Auslandshamas unter Leitung des stellv. Chefs des Hamas-Politbüros, Chalil al-Hayya (64). Es ging um die Auslotung eines Waffenstillstands. Mit dabei waren der Vorsitzende des Hamas-Rats («Schura»),👇🏽 Muhammad Darwisch, sowie zwei Vertreter der Hamas in Doha, Mussa Abu Marzuq und Zahir Dschabarin. Der in der Türkei lebende Ex-Hamas-Chef Khalid Masch’al war wohl nicht geladen. Am selben Tag fand auch ein Treffen zwischen dem iranischen Aussenminister Abbas Araghtschi und👇🏽

In den Berichten, Kommentaren und Analyse fehlt fast vollständig die Sichtweise der arabischen Öffentlichkeit und prominenter arabischer Vordenker/innen. Dabei ist es gerade die arabische Welt, die im Konflikt zwischen Iran, seinen Proxies und Israel zerrieben zu werden droht. 👇🏽 Neben den fünf arabischen Ländern, in denen es den iranischen Revolutionsgarden seit 2012 nach und nach gelang, parastaatliche Proxies aufzubauen (Jemen, Irak, Syrien, Libanon und Palästina) hegt nur Oman freundschaftliche Beziehungen zu Iran, alle anderen Staaten sind neutral.👇🏽

All die Wunden, die jetzt in Gaza, Israel, im Westjordanland, in Libanon, Syrien und Irak durch Krieg und Verheerung geschlagen werden, werden für die Betroffenen traumatische Folgen haben, die in die nächsten Generationen weiter vererbt werden. Sie werden chronisch im sozialen👇🏽 Gefüge, das zu zerbrechen droht und aus dem Millionen flüchten werden. Verursacht ist dieser sinnlose Krieg durch den verblendeten Fanatismus von Nationalisten, die meinen, die Bewohner des Landes seien einem historischen Willen der Nation untertan und daher zum Opfer geboren.👇🏽

Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die israelische Regierung das Momentum nutzen wird, das sich ihr nach der massiven Schwächung von Hamas u Hisbollah bietet, und Iran so attackiert, dass weder die iran. Armee noch die Revolutionsgarden für Israel eine Gefährdung darstellen.👇🏽 In arabischen Medien wird spekuliert, dass die IDF in einer ersten Phase der Vergeltung Stellungen der iranischen Revolutionsgarden sowie ihrer lokalen Alliierten in Syrien und im Irak angreifen könnte, um so den Nachschub für Hisbollah in Libanon komplett zu unterbinden. 👇🏽

Der Ultranationalismus in Iran ist in seiner strategischen Ausrichtung gerade auch in seinem Bezug zu Israel nur verständlich, wenn sein besonderer religiös-messianischer Gehalt gesehen und die Umdeutung des Religiösen in einen Wesensausdruck des Nationalen berücksichtigt wird.👇🏽 Die Fusion von Nation und Religion war die Kernbotschaft Khomeinis. Sie berührte das Innerste der schiitischen Tradition, nämlich die Sühne- und Bussfrömmigkeit und die messianische Hoffnung auf Erscheinen des Verborgenen Imams, der das Reich der Gerechtigkeit gründen werde.👇🏽

Es scheint, als strebte die Tragödie im Nahen Osten bald seinem Höhepunkt zu. Netanjahu lässt keinen Zweifel am Willen der israelischen Führung, Iran so zu treffen, dass eine weitere Bedrohung ausgeschlossen werden könne, und Iran verspricht simultane militärische Eskalation.👇🏽 Wenn es ernst werden sollte, wird in dem drohenden Raketenkrieg erstmals das reguläre iranische Militär einbezogen sein. Das ir. Regime weiss, dass ein regionaler Krieg zur Systemfrage in Iran führen würde u dass allein eine kontrollierte Deeskalation das System retten könnte.👇🏽