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Nov 14, 2019 18 tweets 3 min read Read on X
Kennt ihr das: Ihr seid bei Freunden oder Bekannten, die gerade offensichtliche Fehler bei der Erziehung ihrer Kinder machen und ihr habt das Bedürfnis, das zu kommentieren oder ihnen einen Tipp zu geben? Dann habe ich einen Thread für euch.
Vorweg eine Art Definition von "Erziehungsfehlern" in diesem Kontext: Damit meine ich Verhaltensweisen, die eurer Meinung nach kontraproduktiv für die Erziehung der Kinder sind. Ich meine damit nicht offensichtliche Verstöße gegen die Rechte, Würde oder Versehrtheit der Kinder.
Vorweg auch ein Disclaimer: das hier versteht sich natürlich als persönliche Einschätzung, die ich zwar meiner Erfahrung nach mit einigen Eltern teile, zu der es aber natürlich auch genügend andere Einschätzungen gibt.
Ein Beispiel: ein Freund möchte, dass sein Kind etwas Bestimmtes macht, z. B. aufräumen & kündigt an "Wenn du dein Zimmer aufräumst, darfst du heute Abend fernsehen." Das Kind räumt nicht auf, darf am Ende aber trotzdem fernsehen. Das Szenario wiederholt sich laufend.
Ihr findet das inkonsequent und denkt, dass es besser wäre, wenn man entweder konsequenterweise kein Fernsehen erlauben würde oder aber gar nicht erst zu solchen WENN...DANN Regeln greifen sollte. Wie teilt man das jetzt mit, ohne den Eltern dabei auf die Füße zu treten?
Meine Antwort lautet (in eigentlich allen Fällen): gar nicht! Es ist schlicht nicht eure Aufgabe und ihr überschätzt unter Umständen eure Kompetenz, die Lage zu bewerten.
Die Erziehung der Kinder ist für viele Eltern eine sehr persönliche und intime Angelegenheit. Das heißt nicht, dass eure Meinung allgemein nicht gefragt ist. Es ist so wie mit anderen intimen Angelegenheiten: sie ist dann gefragt, wenn ihr danach gefragt werdet. #simples
Egal wie gut gemeint oder auch inhaltlich richtig Kommentare zu Fehlern bei der Erziehung anderer erscheinen mögen: sie sind in der Regel übergriffig oder tendieren dazu.
Sie sind übergriffig, wenn sie bestimmte persönliche Überzeugungen und Prinzipien der Erziehung infrage stellen, die Außenstehenden vollkommen absurd erscheinen. Sie sind übergriffig, wenn sie an einen Idealismus appellieren, den sich Eltern unter Umständen nicht leisten können.
Ich beobachte bei mir & anderen Eltern eine gewisse Fragilität des Selbstbewusstseins, das sich aus dem Spannungsbogen zwischen Idealismus (Ansprüche an eigene Erziehungsmaßnahmen) & Pragmatismus (die laufende Erfordernis richtige Entscheidungen für andere zu treffen) speist.
Tatsächlich glaube ich, dass viele Eltern die größten Kritiker*innen ihrer selbst sind. Da sie aber zudem permanent in einer Situation stecken, die es erfordert Entscheidungen zu treffen, müssen sie gleichzeitig überzeugt von ihrem Handeln sein. Schizophrenie als Grundanforderung
Eltern wissen z. B. unter Umständen dass ein bestimmtes Verhalten langfristig kontraproduktiv ist, müssen aber kurzfristig reagieren und dabei auch andere Faktoren und Interessen als die Erziehungsideale berücksichtigen.
Auch wenn sich meiner Erfahrung nach die Kommentare von Menschen, die keine Kinder erziehen, häufig stärker zu Kommentaren von Menschen mit Kindern unterscheidet: unerwünscht sind sie ungefragterweise gleichermaßen. Häufiger kommen sie meiner Erfahrung nach von anderen Eltern.
Gerade in Elternkreisen habe ich häufig Gespräche über die Erziehung anderer Eltern mitbekommen. Die Motivation ist hier meiner Meinung die eigene Unsicherheit und das Bedürfnis nach Bestätigung. Kann man nachvollziehen, ist dadurch aber nicht minder übergriffig.
Ich persönlich habe mich zuweilen in Situationen befunden, in denen sich in mir alles zusammengezogen hat, aber am Ende sind es intime Situationen, die - weil es nun mal Kinder sind - unfreiwillig in meinem Beisein stattfinden - keine Aufforderung zum Kommentar.
Um einen Bogen zur Definition von "Erziehungsfehlern" zu schlagen: natürlich gibt es Fälle, bei denen die Abgrenzung nicht ganz so einfach ist. Hier würde ich als potenziell Betroffener empfehlen, im Zweifelsfall nicht zu kommentieren, sondern (wenn überhaupt) Fragen zu stellen.
Setzt voraus, dass die Frage tatsächlich auf Interesse fußt & man sich bewusst ist, dass hier möglicherweise eine Grenze überschritten wird. Ich finde, dass man sich über fast alles unterhalten kann - aber nicht grundsätzlich. Die Entscheidung liegt letztlich bei den Betroffenen.
Und ja: heute war mal wieder so ein Tag, an dem mir das passiert ist. Ich finde es schade, wenn Leute nicht verstehen, wenn sie etwas nichts angeht.

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