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May 21, 2023, 12 tweets

Ein Fakt der bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden hat in den Debatten um Elon #Musk und #Antisemitismus:

Musk bedient in seinen Tweets eines der ältesten antijüdischen Stereotype überhaupt.

Nein, nicht den "reichen #Juden". Das Stereotyp ist noch viel älter als das.

Es geht um die Idee des "jüdischen Hasses". Das war in der vorchristlichen (!) Antike, bei römischen, griechischen, ägyptischen Quellen *das* wichtigste antijüdische Stereotyp.
ich würde es nicht mit modernem Antisemitismus vergleichen, aber es hat in diesen hinein überdauert.

Hier drei antike Autoren, die alle davon sprechen, die Juden seien Feinde der Menschheit (so wie später die Christen von Kaiser Nero genannt wurden): Tacitus, Hecataeus of Abdera (zitiert), Diodorus.
Die Ursprünge dessen sind schwer zu ergründen, es hat wohl mit Interpretationen

des Auszugs aus Ägypten und auch mit dem großen Unterschied zwischen jüdischer und antiker Religion zu tun. Und der Tanach selbst redet von den Juden als "am levadad yishkon", ein Volk, das für sich lebt.

Wichtiger ist aber, dass der "Hass" der Juden

in der frühchristlichen Zeit übernommen wurde, und seitdem Teil des Christentums war. So wurde es zum Hass der (verworfenen) Juden auf das Christentum, Jesus, und Gottes Schöpfung (also: die Welt). Später waren Ritualmordlegenden und Brunnenvergiftungsmythen Teil dessen.

Auch der "Kaufmann von Venedig", Shylock, ist von Hass motiviert. Shakespeares Charakerdarstellung des Shylocks hat berühmterweise eine Menge menschliche Ambivalenz, aber der "von Hass erfüllte Jude" ist die offensichtlichste Figur des Stücks.

Auch während der Aufklärung vertrat ein Denker wie Voltaire die Vorstellung, dass die Juden durch besonderen "Hass" gekennzeichnet seien. Voltaire warf ihnen vor, sowohl #Christen als auch #Muslime zu hassen und am liebsten tot sehen zu wollen.

Das schreibt er im Buch "Über die Toleranz", in dem er das Argument macht, dass selbst die hasserfüllten Juden die Toleranz verdient hätten (i kid you not!).

Natürlich sind auch R. Wagners ambivalent jüdische Opernfiguren "Alberich" und "Beckmesser" von Hass und Wut zerfressen.

In den Libretti der Opern werden Alberich und Beckmesser immer wieder in ohnmächtiger Wut und Hass beschrieben. Das Stereotyp blieb immer weiter lebendig, und wurde immer dämonischer.

Und natürlich war es im Nationalsozialismus zu finden. Viktor Klemperer bemerkte in seinem "Lingua Tertii Imperii", dass der "abgrundtiefe Haß" der Juden ein wiederkehrendes Merkmal der NS-Propaganda war.

Hier auch ein Artikel aus dem "völkischen Beobachter", 13. April 1943.

Und jetzt behauptet Elon Musk, dass der Milliardär George Soros von "Hass auf die Menschheit" motiviert sei.
Zu den Verschwörungstheorien um Soros gehört von Anfang an, dass er nicht nur Kulturen zerstören und die Weltbevölkerung verringern wolle, sondern auch den 'Westen' hasse.

Das ist #Antisemitismus, selbstverständlich. Aber interessant daran ist, wie alt eigentlich das dahinterstehende Stereotyp ist. Musk weiß das mit ziemlicher Sicherheit gar nicht.

Als Empfehlung für eine Langzeit-Geschichte der Judenfeindschaft: David Nirenberg!

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