Thread by @lucasguttenberg

Der 🇪🇺-Gipfel diskutiert morgen, wie der von der Eurogruppe im Grundsatz beschlossene "Wiederaufbaufonds" aussehen soll. Der soll sicherstellen, dass sich alle Mitgliedstaaten erfolgreich gegen diese Krise stemmen können. Wie soll das funktionieren?

Eine (lange) Einführung:

1/ Der Gipfel wird zunächst zwei Maßnahmen beschließen, die Ländern günstige, aber vollständig zurückzuzahlende Kredite zur Verfügung stellen: Das sogenannte SURE-Programm (vulgo "EU-Kurzarbeitergeld") und die neue Corona-Kreditlinie beim Rettungsschirm ESM.

2/ Doch es ist die Erkenntnis gereift, dass Kredite alleine nicht ausreichen, da sie das Problem nicht lösen: Einige Länder wie 🇮🇹 haben bereits einen so hohen Schuldenstand, dass sie sich nicht einfach weiter Kredite aufladen sollten. Sonst kommen wir in eine neue Eurokrise.

3/ Umgekehrt besteht die Gefahr, dass diese Länder einfach zu früh mit dem Geld ausgeben aufhören könnten und zu zaghaft agieren müssen, weil ihnen der Spielraum fehlt - Anzeichen dafür sehen wir bereits. Das wäre brandgefährlich.

4/ Das hätte zur Folge, dass einige Länder sehr viel schwächer aus der Krise kommen als andere. Das wird dort zur Frage führen: Wie kann es im Binnenmarkt fairen Wettbewerb geben, in der Krise jeder doch nur seiner eigenen Wirtschaft hilft? Das wäre der Anfang vom Ende der EU.

5/ Das gilt es zu verhindern. Dafür brauchen alle Länder den nötigen fiskalischen Spielraum, ohne dass es zu einem weiteren Anstieg der Schuldenquoten kommt. Und hier kommt der Fonds in Spiel: Er soll das Instrument sein, um diesen Spielraum zu ermöglichen.

6/ Wie könnte er das tun? Indem er einen Teil der Kosten für sinnvolle Ausgaben trägt, wie das heute bereits durch die Strukturfonds der EU passiert - nur diesmal eben nicht für strukturell ärmere Länder, sondern für die von den Pandemiefolgen besonders betroffenen.

7/ Mögliche Bereiche wären hier zum Beispiel die von den Ländern getragenen Gesundheitskosten, Ausgaben für Kurzarbeitergeld, um Menschen in Arbeit zu halten, und natürlich die notwendigen Konjunkturprogramme, wenn Maßnahmen gelockert werden.

8/ Damit das tatsächlich einen spürbaren Effekt für die betroffenen Länder hat, braucht dieser Fonds eine gewisse Größe - Schätzungen reichen von 400 Milliarden bis 1,5 Billionen Euro. Dafür braucht die EU zusätzliche Mittel. Um an die zu kommen, gibt es grundsätzlich zwei Wege:

9/ Weniger wirtschaftlich getroffene Mitgliedstaaten wie 🇩🇪 oder 🇳🇱 könnten massiv ihre Beiträge an die EU erhöhen und so diesen Fonds füllen. Das wäre sehr teuer und würde außerdem zu einer sehr starken Umverteilung führen. Doch es gibt eine zweite, bessere Variante:

10/ Die EU könnte einmalig und für einen begrenzten Zeitraum gemeinsam Schulden aufnehmen. Die würde sie dann in ein paar Jahrzehnten tilgen - und weil sich EU-Beiträge nach der Wirtschaftsleistung richten, würden alle mit zurückzahlen, je nachdem wie gut sie aus der Krise kamen.

11/ Wie das im Detail ökonomisch sinnvoll und rechtlich sauber gehen könnte haben @GrundSebastian, @OdendahlC und ich hier aufgeschrieben. Spoiler: Man kann das alles machen, wenn man es politisch will.
delorscentre.eu/de/publikation…

12/ Der Gipfel morgen muss das politische Signal senden, dass ganz Europa ein Interesse hat, dass jedes Land gut durch die Krise kommt. Dafür braucht es ein neues Instrument, das wirklich für mehr Spielraum sorgt. An dieser Frage sollte man das Gipfelergebnis morgen messen.