Manuel Grebenjak Profile picture
Campaigner, writer, strategist for climate & social justice | co-founder radius | Herausgeber 📗 #Kipppunkte (2024) | he | Contact: manuel(at)https://t.co/FpF7q47Env

Oct 7, 2020, 31 tweets

Voll verschärft!
Ein How-to für Klimakommunikation aus der Hothouse-Hölle! 📣🔥

Thread 🔽

1. Frame Klimaziele negativ und ihre Erhöhungen als Verschärfung

Verschärfung ist ein tolles Wort, und kann deine Leser:innen an eine Vielzahl von unangenehmen Erfahrungen denken lassen: Bestrafung, einschränkende Regeln (vlt. sogar aus der eigenen Kindheit), Strenge, Streit…

2. Stelle Kosten und Belastungen durch Klimaschutz ins Zentrum

Führe genau an, wieviel Geld Klimaschutz-Maßnahmen kosten, aber unbedingt ohne die positiven wirtschaftlichen (oder anderen) Effekte anzuführen. Auch Formulierungen wie "Einschnitt" od. "Belastung" kommen gut an!

3. Schweige zu positiven Seiten des Klimaschutzes

Sichere, gesündere und lebenswertere Städte durch weniger Autos? Saubere Luft? Mehr soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vorteile?
Don't touch this! Besonders in Kombination mit Punkt 1. – und halte dich an Punkt 2.

4. Sei vage bei Klimaschutz-Vorteilen, konkret bei (vermeintlichen) Nachteilen

Wenn sich trotz Beherzigen von Punkt 2. Punkt 3. nicht vermeiden lässt: stelle Kosten und Belastungen möglichst konkret und zeitnah dar, schiebe mögliche positive Effekte durch KS weit in die Zukunft.

5. Stell mehr Klimaschutz als radikal dar, weniger als pragmatisch

Mögliche dramatische Folgen der Klimakrise unbedingt ausblenden! Das macht es einfacher, Menschen, die Maßnahmen im Einklang mit wiss. Erkenntnissen fordern, als radikal oder noch besser Extremisten darzustellen.

Lass Menschen reden, die wenig Ahnung von Klimawandel oder -politik haben, aber tendenziell bremsen wollen. Am besten funktioniert es i. d. R. mit weißen älteren Männern. Nenne sie "Pragmatiker" oder "Realisten" oder lass sie sich selbst so bezeichnen. Leugner funktionieren auch!

6. Betone, dass die Bevölkerung nicht mehr Klimaschutz will

Ignoriere dafür die zahlreichen Umfragen, die das Gegenteil zeigen. Hebe Zweifel über die Dringlichkeit der Klimakrise stattdessen stark hervor und stelle KS am besten in Gegensatz zu "Wirtschaft" oder "Wohlstand".

7. Stelle die klimaschädliche westliche Lebensweise als alternativlose Normalität dar

Blende aus, dass unsere Lebensweise global gesehen alles andere als normal ist. Rede immer wieder darüber, dass Menschen keine Veränderungen daran wollen, ignoriere anderslautende Erkenntnisse.

To be continued…

Ich merke gerade, dass ich im ersten Tweet besser "Klimajournalismus" (oder -berichterstattung) statt "Klimakommunikation" schreiben hätte sollen. Der Thread war gar nicht nur auf Journalismus konzentriert geplant, hat sich dann aber so entwickelt. But you get it.

8. Stelle Klimaschutz als Partikularinteresse dar

Rede so über Klimaschutz, als ob er nicht im Interesse aller wäre. Verknüpfe ihn stattdessen mit "Aktivisten" oder einzelnen ("radikalen") Parteien. Behandle das Bremsen von KS als legitime pol. Position.

9. Stelle Aktionen der Klimabewegung negativ dar

Berichte keinesfalls von deren Forderungen und Positionen. Stattdessen konzentriere dich auf den Ablauf der Aktionen, Gewalt (gegen Aktivist:innen oder noch besser DURCH sie, egal ob es diese gab) und einzelne Vertreter:innen.

10. Sprich von Wandel und Erwärmung

Verwende möglichst positive Worte für die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. "Klimawandel" klingt gut, weil Wandel immer etwas Positives hat. "Erderwärmung" erzeugt ein richtig positives körperliches Gefühl. Vermeide Krise, Katastrophe u.ä.

11. Verschleiere die wahren Schuldigen

Projiziere die Verantwortung für die Klimakrise auf das Individuum, entpolitisiere das Problem. Sprich nicht über Strukturen u Institutionen, die das fossile System aufrechterhalten. Benenne keine verantwortlichen Konzerne oder Entscheider.

12. Bleib konsequent beim CO2

Lass außen vor, dass auch Methan u. andere Gase das Klima schädigen. Sprich nicht darüber, dass vermeintliche technische Lösungen große (ökologische) Schäden anrichten können. Sag mit "Dekarbonisierung", dass es nur um Fossile vs. Erneuerbare geht.

13. Sei unkritisch

Bereite dich möglichst wenig auf Interviews etc. mit Politiker:innen oder Manager:innen vor, faktenchecke ihre Klimapläne und -positionen weder vorher noch nachher. Frage auf keinen Fall kritisch nach und lass keine Expert:innen die Aussagen analysieren.

14. Streue Zweifel

Oldie but Goldie: Lass klassische Leugner zu Wort kommen. Noch effektiver sind mittlerweile aber Leute, die den Klimawandel "ernst nehmen", aber infrage stellen, wie schlimm er wirklich ist, dass wir die richtigen Lösungen haben und was diese wirklich bringen.

15. Stelle Aktivist:innen als heuchlerisch dar

Langstrecken-Luisa und Geldschefflerin Greta. Gib's ihnen! Denn wenn man für Klimaschutz ist, muss man in einer Tonne leben und Jutesack tragen. Alles andere ist pure Heuchelei. Betone das delegitimiere so die inhaltlichen Anliegen!

16. Spiel auf Zeit

Betone, dass Klimaschutz etwas ist, das erst in der Zukunft passieren muss! "Wir haben noch zehn Jahre, um den Klimawandel zu stoppen", klingt vlt für Auskenner:innen dringend. Für die meisten heißt es aber schlicht, dass wir heute noch nichts tun müssen.

17. Schüre Angst um Arbeitsplätze

Stelle Klimaschutz als Arbeitsplatz-Killer dar. Blase die Zahl der mögl. Jobsverluste groß auf. Verschweige, dass die Arbeitswelt sich immer wieder wandelt und durch Klimaschutz auch Jobs entstehen oder dass wir auch weniger arbeiten könnten.

18. Sprich über andere Länder und Kontinente

Ignoriere die historische Verantwortung und die hohen Pro-Kopf-Emissionen deines eigenen Landes. Sprich lieber über den absoluten CO2-Ausstoß anderer Länder (China! Indien!) und sag ohne deren Beitrag bringe Klimaschutz hier nichts.

19. Behandle das Klimathema isoliert

Für Redaktionen gilt: Schieb die Verantwortung für ökologische Themen an 1-2 "Klimajournalisten" ab. Behandle die Klimakrise und mögl. Lösungen nicht in anderen Ressorts, obwohl sie relevant für praktisch alle Aspekte der Gesellschaft sind.

20. Bau einen Konflikt "Wirtschaft gegen Klima" auf

Wirtschaft ist selbstverst. nur BIP, "der Markt" und v.a. Großkonzerne. Wachstum über alles. Ignoriere, welche Leistungen wirklich essenziell für gesellschaftl. Wohlergehen sind. Stelle Klimaschutz als Sozialismus à la DDR dar.

21. Nutze Bilder, die Distanz aufbauen

Eisbären sind toll, weil sie weit weg leben und keine Menschen sind. Schlecht: Fotos von Menschen, die unter dem Klimawandel leiden, demonstrieren & an Lösungen arbeiten. Lieber leblose oder entfernte Motive wie Fabriksschlote, Grönland…

22. Schieb die Schuld auf das Bevölkerungswachstum

Sprich über das "bedrohliche" Bevölkerungswachstum in Afrika und Asien! Verschweige, dass ein kleiner, reicher Teil der Weltbevölkerung v.a. im Westen den Löwenanteil der – historischen und aktuellen – Emissionen verursacht.

23. Diskreditiere guten Klimajournalismus

Bezeichne Kolleg:innen, die ernsthafte Berichterstattung über die Klimakrise machen, als "Aktivist:innen", sprich ihnen die journalistische Integrität ab. Stelle wiss. Fakten als Übertreibung dar. Verschweige deine eigene polit. Agenda.

24. Spiele den Anteil von Ländern und Sektoren herunter

Beispiele: "Aber Deutschland/der Flugverkehr produziert nur 2 % der globalen Emissionen – hier zu reduzieren ändert nichts." Verschweige sowohl Pro-Kopf-Emissionen als auch, dass alle Länder und Sektoren mitmachen müssen.

25. Setze alle Hoffnung in (inexistente) Technologien

Verschiebe Klimaschutz auf übermorgen, wenn wir endlich die Technologien entwickelt haben werden, die uns unendlich viel Energie liefern. Klassiker: Kernfusion! Sag nicht, dass wir bereits alle Mittel haben, die wir brauchen.

26. Negiere unterschiedliche Betroffenheit durch Klimawandel-Folgen

Ignoriere wiss. Erkenntnisse dazu, dass Frauen*, Menschen im Globalen Süden u verschiedene marginalisierte Gruppen stärker unter Folgen der Klimakrise leiden. Wenn du darauf angesprochen wirst, mach dich lustig.

27. Stelle Klimaschutz als Freiheitsberaubung dar

Freiheit besteht natürlich ausschließlich in der Möglichkeit unendlich viel zu konsumieren. Weniger Autofahren etc. ist Verzicht und damit inakzeptabel und undemokratisch(!). Ein Hit: Wörter wie Ökodiktatur oder Klima-Extremisten

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