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Können wir kurz über Trumps Bildsprache reden? Seine Photo Opp vor der beschmierten Kirche mit Bibel ist eine gezielte Message an seine hardcore evangelikalen Unterstützer: wir befinden uns in einem heiligen Krieg, und nur ich kann ihn gewinnen, denn Gott ist auf meiner Seite.
Er inszeniert sich damit nach ihrem Narrativ: als fehlbarer Messias, ein neuer König David oder Cyrus - er ist der „Auserwählte“. Einflussreiche republikanische Stimmen folgen dieser Rhetorik schon lange.
Hier kommen mehrere Dinge zusammen: Amerikanischer Exzeptionalismus, white supremacy, Reichtum als Zeichen von Gottesfürchtigkeit und Armut als Strafe für spirituelles Versagen. Zur Geschichte dieser Strömung hat @JYSexton recherchiert und geschrieben:
White Identity Christianity und der Glaube an eine satanische Weltverschwörung, gegen die man ankämpfen muss sind eng verbunden. Diese extreme Gruppe weißer Evangelikaler ist zudem der Meinung, dass dafür zur Not große Opfer gebracht werden müssen
Die Corona Pandemie passt in dieses Weltbild: sowohl als Strafe, aber auch als die große Seuche, die die Welt reinigen wird - dabei wird in Kauf genommen, dass viele Menschen sterben. newrepublic.com/article/157062…
Diese Form des weißen Evangelikalismus ist eng verknüpft mit einem paranoiden Verschwörungsdenken, das alle Andersdenkenden zu Marionetten Satans macht - wiederzufinden täglich in der Rhetorik von Fox News
Seinen Ursprung in der aktuellen Form hat diese Form des evangelikalen white identity Glaubens in den 1960ern unter Jerry Falwell Senior - der sich als Gegenfigur zu MLK inszenierte @JYSexton in @newrepublic:
Sexton nennt diese Form des Evangelikalismus den Kult der „Shining City“ - in Anlehnung an Reagan, der dieses Bild wieder in die amerikanische Politikrhetorik einfügte und damit Evangelikales mit Politischem eng verband.
Der Gott dieser Evangelikalen ist der Gott des konföderierten Amerika, der Whiteness als Zeichen der Auserwähltheit sieht, die mit Waffengewalt verteidigt werden muss. Gewalt, Rassismus und Religion formen hier ein unheilvolles Dreieck.
Das alles mag für europäische Ohren absurd und weit hergeholt klingen - („wie viele Spinner werden das schon sein?“) aber es zeigt sich jeden Tag deutlicher, dass Trump und sein Team ihn in diese Tradition stellen - und die Evangelikalen der USA ihm weiterhin die Treue schwören.
Wenn jetzt als Antwort kommt: Trump ist zu blöd um all das zu wissen - mag sein, mag nicht sein. Eines ist sicher: die Bildsprache ist eindeutig. Und die Adressaten, für die die gedacht ist, werden sie genau verstehen.
Das ist keine neue Entwicklung - entsprechende Kommentare bei Fox News, von Televangelists (allen voran Trumps eigene Beraterin Paula White), von anderen Republikanern folgen seit Jahren dieser Rhetorik. In Europa ist davon, abgesehen von ein paar Essays, recht wenig angekommen.
Meiner Ansicht nach wird, vor allem hier, die religiöse Komponente von Trumps Autoritarismus in fataler Weise unterschätzt - es ist mehr als „na die USA, da sind eben alle ziemlich gläubig“ - es ist eine viel tiefer gehende, toxische Bewegung, die Trump an die Macht gebracht hat
Amerikanische Atheismus-Aktivisten und Speaker warnen vor und verfolgen diese fatale Kombination seit mehreren Jahren - ihr Aufstieg war absehbar, wenn man nur hinsehen wollte. Jetzt ist es dafür zu spät- aufdecken und informieren darüber muss man trotzdem.
Wie sehr die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft ihren Ursprung in dem Konflikt zwischen fanatischen Evangelikalen und dem Rest hat - von säkular bis moderat religiös - geht immer wieder unter. Dadurch wird verkannt, welches Eskalationspotential ein solches Bild hat
Wer sagt, Trump sei gescheitert liegt genau falsch: die Pandemie war ihm egal, für ihn läuft alles exakt nach Plan: eine Gesellschaft, die ihre demokratischen Werte für überlegen &unangreifbar hielt, ins Chaos gestürzt macht den Weg frei für offenen Autoritarismus und Schlimmeres
Die Verknüpfung von Religion und staatlicher Macht wird immer wieder evoziert - ihren Ursprung findet sie u.a. in Röm 13:4“But if you do wrong, be afraid, for he does not bear the sword in vain. For he is the servant of God,an avenger who carries out God's wrath on the wrongdoer“
Gestern von Jenna Ellis, einer von Trumps Beraterinnen getwittert: der Bezug zu Rom 13:4 (s.o.) wird offen hergestellt und gefeiert
Indem er die Proteste als „Verbrechen gegen Gott“ framed, produziert er das evangelikale Narrativ eines Endkampfes der Gottesfürchtigen, der jetzt deinen Messias gefunden hat - und das nicht im metaphorischen Sinne.
Auch diesmal ist mit Rom 13:2 die Referenz seinem Publikum klar: dem, der sich der weltlichen Macht, die von Gott eingesetzt ist, entgegenstellt, muss im Namen Gottes bestraft werden.
Leseempfehlung zu diesem Thema: American Rule von @JYSexton
penguinrandomhouse.com/books/611439/a…
Zu denen,die argumentieren, Trump selber wäre nicht religiös - stimmt. Aber das ist völlig nebensächlich.Denn in einer Ideologie, die Reichtum als Zeichen von Gottes Gewogenheit sieht und ein weißes Amerika Gottes auserwähltes Volk ist, ist Trump die ideale Verkörperung derselben
Zur Argumentation bezügl seines Lebenswandels wird angeführt: Saulus hat, bevor er zum Paulus wurde, Christen ermordet - Gott hat ihn auserwählt. Der Sünder als Werkzeug Gottes ist ein wiederkehrendes Thema der Bibel - darunter auch einige sehr unangenehme Zeitgenossen
König David begehrte die Frau eines seiner Soldaten und schickt ihren Mann daher in den sicheren Tod, um mit ihr schlafen zu können. Er ist machthungrig und mitunter skrupellos.
König Cyrus der Große/der Ältere ist ein Heide - der persische Herrscher konvertiert auch nicht. Aber er ermöglicht den Israeliten die Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Das reichte Nethanyahu zu einem Trump-Vergleich.
Daher ist es völlig egal, welche Verbrechen jemand begangen hat, ob er gläubig ist oder überhaupt ein guter Mensch: Gott habe schon immer, so die Argumentation, „fehlbare Menschen“ als seine Werkzeuge erwählt.
Trump ist ein weißer Nationalist - sein Wiederaufgreifen des Reagan‘schen amerikanischen Exzeptionalismus, die USA als das auserwählte Volk und das auf die Spitze treiben desselben passt ebenfalls hervorragend in das evangelikale Narrativ.
Die Überzeugung, Teil eines mythischen Auserwählten Volkes zu sein, das von satanischen Kräften bekämpft wird, dessen Messias ein Sünder aber Werkzeug Gottes ist - bewiesen durch seinen Reichtum - all das lässt innerhalb der evangelikalen Logik nur Loyalität zu Trump zu.
Daher ist das europäische Unverständnis den evangelikalen Trump-Unterstützern gegenüber leider zu kurz gedacht- er kann seine Frau mit noch so vielen Pornostars betrügen, er muss nicht mal wissen wo bei der Bibel vorne und hinten ist. Es ist vollkommen egal.
(Fußnote: wer glaubt, Reichtum sei ein Zeichen von Gottes Gewogenheit, für den muss Armut ein Beweis spirituellen Versagens sein. Und so koppelt sich Hyper-Kapitalismus und Evangelikalismus zu einem extrem schädlichen, für die Betreiber aber lukrativem System—> prosperity gospel)
Eng verbunden mit dem prosperity Gospel ist auch Trumps Chiefs spiritual advisor Paula White:“When I walk on WH grounds, god walks in WH grounds“ Empfehlung:dieses Video von @FullFrontalSamB, in dem sie Whites Ansichten analysiert:
Laut Paula White ist ein Nein zu Trump ein Nein zu Gott - es steht also in der Zielgruppe überhaupt keine Alternative zur Debatte. Auch White ist nach dieser Logik von Gott erwählt: als prosperity gospel Televangelist hat sie ein Millionenvermögen erwirtschaftet.
Als Trump 2019 in Orlando ankündigt, wieder antreten zu wollen, betet White vorher auf der Rally vor der Menge und warnt vor dämonischen Kräften. Die Message: dieses sind die letzten Tage, der Messias braucht euch. (screenshot: @washingtonpost, washingtonpost.com/nation/2019/06…)
Die Ansichten der heutigen Evangelikalen wurzeln auch in der Verbindung, die Reagan mit white supremacy Christianity eingegangen ist - eine Verbindung, die unter anderem, zu der sog. „Satanic Panic“ in den 80er Jahren führte.
Wer es bis hierher geschafft hat - danke fürs Lesen. Ich führe das Thema gern bei Gelegenheit weiter aus. Zum Beispiel die Geschichte mit Reagan und dem Engel, der seiner Meinung nach eine Motivationsrede bei der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung hielt. Unter anderem.
Da einige gefragt haben - ich verfasse gern bald einen neuen Thread. Mögliche Themen wären zb: Pence und der Einfluss der Evangelikalen in Trumps Regierung, der Apokalypse-Kult und wie Trump ihn nutzt, Reagan & Ev., Televangelists, prosperity gospel. Was interessiert euch?
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