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Aug 24, 2021, 14 tweets

Darf #Facebook legale Inhalte löschen, wenn sie gegen seine Hausregeln verstoßen? Vor kurzem hat @BGH_Bund der Plattform ihre Grenzen aufgezeigt – nun ist die erste Hälfte der Entscheidungsgründe online.
Ein Best-of der 61 Seiten Fließtext gefällig? Be my guest!
👉🧵

Ich erspare euch die Details zu Revisionszulassung und AGB-Einbezug und springe zum Kernproblem vor: Darf Facebook Inhalte sperren/löschen, die rechtlich unproblematisch sind? @BGH_Bund sagt: Jawoll, Drittwirkung hin oder her. Dann folgt die erste Spitze gegen das @BVerfG:

Das BVerfG hatte einst angedeutet: Wenn insb. digitale Plattformen "die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen", könnten sie staatsähnlich an Grundrechte gebunden werden: bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Ent…

Der BGH macht nun klar: So weit ist FB noch nicht. FB ist nicht das Internet und hat außerdem eigene Grundrechte. Diese sind mit den GR der Nutzer:innen abzuwägen (Rn71). Doch im Anschluss daran rudert der BGH gleich wieder zurück, ...

... und spricht vom großen Einfluss FB's, der "in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheide[t]". Daher sei nicht nur die Meinungsfreiheit der Nutzer:innen, sondern auch das Gleichbehandlungsgebot betroffen (Rn75ff). (Das wird noch wichtig.)

Auf Facebooks Seite der GR-Gleichung stehen hingegen Berufsfreiheit und auch Meinungsfreiheit, denn auch "die der Durchsetzung der Gemeinschaftsstandards dienende gezielte Entfernung einer fremden Meinungsäußerung [weist] den Charakter einer eigenen Meinungskundgabe auf" (Rn83ff)

Ebenfalls einzubeziehen sind Interessen anderer FB-User:innen, die keine Hassrede sehen wollen, und Facebooks Haftungsrisiko (Rn87f). Ergo: Facebook darf "Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgehen" (Rn90). Und jetzt wirds interessant:

Weil FB eigene Interessen mit Meinungsfreiheit der Nutzer:innen und dem Gleichbehandlungsgebot (!) abwägen muss (Rn92), ergeben sich laut BGH nun die Grenzen von FB's Hausregeln, und zwar...

1. Es muss immer ein sachlicher Grund zur Moderation bestehen. Der BGH fordert "objektive, überprüfbare Tatbestände" statt "subjektive[r] Einschätzungen". Aus FB's fehlendem thematischen Fokus folgt auch: Ein Verbot bestimmter politischer Ansichten wäre nicht in Ordnung. (Rn93f)

2. Verfahrensrechte! Zwar ist FB noch zu klein für staatsgleiche GR-Bindung (s.o.), aber groß genug für "Grundrechtsschutz durch Verfahren". FB muss daher "zumutbare Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen", z.B.: nachträgliche Anhörung der Betroffenen (Rn95ff)

FB's Einwand, in Fällen wie Hassrede helfe keine Tatsachen-Aufklärung, lässt der BGH nicht gelten – und verweist dabei etwas süffisant auf FB's eigene Hausregeln (Rn98). Außerdem werde FB-Betrieb dadurch nicht "wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert" (Rn100).

Die ausführliche Begründung zu III ZR 192/20 findet ihr übrigens hier:
juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…

Und wer sich nun (zu Recht) fragt: "Aber was ist mit der zeitgleichen Entscheidung III ZR 179/20, in der es um Kontosperrungen geht?" Nunja, deren Begründung ist noch nicht online, aber (hoffentlich) bald hier zu finden: juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…

This 🧵 has probably been a difficult one for English speakers (as it is in German 😬), so I would like to point you to 2 excellent analyses in English by @MCKettemann:
On the case at hand from June:
And a 2020 paper comparing 🇩🇪&🇺🇸 policyreview.info/articles/analy…

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