Da ich gerade halbkrank und halbgelangweilt im Bett liege, nutze ich mal die Gelegenheit ein paar Gedanken zu #Digitalisierung, #changemanagement und #newwork runterzuschreiben (und dazu, weswegen Transformationsprozesse häufig zu scheitern drohen).
Ganz allgemein: was versteckt sich in diesem konkreten Kontext hinter dem Buzzword #Digitalisierung? Ich meine damit 1. das Strukturieren von Arbeitsprozessen, die bislang Konventionen oder individuellem Handeln unterlagen und 2. die Unterstützung dieser Prozesse durch Maschinen.
Ist immer noch etwas technisch. Was ich aber damit betonen will ist, dass Digitalisierung in der Praxis zwar etwas
(gelegentlich auch viel) mit der zugehörigen Technik zu tun hat, ieL aber eine Herausforderung der Organisation & Integration ist und somit mit Menschen zu tun hat.
Und da sind wir auch schon bei dem Knackpunkt. Digitalisierung ist eine kulturelle Herausforderung. Die Wahrnehmung auf Führungsebene ist hingegen häufig eine andere iSv "Digitalisierung ist wichtig - was müssen wir dazu kaufen?" Die Frustration ist vorprogrammiert.
Jetzt könnte man sagen, gut, Digitalisierung ist etwas Neues, da wissen die Leute nicht, wie sie damit umgehen sollen. Es ist aber eigentlich überhaupt nicht neu und überraschend, sondern ein ganz normaler und logischer Prozess:
Wenn ich als Betrieb eine Autoflotte aufbauen möchte, genügt es auch nicht Autos zu kaufen: Ich muss sie betanken und warten, sonst fahren sie nicht oder es fallen mittelfristig teure Reparaturen an. Und vor allem: Ich brauche auch Leute, die ordentlich(!) fahren können.
Mehr noch: ich brauche nicht nur Leute, die ordentlich fahren können, sondern auch Leute, die LUST haben Auto zu fahren, OBWOHL sie sich lange Zeit als Kutscher*innen verstanden haben. Die Begleitung der Veränderung ist das wirklich Teuere an der Digitalisierung.
Deswegen sind Projektgelder für Change Management nicht geeignet: es muss sich nachhaltig etwas an der Arbeit ändern - idealerweise laufend, während Resultate erst langfristig sichtbar werden. Die Begeisterung der finanziell gebeutelten Verwaltungen kann man da förmlich spüren.
Mein Eindruck ist, dass Verwaltungen die notwendigen Transformationsprozesse verschlafen, weil sie nicht bereit sind bzw. sich in der Lage sehen zu investieren. Dabei sind viele Schritte unausweichlich und werden teurer je länger man wartet.
Zaghafte Investitionen wiederum können Transformationsprozesse nachhaltig schaden, denn sie scheitern aufgrund einer Mischung aus überbordenden Erwartungen, Unausgegorenheit und der daraus resultierenden Unzufriedenheit der betroffenen Personen.
Digitalisierung bedeutet immer einen Kulturwandel bei der Arbeit und meine Erfahrung ist, dass das eigentlich niemand toll findet - mit einer Ausnahme: Leute, die neu anfangen. Diese Leute müssen nämlich einen Preis NICHT zahlen: die Infragestellung des Wertes/Sinns ihrer Arbeit.
Ich treffe regelmäßig Menschen, die davon überzeugt sind, dass das was sie machen richtig gut ist und den Sinn der Veränderung nicht sehen. Sie sehen ihre Arbeit teilweise diskreditiert - insbesondere wenn die Technik nicht mitspielt. Alles sieht nach Rückschritt aus.
Ein häufiges Phänomen ist die Erwartung, Arbeit würde durch Technik erheblich vereinfacht. Das wird ja auch häufig von Softwarevertriebler*innen so propagiert ist aber vollkommener Quatsch: für die Mitarbeiter*innen verbessert sich auf dem ersten Blick idR kaum etwas (s.o.).
Warum? Sachbearbeiter*innen können bspweise mit einer Datenbanksoftware schneller Abfragen machen als mit ihrem Aktenschrank - aber am Ende des Tages arbeiten sie vorher wie nachher ihre Zeit ab und gehen dann nach Hause. Der Mehrwert entsteht zunächst v.a. bei der Organisation.
Viele Leute im operativen Geschäft sind daher schnell frustriert. Sie dachten, die Technik bringt erhebliche Verbesserung - stattdessen gibt es v.a. Stress, Fehler, Ahnungslosigkeit, Unsicherheit - das ist alles schlecht und fühlt sich falsch an.
Ich versuche immer solche Erwartungen zu dämpfen. Nein, die Arbeit wird nicht einfacher - sie wird kurzfristig definitiv anstrengender & auch später lediglich anders. Das trifft leider v. a. in Verwaltungen zu, weil hier der Gewinn an Effizienz nicht bei den Angestellten ankommt.
In einer Organisation, in der frei werdende Ressourcen bedeuten, dass ich mir selbständig andere Tätigkeiten, die ich spannend finde, suchen kann, gewinne ich persönlich an Freiheit. In Verwaltungen gibt es aber idR Funktionsstellen, Silos der Zuständigkeit.
Der Mehrwert für die Mitarbeiter*innen, den ich bislang durch die Bank am besten verkaufen konnte: die Digitalisierung der Arbeit vereinfacht die Weiter- und Übergabe an andere, wenn man ausfällt oder es Stellenwechsel gibt.
Man könnte meinen, dass das die Arbeitnehmer*innen eher abschreckt - sie werden ja ersetzbarer. Interessanterweise ist das Gegenteil der Fall: Gerade weil es die Silos der Zuständigkeit gibt, wird die individuelle Arbeit für die Mitarbeiter*innen häufig zum Stressfaktor.
Trifft natürlich nicht allgemein zu, aber auf viele Personen v.a. in Leitungspositionen, die ihre Arbeit eben weil sie sie sehr individuell organisieren, nicht ohne weiteres an andere übergeben können. Sie sind gestresst wenn sie daran denken, Urlaub zu nehmen.
Dass es überhaupt zu der Wahrnehmung kommt, dass Veränderung den Wert/Sinn von Arbeit infrage stellt, hat viel mit der Vorstellung zu tun, dass Arbeitserfahrung über die Jahre stetig ansteigt und diese Erfahrung (zu) uns gehört. Wir werden sukzessive zu Profis unserer Tätigkeit.
Das ist auch nicht ganz falsch - aus Perspektive der Organisation, für die man arbeitet, ist nicht entscheidend wie gut wir unserer Tätigkeit nachkommen, sondern inwiefern unsere Tätigkeit einer gewünschten Funktion entspricht - und die kann sich schnell verschieben.
In gewisser Weise ist die Arbeit an Transformationsprozessen gerade deswegen so spannend, weil es wie eine kleine Sozialstudie ist, bei der man viel darüber erfährt, warum wir eigentlich gerne oder eben nicht gerne arbeiten.
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. Ich lese gerade dt Curricula des GU, die ja einen guten Blick darauf geben, was es da so für Zielvorstellungen gibt. Hierzu mein Thread.
Vorweg einen kurzen Verweis auf einen Text von Andreas Körber, der mich überhaupt dazu gebracht hat mir die Curricula anzuschauen: pedocs.de/volltexte/2012…. Hier schaut er sich die Curricula von Hamburg und Niedersachsen an.
Ein kleiner Thread zu E-Mail Signaturen als Tool des #changemanagement s👇TL;DR: Wenn eine Einrichtung es nicht schafft eine E-Mail-Signatur zu entwickeln, die für alle funktioniert & auch von allen verwendet wird, kann sie auch ihr Leitbild in Ablage P legen.
E-Mail Signaturen sind auf dem ersten Blick furchtbar langweilig. Die wenigsten werden sagen, dass sie unwichtig sind, aber wenn man anfängt mit Leuten darüber zu reden, spricht man auch schnell über die ganzen anderen & wichtigeren Sachen, die noch erledigt werden müssen.
Die Entwicklung von E-Mail Signaturen eignet sich gut im Kontext allgemeiner Veränderungsprozessen - nicht als Visitenkarte, sondern als Metapher für die Ordnung, in der wir gemeinsam arbeiten (wollen) und als Reizthema in Umgebungen, in denen keine klaren Strukturen herrschen.
Nun ist ja bald/bereits Schulanfang & ich lese Texte, die aufrechnen wie viele Monate die Kinder lerntechnisch bereits hinterherhinken. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir aufhören über "die Kinder" zu sprechen und mal die Diversität der Betroffenen in den Blick nehmen. 1/x
Von der aktuellen Lage sind nicht "die Kinder" betroffen, sondern bestimmte Kinder, die unter aktuellen Bedingungen ERHEBLICH schlechter lernen können als andere: Kinder aus Familien, bei denen die Eltern lerntechnisch nicht unterstützen können und Kinder ohne Hardware für HS 2/x
Das sind in der Regel diejenigen, die ohnehin schon erhöhten Förderbedarf haben. Wenn die jetzt nicht gesondert behandelt werden, wird die Leistungsschere noch größer, also sie ohnehin bereits ist. 3/x
Der Artikel ist von Elisabeth Heinemann und @janinefunke und wirft einen sehr optimistischen Blick auf die Erfahrungen mit Corona, denn im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Unis die Digiralisierung der Lehre gewuppt haben.
Der Artikel attestiert der klassischen Hochschullehre bereits vor #COVID19 ein Auslaufmodell gewesen zu sein, wobei sich das im Artikel mE vor allem auf rein oder vornehmlich einseitige Formate bezieht.
Habe in den letzten Wochen mit Lehrenden und Personen aus dem Wissenschaftsmanagement unterschiedlicher Unis über ein weiteres #Onlinesemester gesprochen. Kein repräsentative Umfrage, aber ein paar sehr einhellige Meinungen. Thread 👇
Erstmal die schlechten Nachrichten: das #Onlinesemester hat Kapazitäten gefressen - bei Lehrenden, Studierenden und im Management. Ist für mich schwer zu sagen, wer krasser betroffen war - wir wurden unterschiedlich getroffen. Meine Tendenz ist: die Studis traf es am Heftigsten.
Das liegt vor allem an der wirtschaftlichen Lage. Für viele Studierende die jobben ist von einem Tag auf den anderen ohne Aussicht auf Perspektive die Finanzierung weggefallen. Hinzu kommt, dass Kurse teilweise stark unterschiedlich aufgebaut wurden. Flexibilität an allen Enden.
Nochmal als Überlegung aus meinem gestrigen Thread: was wäre, wenn die Produktion von Frontalkursen massiv ausgebaut würde. Gäbe es Bestrebungen weniger Dozent*innen zu beschäftigen? Bestimmt. Aber es wäre grundfalsch. Was sich ändert, ist das Tätigkeitsprofil nicht die workload.
Folgendes Szenario: Das Land Niedersachsen entschließt sich an allen Universitäten Online-BWL-Kurse anzubieten. Der Kurs "Mikroökonomik I" wird 15x produziert. Nun kommt das Bildungsministerium auf die Idee, dass hier vieles doppelt ist und 5 Produktionen auch genügen.
Wenn man die Umsetzung mal außen vor lässt, stellt sich die Frage, wie man sinnvoll mit der Frage der Redundanz umgeht - denn auch wenn sich die Kurse in Duktus und Inhalt unterscheiden gibt es natürlich Redundanz.