Wenn Schüler*innen erzählen, dann schreiben sie oft Geschichten über *Mobbing*.
Das irritiert mich zuweilen. Nicht weil das Thema nicht wichtig oder erzählerisch interessant wäre, sondern weil dahinter implizite Annahmen aufblitzen. #fddeutsch
Die erste Annahme betrifft Erzählungen: Sie würden dann als deep angesehen, wenn eine Leidensgeschichte in einem kulturell verankerten Frame dargestellt wird. Die Annahme betrifft besonders Lehrpersonen: Weil die Mobbing ernst nehmen, schreiben S*S darüber.
Was ich mir wünschen würde: Dass Jugendliche von ihren Wahrnehmungen erzählen, nicht von Konzepten, die Erwachsene ihnen vorlegen. Das wäre auch bei Mobbing möglich, aber so sind die Texte nicht erzählt. Der typische Verlauf:
»Mona ist in ein neues Quartier gezogen und am ersten Schultag etwas unsicher. Die Lehrerin ist nett, nicht aber Kevin: Grundlos macht er sich über Monas Aussehen lustig; sofort sind alle fies zu Mona. Bis eines Tages der kluge Jens sich neben Mona setzt…«
Die zweite Annahme betrifft Mobbing: Mobbing wird als zusammenhangslose Abwertung durch einzelne dargestellt, der Erwachsene hilflos gegenüberstehen. Nur charismatische Held*innen können etwas tun.
Was dabei untergeht: Mobbing bedeutet, dass eine Gruppe ihre Identität aus der Abwertung derjenigen bezieht, die auch gerne zur Gruppe gehören würden. Mobbing hört auf, wenn dieser Wunsch verschwindet oder sich die Identität ändert.
Prävention bedeutet, Gruppen eine positive Identität zu geben. Das ist es, was Erwachsene tun können und sollten.
Erschütternd ist nun: Kinder schreiben über Mobbing, *weil* Lehrpersonen das erwarten; stellen diese darin jedoch als ohnmächtig dar.
Die »Mami«-Geschichte ist ein Lehrstück, wie schlechter rechter Journalismus Menschen empört, statt nachdenken zu lassen.
Worum gehts?
Ein Dienst der Stadt Zürich hat einen Newsletter verschickt. Darin steht wohl, es wäre sinnvoll, Elternteile von Kindern nicht »Mami« zu nennen.
Wie ist das gemeint?
Gemeint ist, nicht generisch zu sagen: »Hast du Mami gefragt?«, »Das muss s’Mami entscheiden.«, wenn man
a) nicht weiß, in welchen Verhältnisse ein Kind lebt
b) nicht weiß, wer zuhause ist und entscheidet.
[Hier kommt das Principle of Charity ins Spiel: Guter Journalismus rekonstruiert die sinnvollste Version einer Aussage. Schlechter rechter Journalismus konstruiert immer die ungünstigste Interpretation.]
In einem Monat finden an den Zürcher Gymnasien die Aufnahmeprüfungen (ZAP) statt. Dieses Jahr gibt es u.a. zwei Änderungen, die deutlich machen, wo die Probleme einer restriktiven Aufnahmepraxis durch eine selektive Prüfung liegen.
Ganz grundsätzlich ist das Problem, dass der Kanton Zürich den Zugang von Jugendlichen an allgemeinbildende Schulen künstlich beschränkt. Aus ökonomischen Gründen. Deshalb braucht es Selektion, die nur unfair sein kann.
Ein Lossystem, das ich letztes Jahr ins Spiel gebracht habe, würde das für die Bevölkerung deutlich machen. Wie auch immer: Aktuell entscheidet eine Kombination auf Prüfungsleistung, die sozial normiert wird, und Vorschlagsnoten.
Der Umfrage-Trick zum Gendern:
Weil in einer NZZ-Umfrage viele Teilnehmende dem Gender-Stern nicht zustimmen, soll er verboten werden.
In dieser Vorstellung stecken mehrere Fehlargumente:
(1)
Verwaltungen sollten nicht so schreiben, wie es sich die Mehrheit wünscht, sondern wie es für die Bevölkerung am besten ist. (Und es ist wahrscheinlich am besten, wenn alle Personen mitgemeint sind.)
(2) Wenn eine Mehrheit eine Meinung hat, ist das kein Grund, andere Verfahren zu verbieten. Bei Sprache ist die richtige Lösung immer die liberale: alle Menschen so sprechen und reden lassen, wie sie es möchten und sinnvoll finden.
Das Interview mit Andrea Franc und der Umgang damit ist ein Lehrstück für das Versagen des Schweizer Qualitätsjournalismus. 🧵
(1/11)
Andrea Franc ist Historikerin, die mehrmals Aufträge für »economiesuisse« durchgeführt hat. Der Wirtschaftsverband hat ihr die Publikation einer Monografie mit Übersetzung ermöglicht. dg.philhist.unibas.ch/de/personen/an…
(2/11)
»economiesuisse« fordert seit über 10 Jahren, die Schweizer Hochschulen sollten sich stärker am Arbeitsmarkt ausrichten und dazu z.B. Studiengebühren erhöhen (indem sie z.B. lohnabhängig oder rückzahlbar gestaltet werden).
Keynote von @LarsMecklen zu @pruefungskultur:
Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass Prüfungen alles beeinflussen und teilweise überschreiben, was Lernen wertvoll, wichtig und lustvoll macht. #wildcampenbw
@LarsMecklen@pruefungskultur Medienwandel führt zu Komplexitätssteigerungen ➡️ Gesellschaft wird komplexer und muss sich darauf einlassen. Das ist der Kontext der Frage, was eine »zeitgemäße Prüfungskultur« ist – zunächst also eine hinreichend komplexe.