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Sep 27, 2020 15 tweets 6 min read Read on X
Wie der Fall #SpringerDöpfner zeigt, so ist das Thema der Besteuerung von Erbschaften/Schenkungen hoch emotional und in Deutschland auch wirtschaftlich häufig schlecht geregelt.
@janboehm @FabioDeMasi @SBachTax

Deshalb hier eine Reihe von Fakten um die Debatte zu versachlichen:
Es wird in der Debatte häufig ein falscher Widerspruch zwischen Substanzbesteuerung von Unternehmen und fairer und wirtschaftlich sinnvoller Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften aufgebaut — es gibt sehr wohl Lösungen beide in Einklang zu bringen - siehe zB @StiftungVE.
Vorsicht: bei #SpringerDöpfner geht es nicht primär um die Übertragung von Vermögen an Familienangehörige (nicht selten minderjährige Kinder), sondern um die Zukunftssicherung des Unternehmen. Dies ist auch im Interesse der Gesellschaft und der vielen Springer Beschäftigten.
Fakten zu Erbschaften/Schenkungen #1:

Über die Hälfte aller private Vermögen in Deutschland wurde nicht durch die eigenen Hände Arbeit geschaffen, sondern geerbt oder geschenkt bekommen.

papers.ssrn.com/sol3/papers.cf…
Fakten zu Erbschaften #2:

38% der Menschen in Deutschland haben das Glück eine Erbschaft zu erhalten. Dies sind meist Menschen mit einer guten Ausbildung und einem guten Einkommen. Somit verstärken Erbschaften die Ungleichheit von Vermögen und Einkommen.
Fakten zu Erbschaften #3:

Bisher waren viel der Erbschaften in Westdeutschland, Erbschaften im Osten waren deutlich geringer. Aber der Osten holt langsam auf.

empirica-institut.de/fileadmin/Reda…
Fakten zu Erbschaften #4:

Bis zu 400 Mrd. Euro werden in Deutschland jedes Jahr vererbt oder verschenkt.
Der deutsche Staat nahm 2019 7 Milliarden € an Erbschaftsteuern ein. Das sind ca. 2% der vererbten/verschenkten Summe.

diw.de/documents/publ…
#5:
Die Behauptung, Erbschaften von Unternehmen sollen dessen Existenz sichern, weil die eigenen Kinder sich kümmern, ist falsch.
Denn:
Von €144 Milliarden steuerfreien Unternehmensübertragungen (2011-14) gingen €37 Milliarden an Minderjährige. €29,4 Mrd an 90 Kinder unter 14
Fakten zu Erbschaften #6:

Erben sind meist Männer: zwei Drittel der Erbschaften von Unternehmen gehen an männliche Erben.

Dies signalisiert, dass es bei Erbschaften häufig eher um Ansprüche, Traditionen und Besitzstandswahrung geht.

diw.de/documents/publ…
Fakten zu Erbschaften #7:

43 % der Vermögen von Millionären sind Betriebsvermögen, 40 % Immobilien. Erbschaften von Betriebsvermögen werden kaum steuerlich belastet um die Substanz der Unternehmen nicht zu gefährden.
Fakten zu Erbschaften #8:

Erb*innen von bis zu 500.000 € zahlen durchschnittlich mehr als 10 % Erbschaftsteuer. Erb*innen von mehr als 20 Millionen € zahlen durchschnittlich 1,8 %. (2011-14)

diw.de/documents/publ…
Wie soll die Politik mit Erbschaften & Schenkungen umgehen? Welche Optionen es gibt:

1.Alles so lassen, wie es ist. — Das Bundesverfassungsgericht könnte aber die neue Erbschaftsteuerregelung kippen und somit eine neue Lösung erforderlich machen.
2.Ausnahmen reduzieren und auch große Erbschaften & Schenkungen zum gegenwärtigen Steuersatz belasten. — Die Gefahr ist eine Substanzbesteuerung und Schaden für die Unternehmen.
3.Eine „flat-tax“ Erbschaftsteuer von zB 10 %, plus Freibeträge für kleine Erbschaften und großzügige Stundungsmöglichkeiten um eine Substanzbesteuerung zu vermeiden.
4.Allen jungen Menschen das Glück einer Erbschaft/Schenkung ermöglichen durch ein Lebenschancenerbe, bei dem jeder junge Mensch nach Ende der Ausbildung 30.000 € für ihre/seine berufliche und private Zukunft erhält. Mein Vorschlag hier:

zeit.de/wirtschaft/201…
END.

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Apr 24
Ein #Mindestlohn von 15 € ist realistisch und gesamtwirtschaftlich sinnvoll, allerdings gibt es auch Verlierer.

Ein Thread 🧵 mit Argumenten dafür und dagegen.

1/n

faz.net/aktuell/wirtsc…
Die Argumente FÜR einen Mindestlohn von 15 €:
- Er wird vielen Menschen im Niedriglohnbereich ein höheres Einkommen ermöglichen und die zum Teil heftigen Kaufkraftverluste durch die hohe #Inflation der Jahre 2022 und 2023 kompensieren helfen.
- Er bedeutet eine stärkere Konsumnachfrage und damit auch ein stärkeres Wirtschaftswachstum.
- Er entlastet den #Sozialstaat, denn wir haben zB noch immer fast 800.000 Aufstocker, die von ihrer Arbeit nicht leben können und staatliche Leistungen benötigen.
Read 9 tweets
Apr 8
Der #Crash an den Aktienmärkten ist kein Grund zur Panik: er ist klein im Vergleich zum #Boom der vergangenen Jahre. Selbst die Korrektur jetzt bedeutet, dass die meisten noch dicke Gewinne über die letzten Jahre gemacht haben. (Siehe Grafiken)

🧵 1/n Image
Image
Der Crash an den Börsen ist in erster Linie ein Misstrauensvotum über die wirtschaftliche Zukunft. Er hat unmittelbar (!) wenig Einfluss auf die Realwirtschaft, solange er die Finanzstabilität nicht gefährdet und die Finanzierungsbedingungen nicht verschlechtert.
Der Crash an den Aktienmärkten kann sich negativ auf den privaten Konsum auswirken, weil Aktien Vermögenswerte darstellen, die zum Teil für den privaten Konsum genutzt werden.
Read 4 tweets
Apr 5
In kaum einem Industrieland sind die #Bildungschancen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Der Schlüssel für diese #Ungleichheit liegt in der frühkindlichen Bildung — ein Plädoyer für eine Kehrtwende.

Meine Kolumne mit J. Dräger:

zeit.de/wirtschaft/202…
Trotz eines größtenteils öffentlichen Bildungs- und Betreuungssystems hängen die Bildungschancen in Deutschland stärker von der sozialen Herkunft – insbesondere der Bildung und dem Einkommen der Eltern – ab als in vielen anderen Ländern.
Deutschland hat ein doppeltes Problem: Zum einen nehmen Kompetenzen ab; zum anderen ist die Ungleichheit im Bildungsniveau groß – so die Pisa-Studien der OECD. Der Schaden auch für Wirtschaft und Gesellschaft ist enorm.
Read 7 tweets
Apr 2
Mein Statement zum US #Handelskonflikt von #Trump: #LiberationDay #TaxDay

Donald Trump hat mit seinen Strafzöllen gegen die Welt einen schweren und möglicherweise fatalen Fehler gemacht. Trump überschätzt sich selbst und die globale Macht der US-Wirtschaft.

🧵 1/n
Er kann einen Handelskonflikt gegen die gesamte Welt nicht gewinnen, solange Europa, China, Mexiko und Kanada koordiniert agieren. Dieser Konflikt ist die Chance für die #EU das Heft des Handels zurückzugewinnen und wichtige Fehler zu korrigieren.
Gleichzeitig bedeuten Trumps Handelskonflikt ein endgültiges Ende für die multilaterale #Weltordnung in Bezug auf Wirtschaft und Handel. Trump hat die zentralen Versprechen und Abkommen aufgekündigt, die dem #Welthandel und der Welthandelsorganisation #WTO zugrunde lagen.
Read 14 tweets
Mar 21
Die Bezeichnung vom #Finanzpaket, mit der Änderung des Grundgesetzes, als #Schuldenpaket ist unsinnig und geht am wirklichen Punkt vorbei:

1/n
1. Ohne Schulden gibt es keine (finanziellen) Ersparnisse: der Staat „verbrennt“ mit seiner Kreditaufnahme für Infrastruktur und Verteidigung kein Geld, sondern schafft im gleichen Maße finanzielle Forderungen und Vermögenswerte.
2. Auch die Aussage, künftige Generationen hätten per se finanzielle Nachteile, ist falsch, denn künftige Generationen werden diese Forderungen halten und dafür Zinsen erhalten. (Das Problem ist eher die Verteilung dieser Vermögen/finanz. Forderungen, nicht dass es sie gibt.)
Read 11 tweets
Mar 12
#Das Sondervermögen für Infrastruktur und die Ausnahme der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben wären eine verpasste Chance und Etikettenschwindel –- wenn Union und SPD an ihren Plänen aus der Sondierung festhalten.

🧵

Mein Kommentar:

t-online.de/nachrichten/de…
64 Milliarden € im Jahr primär an Steuersenkungen für Besserverdiener und höhere Sozialausgaben im Bundeshaushalt wurden von Union und SPD in den Sondierungen angekündigt. Fakt ist, dass diese riesigen Versprechen nur durch eine Verschiebung öffentlicher Investitionen und …
Ausgaben für Verteidigung in das Sondervermögen und die Ausnahme von der Schuldenbremse zu finanzieren wären. Somit wären Sondervermögen und Ausnahme von der Schuldenbremse lediglich ein Trick, um primär konsumtive Ausgaben des Staates zu erhöhen.
Read 9 tweets

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