Also: zunaechst einmal gebe ich dem Handelsblatt Artikel Recht. Es gibt diese Lagerbildung unter vielen deutschen Oekonomen, man sieht das hier auf Twitter in dem, was ich die Netzwerke @SDullien / @MFratzscher versus @FuestClemens / @Lars_Feld genannt habe.
Hier wird sich gegenseitig geliked, RTed, kommentiert, etc. Ich habe die Labels jetzt mal einfach aus den vier vom @handelsblatt destillierten Gruppen genommen, sie sind etwas austauschbar. Insofern ist es also nicht ganz richtig zu sagen, dass nur "Links-Econtwitter" gut
vernetzt ist. "Liberal-Econtwitter" ist das genauso und war es ja auch schon lange vor Twitter. Da gibt es jetzt hoechstens ungefaehr Waffengleichheit.
Was muss man aber an dem @handelsblatt Artikel kritisieren? Es gibt dort kleinere Schnitzer (hat nichts mit Monika zu tun) der Zuordnung und einen groesseren der Auslassung. Zunaechst zu den kleineren Schnitzern:
Das Label Neokeynesianer fuer @MFratzscher@jsuedekum@GrimmVeronika@PeterBofinger und Bert Ruerup ist merkwuerdig. Es soll hier irgendwie "mittiger Keynesianer" bedeuten. Dabei ist es allerdings schon peinlich, wenn die beiden Wirtschaftsjournalisten einen Begriff, der eine
klare Bedeutung hat, so falsch verwenden. Neokeynesianismus bezeichnet eine bestimmte makrooekonomische Modellklasse, die meines Wissens nach vor allem von @WielandVolker in Deutschland vorangetrieben wird (ironischerweise wird der hier als ordoliberal eingeordnet).
Am ehesten kann man @MFratzscher in diesem hergebrachten Sinne als Neokeynesianer bezeichnen muessen. @PeterBofinger hasst geradezu Neokeynesianismus und hat ihn mehrfach als Aberration bezeichnet. Die anderen sind hervorragende Oekonomen, aber keine Makrooekonomen, und damit
koennen Sie schon definitorisch keine Neokeynesianer sein. Das ist also eher peinlich von @MartinGreive und @DonataRiedel (die ich sonst sehr schaetze).
Aehnlich peinlich ist es wohl auch, den eigenen Chefoekonomen Bert Ruerup noch so prominent zu puschen.
Gerade im Links-Econtwitter wurden aber auch ganz einflussreiche Oekonomen einfach vergessen, etwa @MSchularick und @tom_krebs_ . Die Zuordnung von @GrimmVeronika und @MonikaSchnitzer in solche politischen Lager fand ich eher merkwuerdig.
Vor allem suggeriert der Artikel faelschlicherweise, dass alle Oekonomen in Deutschland sich in diese Labels einteilen lassen. Zum #kurzarbeitergeld haben etwa @makro_philip und @christianbaye13 eine ganz differenzierte Analyse vorgelegt, die quer gegen die beiden Bloecke geht.
@kuhnmo ist ein Oekonom, der in der Hartz IV Debatte bekanntermassen nichtlinke Positionen eingenommen hat, juengstens aber in der @NZZ vor den verteilungspolitischen Konsequenzen von lockerer Geldpolitik gewarnt hat: ist das liberal oder links?
Und im Konjunkturpaket #wumms wurde von der Koalition keine Richtung der beiden Lager verfolgt: die Linken bekamen kaum grosse Ausgabenprogramme, obwohl sie sich diese gewuenscht hatten. Und die Liberalen wollten Steuersenkungen am besten ohne Schulden.
Was wurde stattdessen gemacht: schuldenfinanzierte Steuersenkungen und Transfers. Vorgeschlagen von @christianbaye13 und meiner Wenigkeit hier (wenn auch schon vor der Krise):
Was aber viel wichtiger ist: es gibt in Deutschland so viel Oekonomentalent, die auch nicht im HB Artikel aufgefuehrt werden, und deren Ideen am Ende wichtiger sind als manche derjenigen, die da stehen:
Erster Eindruck über die Wahlen in den USA - noch lebt die amerikanische Demokratie.
Die Demokraten hatten einen guten Abend.
Mamdani - Bürgermeister in NYC geschenkt (ich finde den furchtbar).
Dass die Demokraten die Gouverneurswahlen in Virginia und New Jersey gewinnen -
klar, war zu erwarten. Aber die sich abzeichnenden Abstände sind schon groß und größer als die meisten Umfragen, die ich gesehen habe.
Selbst der in einen Skandal verwickelte Justizministerkandidat der Dems in Virginia gewann am Ende mit großem Vorsprung.
Für mich sind allerdings zwei andere Wahlen noch bedeutsamer: 1) Drei demokratische Verfassungsrichter in Pennsylvania wurden im Amt bestätigt. Das kann bei knappen Wahlen dort noch sehr bedeutsam werden.
Um was ich die Contrarian Meinungsunternehmer etwas beneide, ist, dass sie am Ende immer gewinnen, egal ob bei Corona, Vakzine, Russland, Aufrüstung, Meinungsfreiheit, Klima, etc. Sie betreiben keine saubere analytische Arbeit, sondern warten ab, bis sich ein
(Immer vorläufiger) wissenschaftlicher, politischer oder gesellschaftlicher Konsens gebildet hat, gegen den sie dann meinungsstark, aber analyse- und evidenzschwach auftreten. Danach aber gibt es dann zwei Entwicklungen, von denen sie immer profitieren werden:
1) Die Wirklichkeit entfaltet sich und ergibt ein komplexeres Bild. Deshalb gibt es Elemente im Konsens, die sich ex post als ungenau, ergänzungsbedürftig oder vielleicht sogar falsch erweisen. Diese Elemente überbetonen sie dann und sagen: Seht ihr, ich hatte schon immer Recht.
Was ich sowieso nicht verstehe: Warum geht es den “Es gibt nur zwei Geschlechter”-Leuten nicht eigentlich um Folgendes: OK, wir akzeptieren, dass es neben biologischen Determinationen (wobei Intersexualität ja auch eine solche ist), bei freiheitlich-reflexiven Wesen auch
Selbstdeterminationen geben kann, die (scheinbar) anders lauten als die biologischen Determinationen (eigentlich sind sie nicht im Widerspruch, da auf unterschiedlichen Ebenen laufend), die eigentlich entscheidende Frage ist aber doch in wie weit auch ein
liberaler Staat und Gesellschaft diese Selbstdeterminationen praktisch akzeptieren muss?
Das scheint mir doch die eigentliche Frage zu sein statt ihren Kopf mit der Biologie an die Wand zu rennen.
Ich werde immer wieder gefragt, warum 1) so wenig von den Demokraten zu hoeren ist, und 2) warum es scheinbar so wenig gesellschaftlichen Widerstand gegen das Trumpregime gibt.
Ein Faden mit dem Versuch einer Erklaerung:
1) Ein Grund duerfte natuerlich inzwischen auch wirklich persoenliche Einschuechterung, Angst um die persoenliche soziokulturelle Existenz, vor allem aber auch der Familien sein.
Und wer kann es Ihnen angesichts des immer extremer werdenden Autoritarismus des Trumpregimes verdenken?
Zur möglichen Affäre um Jens #Spahn : Ich finde, wir müssen hier sehr genau differenzieren. Was für mich NICHT kritikwürdig ist: Dass, jedenfalls zu einem bestimmten frühen Zeitpunkt der Pandemie im Frühjahr und Frühsommer 2020, bei all der Unsicherheit über deren
Gefährlichkeit, bei der Unklarheit, wie man ihrer Herr werden kann, etc. Masken zu einem Preis gekauft wurden, der vllt zu einem späteren Zeitpunkt der Pandemie als überteuert zu gelten hätte, oder den man dann ex post, mit dem späteren Wissen auch für 2020 als zu hoch empfindet.
Das Gegenteil ist der Fall: bei dem Stand des damaligen Wissens wäre das unter Umständen die kluge Politik gewesen, wie ÖkonomInnen wie ich, aber auch andere immer wieder betont hatten (@MSchularick @christianbaye13 etc.) Der Staat musste Interesse an den Markt signalisieren,
Also, ich wage mal eine erste, sehr vorsichtige Einschaetzung, obwohl ich #PopeLeo als Bischof oder Kardinal gar nicht naeher kenne. Ich interpretiere hier nur die Observables im Lichte des Horizonts der Zeit:
1) Die Kardinaele wollten nach (dem etwas provinziellen) Franziskus einen wahrhaft globalen - sollen wir sagen katholischen im Wortsinne - Papst. Er ist von Geburt Amerikaner, der quintessential nation. War Missionar und Bischof im Globalen Sueden, Peru.
Er war Leiter des Augustinerordens weltweit, ist also auch ein Ordensmann. Er spricht viele und vor allem die fuer die katholische Welt wichtigen Sprachen (sein Latein war gerade eben beim Segen noch etwas verbesserungsfaehig).