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Das BVerfG-Urteil geht weiter, als wohl selbst viele Befürworter der Sterbehilfe gedacht hätten. Ein paar Punkte:
1. Das Recht, sein Leben - ggf. mit Hilfe Dritter - zu beenden, folgt unmittelbar aus der Menschenwürde. Es ist zwar zulässig, die Entscheidung auf ihre Ernsthaftigkeit hin zu überprüfen, aber nicht auf ihre Motive hin.
2. Das heißt, dass die Entscheidung nicht nur bei schwern unheilbaren Krankheiten geschützt ist. "Sie bedarf keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung, sondern ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren."
3. Es gibt auch keine Pflicht, vorrangig palliativmedizinische Angebote oder sonstige Formen der Hilfe anzunehmen.
4. Gleichwohl kann der Staat natürlich durch Aufklärungs- und Wartefristen oder durch die Beschränkung des Kreises der Institutionen, die Suizidhilfe anbieten dürfen, dafür Sorge tragen, dass nicht 16-jährige mit Liebeskummer davon Gebrauch machen.
5. Ärzte dürfen zwar keinesfalls gezwungen werden, Suizidbeihilfe anzubieten. Wenn ihr Berufsrecht - über das das BVerfG nicht unmittelbar zu entscheiden hatte - es ihnen aber verbietet, muss ggf. auch dieses geändert werden; Näheres wird sich dazu wohl aus dem Volltext ergeben.
6. Das gilt auch für das Betäubungsmittelrecht. Das BVerwG hatte 2017 entschieden, dass schwerstkranke Patienten einen Anspruch gegen den Staat auf Abgabe tödlicher Medikamente haben. Erst Gröhe, dann Spahn, haben die zuständige Behörde angewiesen, dieses Urteil zu missachten.
6. Das war zwar m.E. schon vor dem heutigen BVerfG-Urteil rechtswidrig, ist es nun aber endgültig und eindeutig. Das BVerfG deutet an, dass evtl. direkt die Bestimmungen des BtmG geändert werden müssen; auch dazu wird aber erst der Volltext der Entscheidung Aufschluss geben.
9. Ich kann nicht zählen
Noch eins: "Sterbehilfe" im Sinne der vorigen Tweets meint, dass man jemandem Mittel bereitstellt, um sich das Leben zu nehmen, und ihn in dem Prozess begleitet - aber nicht, dass man ihn (auf seinen Wunsch hin) selbst aktiv tötet, zB durch Verabreichung einer Giftspritze
Solche aktiven Tötungen auf Verlangen waren schon vor Einführung des 217 StGB strafbar, und sind es weiterhin, nämlich nach 216 StGB. Allerdings ist die Grenzziehung praktisch oft schwierig, und evtl wird das BVerfG-Urteil auch hier eine einschränkende Auslegung des 216 gebieten
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