My Authors
Read all threads
Paar Highlights aus dem Schulleiterbrief bzw. der Handlungsanweisung für die sächsischen Grundschulen? schule-sachsen.de/20_05_08_Wiede…
Gut zu wissen: Die Rechtsgrundlage für das beschriebene Grundschulkonzept: existiert noch nicht, die zugehörige Allgemeinverfügung wird *voraussichtlich* Ende der Woche veröffentlicht, damit bleiben dann bestenfalls ein, zwei Tage für den Rechtsweg.
Das Kernproblem (Brief Seite 1): "Ab Montag, 18. Mai wird die Schulbesuchspflicht für die Klassenstufen 1 bis 4 wieder gelten." - damit bleibt kein legaler Entscheidungsspielraum für Eltern bei der Risikoabwägung Gesundheit vs. Schulpflicht.
Die Vorsichtsmaßnahmen aus den Abschlussklassen und Oberstufen: werden nicht angewendet. Brief Seite 1: "Eine Klassenteilung findet nicht statt." Seite 2: "Das allgemein gültige Abstandsgebot gilt nicht innerhalb der festen Klassenverbände."
Brief Seite 2 begründet das u.a. mit der "seelischen Gesundheit von Kindern im Grundschulalter" - schön und gut, aber was ist mit ihrer körperlichen Gesundheit? Oder eben der seelischen, wenn die Groß-/Eltern, Geschwister und Freunde vermeidbar an covid19 sterben?
Weiter geht es mit einer diffusen Angst vor "einer sich verstärkenden Bildungsbenachteiligung" bei "sehr untersch. Bedingungen des Lernens zu Hause" -- ok, warum dann nicht Remote-Schooling? *Das* Invest dürfte *erheblich* günstiger/nachhaltiger als COVID-Behandlungskosten sein.
Unten auf Seite 2 überlässt der Minister die Leiter sich selbst: Er "vertraue darauf, dass Sie mit dem schon bewiesenen . Handeln und . Geschick die für Ihre Schule passenden Planungen & Gestaltungsvarianten finden", denn "zentrale Vorgaben" können "dem unmöglich gerecht werden"
Für 'Schulpflicht wieder aktiv' und 'Keine nennenswerten Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von Infektionen' sind die zentralen Vorgaben aber gut genug. Zum Abschluss des Briefes dann noch die Ansage, dass eine Vermischung der Gruppen auch im Hort unterbleiben soll.
Weiter geht's mit Anlage 1, dem "Konzept zur Wiedereröffnung .. der Grundschulen .. im Freistaat Sachsen." Kapitel 1 versucht ein Rational zu bauen, beginnt damit, dass die Schließung von Schulen und Kitas der zentrale Baustein in der #Corona-Eindämmung seit März war.
Sachsen sei im internationalen Vergleich nur milde betroffen. Schön, die bisherigen Maßnahmen haben also gewirkt. Ist doch kein Grund, das alles wegzuschmeißen.
Im 3. Absatz wird dann auf die Belastung der Eltern verwiesen, und dass diesen die Vermittlung von "Kulturtechniken" nicht übertragen werden könne. Aha, dessen sind wir nicht mächtig und gewachsen? Das klaglose Mittragen dieses Experiments wird uns aber zugetraut, toll.
Sodann werden die Berater aufgezählt, die für das Konzept verantwortlich scheinen: Zwei Klinik-Direktoren, der Landesjugendamtleiter, ein Wohlfahrt-Vertreter, ein Städte/Gemeindetag-Vertreter, eine Landkreistagvertreterin, eine Referatsleiterin aus dem Sozialministerium.
Keine praktizierenden Epidemologen, Virologen, Hygienetechniker, Lehrervertreter, Elternvertreter.
Der letzte Absatz zeigt dann die Prios des Konzepts: 1) schnelle Wiedereröffnung, 2) eine hohe Akzeptanz bewirken, 3) mittel- / langfristig durchhaltbare Vorgaben und 4) "unter den geg. Umst. ein höchstmögliches Maß an Sicherheit für Kinder, Familien, Personal, Gesellschaft"
Also in dieser Reihenfolge: alles schnellstmöglich wieder öffnen, gut verkaufbare Vorgaben, langfristig anwendbar und ganz am Schluss dann vielleicht auch "Sicherheit", falls es nicht stört. Mit etwas Fantasie ist das Vermeiden von Infektionen/Toten unter Sicherheit subsumierbar.
Kapitel 2 versucht zu begründen, warum man auf die strengen Goldstandard-Regeln, mit denen die Abis geschrieben worden (Masken, Abstand, Verteilung im gesamten Schulgebäude), bei den jüngsten Schülern nicht anwenden will:
"Die Infiziertenzahlen im Kleinkinder- und Kinderbereich bewegen sich im sehr niedrigen einstelligen Bereich."

Ach. Sag bloß. Wie - zum Teufel - sollen die auch die Infektion mit nach Hause bringen, wenn doch SCHULEN UND KITAS ZU SIND?!
Abgesehen davon, dass es noch immer unmöglich zu sein scheint, getestet zu werden, wenn man keinen nachgewiesenen Kontakt hatte oder zu Risikogruppen wie HCPs gehört. Asymptomatische Kinder werden zudem nich mit zum Testen genommen, denn dort sind ja zumeist Symptomatische!
Am 30.04. hatte Prof. Drosten im 37. NDRInfo-Podcast "Coronavirus-Update" zwei Studien vorgestellt, die im Wesentlichen zu zeigen scheinen: Kinder infizieren sich seltener als Erwachsene, aber wenn sie infiziert sind, sind sie genauso ansteckend wie Erwachsene.
Am 05.05. ging es an derselben Stelle dann um eine Studie aus Frankreich, wo sich mehr als 40% der Schüler*innen, Lehrer, Angestellten infiziert hatten. Das liegt wohl erheblich über den alltäglichen Infektionsraten.
Is auch völlig logisch, denn in der Schule hängen alle Kandidaten stundenlang auf kleinstem Raum aufeinander. Warum auch sollten Kinder ausgenommen sein? Die schlimmsten Seuchenhöllen sind nicht umsonst Kitas und Schulen - darum wurden die ja auch als allererstes geschlossen.
Diese Erkenntnisse ignoriert das Konzept. In Kapitel 4 listet es dann "Annahmen und Prämissen," warum übliche Schutzmaßnahmen, die buchstäblich ÜBERALL sonst in der Öffentlichkeit und auf Arbeit und bei den größeren Schülern gelten, unsere Grundis nicht schützen sollen.
"Altersbedingt" sei keine Abstandsregelung möglich - wenn man derzeit so rausguckt, scheint das nicht am Alter zu liegen. Statt Kontaktvermeidung/kleinen Gruppen würde der Infektionsschutz konstante, strikt getrennte Gruppen erfordern.
Hä, aber nur bei Grundis und sonst bei niemandem? Sprich eine Firmenbelegschaft - oder ein Ministerium - könnte nach dieser Logik komplett auf Schutzmaßnahmen verzichten, solange die Belegschaft stabil bleibt? Das ist doch offensichtlicher, ausgemachter Unfug.
Im Hort sollen dieselben Gruppen gebildet werden, och.. oder wenn das nicht geht... dann eben neue. Huiui. Was denn nun, keine Gruppen-Durchmischung, außer es geht nicht anders? Eine Farce.
Dann geht der Irrsinn erst so richtig los. Es folgen auf Seite 5 die Maßnahmen für den Zugang zu den Schulen. Symptome? Klarer Ausschluss. Aber auch, wenn Mitglieder des Hausstandes „Krankheitszeichen“ zeigen, soll dieser Schüler fernbleiben.
Das sollen die Eltern täglich morgens in einem „neuen Übergaberitual“ schriftlich „versichern.“ Wenn ich rausgucke, ist eine solche Beteuerung mal gar nichts wert. Keinen Pfifferling.
Es wird keinen Tag dauern, bis irgendwelche Verzweifelten oder eben die Covidioten dem zuständigen Formular glatt ins Gesicht lügen, und den Vektor trotzdem zu seinen Freunden schicken.
Ganz toll ist auch, dass ausschließlich auf messbaren Symptomen rumgeritten wird. Unbestritten sind asymptomatische Verläufe bei Kindern am Häufigsten. Dazu kommt, dass laut Prof. Drosten Infizierte bereits zwei Tage VOR Symptombeginn infektiös sind.
Wenn die Kriterien aus dem Konzept zutreffen, hat der Schüler also schon zwei Tage lang seine Bezugsgruppe durchseucht.
Auf Seite 7 dann mit die größte Illusion: „Das Gelingen des Konzeptes erfordert zwingend die .. aktive Mitwirkung aller Eltern.“ U.a. sei „es dringend erforderlich, im privaten Umfeld weiterhin die Sozialkontakte soweit wie möglich zu reduzieren“ – my sweet freakin‘ summer child.
Guck. Aus. Dem. Fenster. Das passiert doch schon jetzt bei vielen Haushalten inkl. Familien nicht mehr. Ostern, Muttertag, beim Fitti anstehen, zur Demo gehen, im Supermarkt auf Tuchfühlung. Guck hin.
Auch schön, ganz unten auf Seite 7 – die „Eltern werden gebeten, .. die Betreuungszeiten nicht auszureizen“, denn das sei „die wirkungsvollste Hilfe für die .. Fachkräfte“ – NEIN, die beste Hilfe wäre, die Kinder nicht schicken zu müssen.
Kapitel 6 spricht schließlich davon, dass die Öffnung der Grundschule ohne Schutzmaßnahmen „von Beginn an wissenschaftlich eng begleitet“ wird, um Daten zu erheben für „Schlussfolgerungen für weitere Entscheidungen.“
Das Konzept beschreibt also eine Art Experiment, einen Tierversuch, in den kein aufgeklärter Proband aktiv eingewilligt hat.
Anlage 2 stellt den Leitern „Handlungsempfehlungen für die Praxis“ zur Verfügung. Es werden viele Dinge aus dem Konzept wiederholt, aber es gibt auch neue Nuggets. Z.B. „kann“ die Leitung laut Kapitel 1 Kinder mit Krankheitssymptomen abweisen. Muss aber nicht, oder wie?
In Kapitel 2 „könnte“ ein Leiter Mundschutz anordnen, „soll“ aber nicht, u.a. wg. der Bedeutung der „nonverbalen Kommunikation.“ Hätte gedacht, dass es im Unterricht hauptsächlich auf das Verbale und das Schriftliche ankommt, aber was weiß ich schon.
„Aufgrund der Schulpflicht ist es nicht möglich, einen Schüler, der keine Maske trägt, wirksam vom Unterricht auszuschließen.“ Wusste ich nich. Gilt das auch für anderes unangemessenes Verhalten, wie z.B. nackt zu erscheinen? Infektionen nicht zu verhüten finde ich unangemessen.
In Kapitel 3 wird postuliert, dass „routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen nicht erforderlich sind“ – seltsamerweise scheint das Firmen gegenüber aber vorgeschrieben worden zu sein, beim Mutterschiff wurde das sogar schon behördlich kontrolliert. Warum hier nicht?
Kapitel 4 lässt dann ein bisschen die Hosen runter – die Dokumentation von Anwesenheiten und Gruppenzusammensetzungen diene hauptsächlich einer Kategorisierung von Infektionskontakten, „damit eine komplette Schließung der Einrichtung vermieden werden“ kann.
Die stabilen Gruppen stellen also *Feuerschneisen* dar. Es geht *nicht* um das Vermeiden von Infektionen, es geht darum, das Überspringen in andere Gruppen zu minimieren, damit nicht ganze Schulen geschlossen werden müssen.
Nochmal deutlich: Das Konzept dient *nicht* der Vermeidung von Infektionen zwischen den Schülern, sondern dafür, dass die Schulen möglichst viele Infektionsfälle verkraften können, ohne komplett schließen zu müssen.
In Kapitel 7 geht es um die zeitliche Staffelung des Schulalltages. Das Ankommen der Gruppen soll zeitlich gestaffelt werden, genauso wie die Nutzung von Pausenhöfen und Fachräumen.
Auch Essensräume sollen immer nur von einer Gruppe genutzt werden. Mal sehen: bei 16 Klassen (1a bis 4d) und 30 Minuten Mittagspause, braucht der gesamte Schülerbestand ACHT STUNDEN, damit alle Mittagspause machen können.
Also im Klassenzimmer essen, sagt die Handlungsempfehlung. Ja, und wie kommt das Essen in die Gruppen? Über die Küchenfrau, die dann in jeder Gruppe das Essen vorbeibringt. Das sind dann die Knoten auf Kontaktverfolgungskarten, bei denen besonders viele Fäden zusammenlaufen, toll
Dasselbe Kapitel verlangt dann noch von den Kindern, so schnell wie möglich Toilettengänge zu absolvieren – ein System zur Vermeidung des Antreffens von Schülern anderer Gruppen auf dem Klo ist nicht vorgesehen. Ach das ist zumutbar, aber jeden zweiten Sitzplatz freilassen nich?
Was bleibt, ist der Gesamteindruck: Keine Infektionsvermeidung, kein Schutz der Kinder und ihrer Familien, ihrer Lehrer und deren Familien. Nur Feuerschneisen, damit nicht gleich der ganze Wald brennt.
Dafür aber wieder mit Schulpflicht, was den Eltern die Möglichkeit nimmt, guten Gewissens und legal zwischen Schulstoffvermittlung und Gesunderhaltung entscheiden zu können. Kein Invest in Remote-Schooling-Lösungen, die anderswo bereits erfolgreich eingesetzt werden.
Sorry, aber das kann nicht die Lösung sein. Nicht zum jetzigen Zeitpunkt, ohne Impfung, ohne Medikament, ohne die geforderte Vernunft bei einem Teil der Gesellschaft, ohne verlässliche Daten zum Infektionsgeschehen bei Kindern.
Fazit: Ganz lieb gemeinte 2 von 10 Sternen. Kommt bitte wieder, wenn ihr ein Konzept habt, was den Schutz und die Gesunderhaltung der euch Anvertrauten als absolute Maxime behandelt, und nicht nur als dünnes Feigenblatt für ein Experiment dient.
Was mich ja mit einer Nacht nach Abstand echt schockiert: Es werden im Konzept Risikopatienten tatsächlich komplett ignoriert. Sowohl bei den Schülern, als auch bei den Familien.
Und dass niemand mal nachfragt, auch nicht von der Presse, die sich nur um die Dynamo-Quarantäne kümmert, das klingt so ein bisschen nach Bike-Shedding - nur mit Dingen beschäftigen, die man auch erfassen kann, und das Komplexe möglichst wegignorieren.
Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh.

Enjoying this thread?

Keep Current with CS 🇪🇺

Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

Twitter may remove this content at anytime, convert it as a PDF, save and print for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video

1) Follow Thread Reader App on Twitter so you can easily mention us!

2) Go to a Twitter thread (series of Tweets by the same owner) and mention us with a keyword "unroll" @threadreaderapp unroll

You can practice here first or read more on our help page!

Follow Us on Twitter!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3.00/month or $30.00/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!