Unter #DorosBerichte erzähle ich Euch, womit ich in der #Flüchtlingshilfe zu tun habe: Mit jungen Menschen, insb. aus Afgh., die es nach meist extremen Fluchtgeschichten nach Ö verschlagen hat, um Asyl zu beantragen. Viele Geschichten, jede ist für sich ein Einzelfall. 1/15
Doch die große Zahl dieser ständigen „Einzelfälle” zeigt, wie inhuman und oft völlig absurd die Behörden mit dem Schicksal der Menschen umgehen. Das liegt zT an der Rechtslage und (immer öfter) an den Entscheidungen innerhalb des Ermessensspielraums der Beamten. 2/15
Heute erzähle ich Euch vom jetzt 18j. Asef, den ich seit bald drei Jahren kenne und schätze. Er lebte mit seiner kleinen Familie und deren kleinen Gemüselandwirtschaft und etwas Viehzucht nicht so schlecht. Wäre da nicht die ewige Bedrohung durch die Taliban gewesen. 3/15
Asef war beliebt und so bekannt, dass die Talebs auf ihn aufmerksam wurden. Als er 11 war, kamen sie immer wieder & erklärten seinem Vater, dass sie Asef, wenn er 14 sei, zu sich holen würden. Da kann keine Polizei helfen, die Augen & Ohren der Taliban sind überall. 4/15
Die Bedrohungen und die Angst setzten der Familie sehr zu. Schlaflose Nächte, Tränen und Verzweiflungsakte waren die Folge. Mit 12 konnte Asef diese Angst nicht mehr ertragen und eines Tages schlich er sich mit einem älteren Nachbarjungen einfach fort, in Richtung Iran. 5/15
Im Iran weinte er tagelang, rief im Schlaf nach der Mama, die grausame Realität ließ ihn nicht los. Die Arbeitsmafia zwang ihn, Brunnenschächte zu graben. In den folgenden 1 1/2 Jahren starben drei Jugendliche direkt neben ihm, erschlagen von in die Tiefe fallenden Steinen. 6/15
Eines Tages stellte ihn d iranische Polizei vor die Wahl: In den Krieg nach Syrien ziehen, oder nach Afghanistan abgeschoben werden. Der nun knapp 14j. Asef lief erneut davon. Er wusste von beidem, was es bedeutete: Im Krieg kämpfen oder in Afghanistan den Talibans dienen. 7/15
2015 schloss er sich einer Gruppe junger Burschen an, die aus ähnlichen Gründen flohen. Nach 2-monatiger Reise erreichte er Ö. Er kam in ein UMF-Quartier, lernte brav Deutsch, besuchte die Schule. Dann bekam er Probleme mit der Gallenblase und musste für 6 Wochen ins Spital. 8/15
Als er in die Schule zurückkam, erfuhr er, dass er abgemeldet worden war, weil ihn niemand „entschuldigt” hatte. So lebte er ohne Beschäftigung, ohne wesentliche Bezugspersonen weiter und fiel in eine starke Depression. Die amtliche Nachlässigkeit hat ihm sehr geschadet. 9/15
Er hatte das Pech, in NÖ zu leben, wo der zuständige Landesrat wie besessen davon ist, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, ohne Rücksicht auf persönliche Umstände. Und die für ihn zuständige Beamtin kooperierte mit dem Landesrat, statt Asefs Wohl zu berücksichtigen. 10/15
Mitte 2018 bekam Asef, der ohne Rechtsberatung war, den 2. negativen Bescheid, womit die Abschiebung nach Afgh. anstünde, sobald er 18 werden würde. Er, der nie mit der Polizei zu tun hatte, wurde im Herbst 2018 ins berüchtigte Drasenhofen hinter Stacheldraht gebracht. 11/15
Nach der Schließung dieses Gefängnisheimes, einem Sinnbild für moralische und rechtliche Verwerflichkeit, schöpfte er zum 1. Mal e. Hauch von Hoffnung. Besuchte mich in Graz, ging wieder zur Schule, fasste nach Jahren wieder Vertrauen, zu mir und 2 wunderbaren Freundinnen. 12/15
Wir organisierten für Asef Beratungen, guten Anwälten & kompetenten NGOs und mussten zur Kenntnis nehmen, dass eine Berufung zu 95 % negativ beschieden werden würde. Würde er den Berufungsantrag stellen, drohe ihm die sofortige Schubhaft bis zur Abschiebung, da jetzt 18 J. 13/15
Das war zuviel für den Burschen. Er tauchte wieder unter. Irgendwann rief er überraschend an: „Bin gut in Frankreich gelandet.” Nun steht er wieder alleine da. Weinend und mit einem Hauch von Hoffnung, dass er endlich zur Ruhe kommen und seine Wunden heilen lassen kann. 14/15
Afghanistan, ein Kriegsland, mit abertausend getöteten Frauen & Kindern. Die Maxime „wir müssen die Flüchtlinge loswerden” lähmt jegliches humanitäre Verantwortungsbewusstsein. Ich schäme mich dafür! 15/15
#DorosBerichte #StopDeportationToAfghanistan #AfghanistanIstNichtSicher

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