Historiker | Journalist @derspiegel | Mein neues Buch »Vor dem Untergang« erscheint am 14. April bei @suhrkamp | Co-Posterin: labohr
Apr 4 • 6 tweets • 4 min read
Wie US-Zölle den Nazis halfen – ein historischer Thread:
Per Zollgesetz erhöhte der republikanische US-Präsident Hoover 1930 die Zölle auf 20.000 Produkte drastisch. Das sollte US-Firmen schützen, bewirkte stattdessen ökonomisches Chaos – und begünstigte Hitlers Aufstieg. 1/5
Benannt war das Smoot-Hawley-Zollgesetz nach zwei Politikern. Die Zölle betrafen landwirtschaftliche und Industrieprodukte. Für den Import von Gusseisen etwa wurde der Zoll von 75 Cent auf 1,125 Dollar pro Tonne erhöht – mitten in der seit 1929 tobenden Weltwirtschaftskrise. 2/5
Mar 13 • 5 tweets • 3 min read
Wie Rheinmetall Hitler unterstützte. Ein historischer Thread:
Schon in der Novemberrevolution 1918 finanzierte Rheinmetall rechtsextreme Freikorps. Ab 1933 wurde die Firma zu einem der größten Rüstungskonzerne, produzierte MG‘s und Minenwerfer für Hitlers Wehrmacht. 1/4
Der Konzern hieß ab 1936 Rheinmetall-Borsig AG, 1941 wurde er verstaatlicht. Er stellte Panzer für den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion her, u.a. den „Panther“. Tausende Zwangsarbeiter schufteten in den Fabriken, darunter KZ-Häftlinge aus Buchenwald und Bergen-Belsen. 2/4
Mar 6 • 7 tweets • 2 min read
Deutsche Milliardäre, die Hitler unterstützten. Ein Thread:
Günther Quandt, Industrieller u.a. im Rüstungssektor, NSDAP-Förderer, liefert Hitlers Wehrmacht Waffen. Auf seinen Werksgeländen werden KZ‘s errichtet. Quandt beschäftigt 50.000 Zwangsarbeiter, zahllose sterben. 1/4
Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Ruhrbaron, nimmt wie Quandt am Treffen von Hitler mit Industriellen im Februar 1933 teil, spendet den Nazis 1 Million. Insgesamt 100.000 Zwangsarbeiter schuften für ihn. 1945 ist er einer der in Nürnberg angeklagten Hauptkriegsverbrecher. 2/4
Jan 5 • 4 tweets • 2 min read
Karl Laabs, Architekt, ab 1941 Kreisbaurat im annektieren Teil Polens. Als er von den Deportationen von Jüdinnen und Juden nach Auschwitz erfährt, kauft er ein Gehöft und beschafft den Verfolgten Arbeitsausweise. Allein 1943 rettet Laabs hundert Menschen vor der Ermordung. 1/3
Laabs ist Feldwebel der Luftwaffe. Er tritt in Fliegeruniform auf, um die Gestapo zu beeindrucken. 1943 gelingt es ihm so, einen LKW mit Deportierten umzuleiten. Laabs fliegt auf, überlebt den Krieg. 1979 stirbt er in Frankfurt/Main. Er gilt als „Gerechter unter den Völkern“. 2/3
Jan 3 • 4 tweets • 1 min read
Im Januar 1964 gibt Marlene Dietrich acht Konzerte in Warschau, singt vor 32.000 Menschen. Nach dem zweiten Auftritt fährt sie zu einem Blumenladen, kauft einen großen Strauß Flieder und geht zum Warschauer Ghetto-Ehrenmal. Sie bedeckt ihr Gesicht mit beiden Händen und weint. 1/3
In ihrer Biografie schreibt Marlene Dietrich später über ihren Besuch am Ehrenmal: »Seit den grauenhaften Missetaten, die mich veranlasst hatten, Deutschland den Rücken zu kehren, hatte ich mich schuldig für das deutsche Volk gefühlt. Jetzt mehr denn je.« 2/3
Dec 29, 2024 • 5 tweets • 2 min read
US-Milliardäre und -Unternehmer, die Nazis unterstützten. Ein historischer Thread:
1. Henry Ford, Autopionier, Antisemit, baut in seinen deutschen Werken LKW für die Wehrmacht. Hitler verehrt ihn, hängt sich 1923 ein Porträt Fords ins Büro. 1938 verleiht er ihm einen Orden. 1/4 2. Thomas J. Watson, Chef von IBM. Mit Tabellenmaschinen der deutschen IBM-Tochter DEHOMAG führen die Nazis 1939 eine Volkszählung durch. Die erhobenen Daten helfen auch bei der Verfolgung von NS-Opfern. 1937 erhält Watson von Hitler einen Orden, 1940 gibt er ihn zurück. 2/4
Mar 23, 2024 • 4 tweets • 2 min read
Vor 80 Jahren, am 23. März 1944, töteten Partisanen in der Via Rasella im deutsch besetzten Rom 35 SS-Männer. Die Rache war grausam, für jeden SS-Mann mussten 10 Italiener sterben – ein Massaker, das in Italien bis heute fast jeder kennt. In Deutschland ist es fast vergessen. 1/3
Der SS-Kommandeur Kappler wählte die Opfer willkürlich aus. Darunter waren wahllos Festgenommene, Häftlinge aus dem Gestapo-Gefängnis und jüdische Römer. Das jüngste Opfer war 15 Jahre. Am 24. März 1944 wurden sie in einem alten Bergwerk am Stadtrand in kurzer Zeit ermordet. 2/3
Nov 26, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Das Ideal
Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –
Kurt Tucholsky
1/4
… Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche – erstes Essen –
alte Weine aus schönem Pokal –
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
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Nov 6, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Am 6. November 1939 verhaften die deutschen Besatzer bei der „Sonderaktion Krakau“ 183 polnische Professoren, Assistenten und Studierende in Hörsaal 66 der Jagiellonen-Universität. Die Hochschullehrer wurden unter dem Vorwand eines Vortrags in die Uni gelockt – eine Falle. 1/3
Ein Kommando der nationalsozialistischen Sicherheitspolizei brachte die Akademiker in Gefängnisse nach Breslau, 15 von ihnen kamen nach kurzer Zeit wieder frei, die übrigen 168 wurden weiter ins KZ Sachsenhausen verschleppt. 13 Professoren und Dozenten starben dort. 2/3
Oct 29, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Salman Schocken, geboren am 29. Oktober 1877 in Margonin (damals Preußen), jüdischer Kaufmann, Mitgründer der Kaufhauskette Schocken. Mit seinem Verlag verlegt er das Werk Kafkas, fördert dessen Welterfolg. Die Nazis terrorisieren ihn. Schocken lässt sich nicht einschüchtern. 1/2
Er lässt seine Kaufhäuser intensiv bewachen. In der Reihe Schocken-Bücherei verlegt er in Nazi-Deutschland Heine, Kafka, Buber. 1934 Emigration mit Familie nach Jerusalem. 1938 endgültige Enteignung. In Palästina begründet Schocken den Haaretz-Medienkonzern. Er stirbt 1959. 2/2
Oct 10, 2023 • 4 tweets • 1 min read
Gerty Spies, geboren 1897 in Trier, zieht 1929 nach München, beginnt, zu schreiben. Nach 1933 erlebt sie als Jüdin gesellschaftliche Isolation, wird denunziert, zur Zwangsarbeit verpflichtet. 1942 wird sie nach Theresienstadt deportiert. Dort schreibt sie, um zu überleben. 1/2
Sie überlebt und kehrt 1945 zurück nach München, veröffentlicht 1947 den Gedichtband „Theresienstadt“. Ihr Roman „Bittere Jugend“ findet Anfang der 1950er keinen Verlag, Begründung, „so schlimm sei es nicht gewesen“. Er erscheint erst 1997. Am 10.10.1997 stirbt sie 100 Jahre alt.
Sep 10, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Albert Norden, geb. 1904, Rabbinersohn, Journalist, KPD-Mitglied, flieht 1933. Sein Vater wird ermordet. Nach 1945 wird Norden ZK-Sekretär in der DDR, publiziert 1965 das „Braunbuch“. Es enthält Namen von 1800 Nazis und Kriegsverbrechern in westdeutschen Führungspositionen. 1/2
Norden wirkt u.a. als SED-Propagandist, stirbt 1982. Bis 1992 ist ihm in Berlin-Kaulsdorf eine Straße gewidmet, dann wird sie erneut nach Kronprinzessin Cecilie benannt, Hitler-Anhängerin. 2015 hinterfragt Künstlerin Ina Wudtke das mit der Installation: Wer war Albert Norden? 2/2
Aug 18, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Heinrich von Lehndorff, geb. 1909, wird als Leutnant nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 Zeuge eines Massakers der SS-„Einsatzgruppen“ – und entscheidet sich zum Widerstand. Die Verschwörer des 20. Juli treffen sich im Park hinter seinem Schloss in Steinort/Ostpreußen. 1/2
Als 1944 das Attentat in der nahen „Wolfsschanze“ scheitert, stürmt die SS sein Schloss. Lehndorff kann zunächst fliehen, wird aber gefasst und am 4. September 1944 in Plötzensee ermordet. Im Schlosspark in Steinau (heute Sztynorcie) erinnert ein Gedenkstein an von Lehndorff. 2/2
Aug 5, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Karl Laabs, Architekt, ab 1941 Kreisbaurat im annektieren Teil Polens. Als er von den Deportationen von Jüdinnen und Juden nach Auschwitz erfährt, kauft er ein Gehöft und beschafft den Verfolgten Arbeitsausweise. Allein 1943 rettet Laabs hundert Menschen vor der Ermordung. 1/3
Laabs ist Feldwebel der Luftwaffe. Er tritt in Fliegeruniform auf, um die Gestapo zu beeindrucken. 1943 gelingt es ihm so, einen LKW mit Deportierten umzuleiten. Laabs fliegt auf, überlebt den Krieg. 1979 stirbt er in Frankfurt/Main. Er gilt als „Gerechter unter den Völkern“. 2/3
Jun 8, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Gustav Schröder, Kapitän, fährt 1939 die St. Louis aus Hamburg nach Kuba. An Bord 937 jüdische Deutsche auf der Flucht. Doch Kuba lehnt die Einreise ab. Schröder hat Befehl nach Hamburg zurückzukehren. Er weigert sich und steuert Antwerpen an – wo die Menschen von Bord gehen. 1/2
Im 2. Weltkrieg gerieten viele der St.Louis-Passagiere u.a. in Belgien und Frankreich in die Fänge der deutschen Besatzer. Hunderte wurden in der Shoa ermordet. Schröder wurde von seiner Reederei entlassen und starb 1959 in Hamburg. Er gilt als „Gerechter unter den Völkern“. 2/2
Mar 28, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Von 1937 bis 1939 lebt, schreibt und trinkt Joseph Roth im Café Le Tournon in Paris. Hier hält er Hof für seine Bewunder:innen und andere Exilant:innen. Hier entsteht seine Geschichte „Die Legende vom Heiligen Trinker“. An seinem Stammplatz erinnert eine Gedenktafel an Roth. 1/3
Darauf steht: »Eine Stunde ist ein See / eine Reise ein Meer / eine Nacht eine Ewigkeit / Aufwachen ist der Schrecken der Hölle / Aufstehen ein Kampf um Klarheit.« Ein Freund erinnerte sich: »Roths Tisch in dem Bistro war ein offenes Haus. Man kam, setzte sich hin und redete« 2/3
Mar 26, 2023 • 4 tweets • 2 min read
Von 1942 bis 1944 wurden in Frankreich 11.400 jüdische Kinder von den Deutschen und ihren Kollaborateuren verhaftet, dann deportiert und ermordet. In Paris erinnern Gedenktafeln an sie. Auf einer steht: »Passant, lies ihre Namen, deine Erinnerung ist ihre einzige Grabstätte.« 1/3
Mehr als 500 der deportierten Kinder lebten im 4. Arrondissement in Paris, zu dem das Marais-Viertel zählt. Ein Teil der Kinder war so klein, dass sie niemals die Gelegenheit hatten, eine Schule zu besuchen. Ihre Namen sind im Jardin des Rosiers Joseph Migneret dokumentiert. 2/3
Nov 6, 2022 • 5 tweets • 2 min read
Am 6. November 1939 verhafteten die deutschen Besatzer bei der „Sonderaktion Krakau“ 183 polnische Professoren, Assistenten und Studierende in Hörsaal 66 der Jagiellonen-Universität. Sie wurden unter dem Vorwand eines Vortrags in die Uni gelockt. Es war eine Falle. 1/3
Ein Kommando der nationalsozialistischen Sicherheitspolizei brachte die Akademiker in Gefängnisse nach Breslau, 15 von ihnen kamen nach kurzer Zeit wieder frei, die übrigen 168 wurden weiter ins KZ Sachsenhausen verschleppt. 13 Professoren und Dozenten starben dort. 2/3
Sep 26, 2022 • 6 tweets • 1 min read
»Der Urfaschismus wächst und sucht Unterstützung, indem er die Angst vor Unterschieden verschärft. Der erste Appell einer vorfaschistischen Bewegung richtet sich gegen Eindringlinge. So ist der Urfaschismus qua Definition rassistisch.«
Umberto Eco
»Zu den typischen Merkmalen des Urfaschismus gehörte der Appell an eine frustrierte Mittelklasse, die unter einer ökonomischen Krise oder der Empfindung politischer Demütigung litt und sich vor dem Druck sozialer Gruppen von unten fürchtete.«
Sep 12, 2022 • 4 tweets • 2 min read
Salonwagen der Moselbahn von Trier nach Bullay, im Volksmund auch „Saufbähnchen“ genannt, 1910.
"An der Mosel ging es noch an. Wir soffen uns langsam den Fluß hinab, wir fuhren mit dem Saufbähnchen von Trier nach Bulley hinunter, und auf jeder dritten Station stiegen wir aus und sahen nach, wie es mit dem Weine wäre. Es war."
Kurt Tucholsky
May 27, 2022 • 4 tweets • 2 min read
Am 27. Mai 1939 stirbt Joseph Roth. Stefan Zweig schreibt: „Erhalte ein Telegramm, dass mein alter und lieber Freund Joseph Roth in Paris gestorben ist, der wirklich der große Schriftsteller war, aber physisch zerstört durch das Hitlertum. Ich habe ihn wie einen Bruder geliebt.“
Foto: Stefan Zweig (l.) und Joseph Roth 1936 in Ostende.