Ein häufiges Argument: Steigende Fallzahlen lassen sich nur interpretieren, wenn wir auch die Zahl der Tests berücksichtigen. Das stimmt natürlich grundsätzlich. Spielt aber in der aktuellen Situation keine große Rolle, glaube ich. Warum? Thread.
Disclaimer: Diese Frage gehört für mich zu den Allerkniffligsten bei der Interpretation von Corona-Zahlen. Daher ist das Folgende kein vertwitterter Zeitungstext (in dem möglichst alles stimmen sollte), sondern eher ein öffentliches Nachdenken. Und eine Einladung zur Diskussion.
Angenommen, jeden Tag würde eine bestimmte Anzahl zufällig ausgewählter Menschen auf Sars-Cov-2 getestet. Dann wäre die Zahl der positiven Tests nichtssagend, und nur der _Anteil_ der positiv Getesteten von Bedeutung.
So läuft es aber nicht. Tatsächlich erfolgen die Tests meistens verdachtsbezogen: Wegen einschlägigen Symptomen, Kontakt mit Infiziertem oder Aufenthalt in einem Risikogebiet. Definitiv keine Zufallsstichprobe.
Mehr Tests deuten also auf mehr Verdachtsfälle hin und sind für sich genommen schon ein Alarmsignal. Steigt dann auch noch die Rate der positiven Ergebnisse (wie vergangene Woche von 0,6% auf 0,8%), können wir fast sicher sein dass sich das Virus tatsächlich ausbreitet. 
Anders zu Beginn der Pandemie: Da gab es nicht genug Testkapazität. Die wurde dann Woche für Woche ausgebaut und es konnte jeweils mehr getestet werden. Das verfälscht die Entwicklung der Fallkurve (war aber nicht der Hauptgrund für steigende Zahlen, wie gelegentlich behauptet).
Seit mindestens Mitte April haben wir in Deutschland jedoch die Laborkapazitäten für Covid-19-Tests in keiner Woche auch nur annähernd ausgereizt. Wir könnten viel mehr testen. rki.de/DE/Content/Inf…
Zum internationalen Ländervergleich ist die Positivrate ein wichtiger Indikator. Wenn viele positive Fälle auf wenige Tests kommen, testet ein Land nicht genug. Das weist auf eine hohe Dunkelziffer hin. Vgl @ourworldindata: ourworldindata.org/coronavirus-te…
Wegen unterschiedlicher Test-Intensität sind die Fallzahlen international schwer zu vergleichen. Besser geeignet sind die Todeszahlen oder noch besser die Übersterblichkeit. economist.com/graphic-detail…
