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Sep 7, 2020 18 tweets 11 min read Read on X
Thread zu diesem @handelsblatt Artikel von @MartinGreive und @DonataRiedel der von @ThomasSigmundHB gepuscht wurde und einiges an Wellen verursacht hat im deutschen #Econtwitter

handelsblatt.com/politik/deutsc…
Also: zunaechst einmal gebe ich dem Handelsblatt Artikel Recht. Es gibt diese Lagerbildung unter vielen deutschen Oekonomen, man sieht das hier auf Twitter in dem, was ich die Netzwerke @SDullien / @MFratzscher versus @FuestClemens / @Lars_Feld genannt habe.
Hier wird sich gegenseitig geliked, RTed, kommentiert, etc. Ich habe die Labels jetzt mal einfach aus den vier vom @handelsblatt destillierten Gruppen genommen, sie sind etwas austauschbar. Insofern ist es also nicht ganz richtig zu sagen, dass nur "Links-Econtwitter" gut
vernetzt ist. "Liberal-Econtwitter" ist das genauso und war es ja auch schon lange vor Twitter. Da gibt es jetzt hoechstens ungefaehr Waffengleichheit.
Was muss man aber an dem @handelsblatt Artikel kritisieren? Es gibt dort kleinere Schnitzer (hat nichts mit Monika zu tun) der Zuordnung und einen groesseren der Auslassung. Zunaechst zu den kleineren Schnitzern:
Das Label Neokeynesianer fuer @MFratzscher @jsuedekum @GrimmVeronika @PeterBofinger und Bert Ruerup ist merkwuerdig. Es soll hier irgendwie "mittiger Keynesianer" bedeuten. Dabei ist es allerdings schon peinlich, wenn die beiden Wirtschaftsjournalisten einen Begriff, der eine
klare Bedeutung hat, so falsch verwenden. Neokeynesianismus bezeichnet eine bestimmte makrooekonomische Modellklasse, die meines Wissens nach vor allem von @WielandVolker in Deutschland vorangetrieben wird (ironischerweise wird der hier als ordoliberal eingeordnet).
Am ehesten kann man @MFratzscher in diesem hergebrachten Sinne als Neokeynesianer bezeichnen muessen. @PeterBofinger hasst geradezu Neokeynesianismus und hat ihn mehrfach als Aberration bezeichnet. Die anderen sind hervorragende Oekonomen, aber keine Makrooekonomen, und damit
koennen Sie schon definitorisch keine Neokeynesianer sein. Das ist also eher peinlich von @MartinGreive und @DonataRiedel (die ich sonst sehr schaetze).

Aehnlich peinlich ist es wohl auch, den eigenen Chefoekonomen Bert Ruerup noch so prominent zu puschen.
Gerade im Links-Econtwitter wurden aber auch ganz einflussreiche Oekonomen einfach vergessen, etwa @MSchularick und @tom_krebs_ . Die Zuordnung von @GrimmVeronika und @MonikaSchnitzer in solche politischen Lager fand ich eher merkwuerdig.
Vor allem suggeriert der Artikel faelschlicherweise, dass alle Oekonomen in Deutschland sich in diese Labels einteilen lassen. Zum #kurzarbeitergeld haben etwa @makro_philip und @christianbaye13 eine ganz differenzierte Analyse vorgelegt, die quer gegen die beiden Bloecke geht.
@kuhnmo ist ein Oekonom, der in der Hartz IV Debatte bekanntermassen nichtlinke Positionen eingenommen hat, juengstens aber in der @NZZ vor den verteilungspolitischen Konsequenzen von lockerer Geldpolitik gewarnt hat: ist das liberal oder links?

Und im Konjunkturpaket #wumms wurde von der Koalition keine Richtung der beiden Lager verfolgt: die Linken bekamen kaum grosse Ausgabenprogramme, obwohl sie sich diese gewuenscht hatten. Und die Liberalen wollten Steuersenkungen am besten ohne Schulden.
Was wurde stattdessen gemacht: schuldenfinanzierte Steuersenkungen und Transfers. Vorgeschlagen von @christianbaye13 und meiner Wenigkeit hier (wenn auch schon vor der Krise):

faz.net/aktuell/wirtsc…
Was aber viel wichtiger ist: es gibt in Deutschland so viel Oekonomentalent, die auch nicht im HB Artikel aufgefuehrt werden, und deren Ideen am Ende wichtiger sind als manche derjenigen, die da stehen:
@KaasLeo @bornecon @TertiltMichele @JanKrahnen @APeichl @D_Langenmayr @haucap um nur mal ein paar zu nennen... und ich vergesse so viele...

Thread End.

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Oct 1
Vielleicht nicht das Wichtigste am heutigen Tage, aber da ich drauf angesprochen wurde, will ich diesen Tweet kurz kommentieren. Was kann ich auch sonst tun?
@JuliaKloeckner hat viel Kritik einstecken muessen, aber zunaechst einmal spricht sie von einem richtigen Zusammenhang: sinkende Nachfrage fuehrt idR zu sinkender Inflation.
Aber: Erstens ist das der Punkt einer restriktiven Zinspolitik durch die EZB: Nachfrage zurueckdraengen, um Produktionsmoeglichkeiten und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen. NB: dazu ist, wie wir gesehen haben, KEINE Arbeitslosigkeit noetig (wie viele befuerchtet hatten).
Read 7 tweets
Aug 13
Hat etwas gedauert (ja, ich habe tatsaechlich einen Job), aber ich hatte ja einen Erklaerthread zum Zusammenhang zwischen dem Budgetdefizit des Staates und Inflation versprochen. Das will ich nun nachholen. Dieser etwas verunglueckte Tweet von @schieritz soll dabei nur als
Aufhaenger dienen. Mir geht es hauptsaechlich um die existierende oekonomische Theorie. Ich werde zu zeigen versuchen, dass es eigentlich nahezu Konsens ueber ganz verschiedene Modelle hinweg ist, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen Budgetdefizit und Inflation gibt.
Bereits im einfachsten Keynesianischen ISLM-ADAS Modell (Makro 101) wirkt ein erhoehtes Budgetdefizit nachfragewirksam, entweder in dem es direkt Staatsnachfrage erhoeht oder private Nachfrage (Ricardianische Aequivalenz gelte annahmegemaess nicht).
Read 30 tweets
Aug 10
Neue, hochqualitative Umfrageergebnisse aus MI, WI, PA in der NYT/Siena Umfrage. Deutlicher Vorsprung von Harris in allen drei Staaten. Ein Mini-🧵!

nytimes.com/2024/08/10/us/…
Ganz wichtig: “As recently as a few months ago, Democratic Senate candidates were running far ahead of Mr. Biden, a sign of the president’s weakness. Ms. Harris, by comparison, is running roughly on par with her party’s Senate contenders in the three states.”
Das lässt vermuten, dass es wirklich einen negativen Biden Effekt gab in diesen Staaten und dass der Fundamentalwert für Team Blau dort deutlich höher liegt.
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Jul 31
Abgesehen davon, dass hier nicht mal Äpfel mit Birnen verglichen werden, versuchen wir es doch wieder mal mit einer internen Konsistenzprüfung: Warum sagen eigentlich Tankie-Ole und Co den Palästinensern nicht:
“Ergebt euch um des Friedens willen! Ihr wollt ja auch nur einen Nationalstaat, der dann Böses tut. Ich verstehe schon, dass Amerika und Israel imperialistische Mächte sind, aber, let’s face it, die sind nun mal stärker als ihr. Also: um das Leiden zu beenden, unterwerft euch.”
Das wäre doch dann konsistent mit seiner Ukraineposition. Und vor allem: den dann unterworfenen Palästinensern selbst im schlimmstmoeglichen Apartheidsstaat Israel ginge es vermutlich unendlich besser als den Ukrainern unter russischer Besatzung.
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Jul 26
Nachdem jetzt alle auf @nymoen_ole drauf gehauen haben, vor allem moralisch (was ich gut verstehen kann), nachdem manche sogar mich nach Ole gefragt haben (🤔), möchte ich hier mal einen analytischen Punkt machen:
Ich behaupte: Oles Position läuft letztlich auf einen radikalen Individualismus hinaus, der die Bedingung der Möglichkeit jeglicher Gesellschaft, nicht nur die von Nationalstaaten, negiert. Ole hat folgenden rhetorischen Kniff angewandt: er hat die, die ihn kritisierten als
Nationalisten bezeichnet. Natürlich mögen nur wenige Menschen noch Nationalisten sein, also kamen sie ins Schwimmen. Das war aber nur ein rhetorisches Mätzchen. Nun gut, dann bin ich eben ein Nationalist, und zwar in folgendem Sinne:
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Jul 17
Dies! Und übrigens das von JD Vance auch. Wie bekommt man die Weltbilder von Peter Thiel und Patrick Deneen zusammen? Neofeudalismus! Die mit einer Scholle verbundenen lokalen mehr oder weniger ökonomisch suffizienten Communities werden von Feudalherren wie Musk und Thiel
in ihrem außerhalb der Scholle stattfindenden Alltag total beherrscht. Politisch und militärisch abgesichert von einem “Kaiser” Vance, der aber keineswegs unabhängig von den Feudalherren/Kurfürsten ist. Vielleicht sind diese Feudalherren nach außen sogar erst mal friedlich.
Nur für wie lange? Auch noch unklar: werden echte Bischöfe wieder als Fürstbischöfe in den Kreis der Feudalherren treten (wie das Deneen und Vermeulen, Vance?, eventuell gerne hätten) oder ist das vorbei? Angesichts von Thiel und Musk kann man es vielleicht sogar hoffen, dass
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