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Chefökonom @mom_inst • Zuvor @ETUI_org,@WU_econ • PhD @NSSRnews mit @FulbrightPrgrm • Austrian in nationality, not in economic theory

Sep 25, 2020, 15 tweets

Lange vom #Arbeitsministerium versteckt, jetzt endlich zur Veröffentlichung freigegeben: Die fiskalische Analyse der #Aktion20000 von @IHS_Vienna. Was steht drinnen? Nach dem ersten Drüberlesen eine Analyse als Thread: 1/15

Zuerst: Warum ist das wichtig? Weil sich das Arbeitsmarktproblem durch den Privatsektor alleine während Corona nicht lösen wird. Ohne staatliche Programme für #Langzeitarbeitslose wird die Zahl der Langzeitarbeitslosen bald neue Rekordhöhen erreichen. 2/15

Zunächst einmal ein schockierendes Bild. In rot, das passiert mit #langzeitarbeitslosen Menschen, die man sich selbst überlässt. Unternehmen stellen sie nicht ein, nur jedeR Zehnte findet etwas (gelb). Deswegen flüchtet sich ein Viertel in die Pension (hellblau). 3/15

Das gleiche Bild mit Aktion 20.000. Zuerst arbeitslos, danach in der Aktion beschäftigt. Nach Auslaufen des Programms geht es für jeden 3. in Beschäftigung weiter, obwohl die öffentliche Finanzierung komplett wegfällt. 3x soviele wie in der Vergleichsgruppe ohne Aktion! 4/15

Natürlich kostet es aus budgetärer Sicht etwas, Jobs für einen Zeitraum komplett zu finanzieren. Circa doppelt soviel, als #Arbeitslose alleine mit #Notstandshilfe versumpern zu lassen. Das ist altbekannt. 5/15

Spannend aber: Nach Ende der Aktion dreht sich das Verhältnis komplett um. Die TeilnehmerInnen der Aktion 20.000 kosten nur halb so viel. Warum? Weil viel mehr von ihnen Arbeit haben als die langzeitarbeitslos Gebliebenen ohne Aktion. 6/15

Die Studie konnte lediglich für sechs Monate nach der Aktion 20.000 untersuchen, wie es mit den Teilnehmern weiterging. Das Drittel mit (ungeförderter) Weiterbeschäftigung der ehemaligen TeilnehmerInnen behält seine Jobs, das ist erfreulich. 7/15

Wenn das noch knapp 4 Jahre so weiter geht, dann hätte sich die Aktion sogar zur Gänze selbst finanziert. Tritt das auch so ein? Das wissen wir erst in 4 Jahren. 8/15

Das IHS stellt eine Rechnung an, bei der sie von einer „sehr engen fiskalischen Betrachtung sprechen“. Warum eng? Weil vieles in der Studie gar nicht erfasst wird! Die Jobs der Aktion 20.000 haben auch der Gesellschaft einen Nutzen gebracht. 9/15

Den gesellschaftlichen Nutzen der Aktion 20.000 berechnen sie gar nicht. Der besteht konkret aus Jobs wie Alltagsbegleitern, damit gebrechliche Leute länger daheim leben können. Oder administrative Schulsekretäre, damit sich Lehrer aufs Unterrichten konzentrieren können. 10/15

Aus Sicht der Teilnehmer waren die tatsächlichen Tätigkeiten gesellschaftlich sinnvoll. 91% sagen das, wie die zweite, schon veröffentlichte, Evaluierung der Aktion 20.000 belegt. prospectgmbh.at/project/evalua… 11/15

Dieser Aspekt fehlt völlig, und würde die fiskalische Bilanz viel besser für die #Aktion20000 ausfallen lassen. Ein weiterer, volkswirtschaftlicher, Aspekt fehlt auch völlig. Die Arbeitnehmer (statt Arbeitslose) erhalten mehr Einkommen und konsumieren daher auch mehr. 12/15

Mehr Konsum von ehemals Arbeitslosen bringt der Wirtschaft etwas, aber dem Staat auch Umsatzsteuereinnahmen. Auch so würde sich die budgetäre Bilanz der Aktion auch für den Staat selbst noch einmal verbessern. Das fehlt leider in der Studie. 13/15

Eine ordentliche, komplette, Kosten-Nutzen-Analyse liefert die Studie somit nicht. Die (politische?) Interpretation der Ministerin zur Studie ist daher aus wissenschaftlicher Sicht zumindest zu weitreichend und verfrüht, wenn nicht gar falsch. ots.at/presseaussendu… 14/15

Die Studie des @IHS_Vienna selbst gibt es übrigens hier:
bmafj.gv.at/dam/jcr:a92034… 15/15

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