Marcel Fratzscher Profile picture
President of @DIW_Berlin, Professor for Macroeconomics at Humboldt University, and Op-Ed columnist Zeit Online.

Sep 27, 2020, 15 tweets

Wie der Fall #SpringerDöpfner zeigt, so ist das Thema der Besteuerung von Erbschaften/Schenkungen hoch emotional und in Deutschland auch wirtschaftlich häufig schlecht geregelt.
@janboehm @FabioDeMasi @SBachTax

Deshalb hier eine Reihe von Fakten um die Debatte zu versachlichen:

Es wird in der Debatte häufig ein falscher Widerspruch zwischen Substanzbesteuerung von Unternehmen und fairer und wirtschaftlich sinnvoller Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften aufgebaut — es gibt sehr wohl Lösungen beide in Einklang zu bringen - siehe zB @StiftungVE.

Vorsicht: bei #SpringerDöpfner geht es nicht primär um die Übertragung von Vermögen an Familienangehörige (nicht selten minderjährige Kinder), sondern um die Zukunftssicherung des Unternehmen. Dies ist auch im Interesse der Gesellschaft und der vielen Springer Beschäftigten.

Fakten zu Erbschaften/Schenkungen #1:

Über die Hälfte aller private Vermögen in Deutschland wurde nicht durch die eigenen Hände Arbeit geschaffen, sondern geerbt oder geschenkt bekommen.

papers.ssrn.com/sol3/papers.cf…

Fakten zu Erbschaften #2:

38% der Menschen in Deutschland haben das Glück eine Erbschaft zu erhalten. Dies sind meist Menschen mit einer guten Ausbildung und einem guten Einkommen. Somit verstärken Erbschaften die Ungleichheit von Vermögen und Einkommen.

Fakten zu Erbschaften #3:

Bisher waren viel der Erbschaften in Westdeutschland, Erbschaften im Osten waren deutlich geringer. Aber der Osten holt langsam auf.

empirica-institut.de/fileadmin/Reda…

Fakten zu Erbschaften #4:

Bis zu 400 Mrd. Euro werden in Deutschland jedes Jahr vererbt oder verschenkt.
Der deutsche Staat nahm 2019 7 Milliarden € an Erbschaftsteuern ein. Das sind ca. 2% der vererbten/verschenkten Summe.

diw.de/documents/publ…

#5:
Die Behauptung, Erbschaften von Unternehmen sollen dessen Existenz sichern, weil die eigenen Kinder sich kümmern, ist falsch.
Denn:
Von €144 Milliarden steuerfreien Unternehmensübertragungen (2011-14) gingen €37 Milliarden an Minderjährige. €29,4 Mrd an 90 Kinder unter 14

Fakten zu Erbschaften #6:

Erben sind meist Männer: zwei Drittel der Erbschaften von Unternehmen gehen an männliche Erben.

Dies signalisiert, dass es bei Erbschaften häufig eher um Ansprüche, Traditionen und Besitzstandswahrung geht.

diw.de/documents/publ…

Fakten zu Erbschaften #7:

43 % der Vermögen von Millionären sind Betriebsvermögen, 40 % Immobilien. Erbschaften von Betriebsvermögen werden kaum steuerlich belastet um die Substanz der Unternehmen nicht zu gefährden.

Fakten zu Erbschaften #8:

Erb*innen von bis zu 500.000 € zahlen durchschnittlich mehr als 10 % Erbschaftsteuer. Erb*innen von mehr als 20 Millionen € zahlen durchschnittlich 1,8 %. (2011-14)

diw.de/documents/publ…

Wie soll die Politik mit Erbschaften & Schenkungen umgehen? Welche Optionen es gibt:

1.Alles so lassen, wie es ist. — Das Bundesverfassungsgericht könnte aber die neue Erbschaftsteuerregelung kippen und somit eine neue Lösung erforderlich machen.

2.Ausnahmen reduzieren und auch große Erbschaften & Schenkungen zum gegenwärtigen Steuersatz belasten. — Die Gefahr ist eine Substanzbesteuerung und Schaden für die Unternehmen.

3.Eine „flat-tax“ Erbschaftsteuer von zB 10 %, plus Freibeträge für kleine Erbschaften und großzügige Stundungsmöglichkeiten um eine Substanzbesteuerung zu vermeiden.

4.Allen jungen Menschen das Glück einer Erbschaft/Schenkung ermöglichen durch ein Lebenschancenerbe, bei dem jeder junge Mensch nach Ende der Ausbildung 30.000 € für ihre/seine berufliche und private Zukunft erhält. Mein Vorschlag hier:

zeit.de/wirtschaft/201…
END.

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