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Journalist • Reisender • I've got opinions. Facts, too. Foto: Thomas Wunderlich

May 17, 2021, 12 tweets

38.596 Wörter hat das offizielle Protokoll der Befragung von Sebastian Kurz am 24. Juni 2020.

Hier ist die Geschichte eines Wortes.
Das "Nein" des Kanzlers.

Um kein anderes Wort im Protokoll wird seither so gerungen, kein anderes so unterschiedlich interpretiert. Aber der Reihe nach: Abgeordneter Helmut Brandstätter (NEOS) ist der Erste, der an diesem Vormittag - nach der Verfahrensrichterin - Sebastian Kurz befragt.

Brandstätter fragt zur Involvierung des Kanzlers in die Struktur und Errichtung der ÖBAG. Dann geht es auch um die Bestellung von Thomas Schmid und wer da mitgesprochen hat.

Brandstätter fragt den Kanzler: "Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er Ihnen gesagt hat: Ich möchte mich für diesen ausgeschriebenen Posten bewerben!, haben Sie mit ihm nie darüber gesprochen, dass er das werden könnte?"

Sebastian Kurz sagt: "Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzlich interessiert, und es war sicherlich auch so, dass immer wieder davon gesprochen wurde, dass er ein potenziell qualifizierter Kandidat wäre."

Auskunftspersonen bekommen nach ihrer Aussage vor dem Ausschuss ihre Aussage per E-Mail. Gemäß §19 Abs. 3 VO-UA kann eine Auskunftsperson dann Einwendungen gegen das Protokoll erheben.

Sebastian Kurz hatte einige Einwendungen, unter anderem auch: Das "Nein" in seiner Antwort müsse weg. Am Abend des 1. Juli markiert ein Mitarbeiter des Kabinetts im vorläufigen Protokoll das "Nein" und schreibt "bitte streichen"

Die Parlamentsirektion überprüft die Passage noch einmal auf dem Tonmitschnitt. Es ist "vernuschelt" (Zitat einer Person die es gehört hat) aber doch eindeutig zu hören. Der Vorschlag der Parlamentsdirektion: Das "Nein" bleibt im Protokoll, schließlich wurde es gesagt.

Die letztgültige Entscheidung darüber treffen aber die Mitglieder des U-Ausschusses. Wenig später beschließen sie einstimmig, also auch mit den Stimmen der ÖVP, das "Nein" des Bundeskanzlers im Protokoll zu belassen.

Die Verneinung des Bundeskanzlers ist nun einer von vier Punkten, wegen derer die WKSta wegen Falschaussage ermittelt.

Die WKSta sieht sogar den Versuch der Streichung aus dem Protokoll als Hinweis.

Die ÖVP hingegen, sieht nun das "Nein" als doppelte Verneinung und damit etwas, dass den Bundeskanzler sogar weiter weg von einer Falschaussage rücken würde. Die WKSta hat den Aspekt der doppelten Negation berücksichtigt, verneint das Nein aufs Nein aber.

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