"Im Keller der einfachen Rechnungen": Vorgestern habe ich beim Kolumnenschreiben zwei Stunden damit zugebracht, nach der Quelle eines Leibniz-Zitats über Rechenmaschinen zu suchen. Weil die Details in der Kolumne keinen Platz hatten und das Zitat beliebt ist, hier, Thread:
Zum ersten Mal gesehen hatte ich es in einem Spiegel-Artikel von 1987, diesem hier spiegel.de/spiegel/print/… Lesen lohnt sich, er ist äußerst lustig. "Chippies" kommen drin vor!
Im Spiegel-Artikel lautet das Zitat "Es ist eines ausgezeichneten Mannes nicht würdig, wertvolle Stunden wie ein Sklave im Kerker der einfachen Rechnungen zu verbringen. Diese Aufgaben könnten ohne Besorgnis abgegeben werden, wenn wir Maschinen hätten."
Da auf meiner Lessons-Learned-Liste schon seit vielen Jahren steht "immer noch mal in die Originalquelle gucken", dachte ich, das geht doch sicher schnell, bei Leibniz gibt es keine Urheberrechtsprobleme, er ist ja schon eine Weile tot.
Die Version "im Kerker der einfachen Rechnungen" steht wirklich nur im Spiegel und sonst nirgends. Sucht man nach anderen Teilen des Zitat, findet man es aber an vielen Stellen als "im Keller der einfachen Rechnungen".
Leider überall ohne Quellenangabe, meistens steht nicht mal eine Jahreszahl dran. Und wenn doch, ist es nicht immer dieselbe.
Nach einer Weile deutete manches darauf hin, dass das Zitat aus "Machina arithmetica in qua non additio tantum et substractio sed et multiplicatio nullo, divisio vero paene nullo animi labore peragatur" stammt. Leider ein Manuskript.
An dieser Stelle lade ich jetzt ungefähr eine Stunde lang die PDFs verschiedener Leibniz-Ausgaben herunter und suche darin herum. Sind nicht ganz leicht zu finden, aber hey, überraschenderweise komplett legal verfügbar!
Das Zitat steht leider in keinem der vielen Bände. Aber falls ich in Zukunft noch mal irgendwas von Leibniz brauchen sollte, bin ich jetzt gut ausgestattet.
Zurück zu Google. Oft hilft es ja, nach einem Wort zu suchen, das im Zitat ganz bestimmt vorkommen muss. Problem bei lateinischen Zitaten: mit welcher verdammten Endung? Ich habe einige Wörter vergeblich durchprobiert, als Treffer erwies sich dann "horas". Hurra horas!
Originalzitat: "Indignum enim est excellentium virorum horas servili calculandi labore perire, qui Machina adhibita vilissimo cuique secure transcribi posset." Eigentlich steht da also ... naja, jedenfalls nicht das, was meistens zitiert wird.
Leibniz will nicht sagen, dass man die Arbeit direkt der Maschine überlassen kann, sondern nur, dass die "ausgezeichneten Männer" mehr Zeit für ihre ausgezeichnete Arbeit haben, wenn man das Rechnen an irgendeine weniger ausgezeichnete Person abgeben kann.
Und wo ist der "Keller der einfachen Rechnungen" hin? Ich weiß es auch nicht, aber ich habe eine Vermutung. Das lateinische Zitat wird in Quellenangaben gelegentlich gemeinsam mit einer englischen Übersetzung von Mark Kormes aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert erwähnt.
Mark Kormes: "For it is unworthy of excellent men to lose hours like slaves in the labor of calculation, which could be safely relegated to anyone else if the machine were used."
Schmutziger Verdacht: Irgendwann mal hat jemand das Zitat mangels Zugriff auf das lateinische Original aus der englischen Kormes-Version ins Deutsche übersetzt, und diese Person konnte vielleicht nicht so gut Englisch.
"Im Labor der Berechnungen", dachte diese Person vielleicht, "nee, hm, wo macht man denn Berechnungen, wenn man ein Sklave ist ... im Kerker? im Keller? Egal, ich schreib mal Keller, guckt doch eh keiner ins Original."
(Sicherheitshalber dazugesagt: "the labor of calculation" ist überhaupt kein Labor und schon gar kein Keller, es handelt sich um die ARBEIT.)
Vielleicht war es so, vielleicht war es auch ganz anders. Ich habe selbst viel zu oft zitiert, ohne in die Originalquelle zu gucken, und ich mache diesen Fehler zwar jetzt seltener, aber manchmal reicht die Zeit einfach nicht. Wie gesagt, zwei Stunden. Hier endet die Geschichte.
Weil so ein Thread sich manchmal unübersichtlich verzweigt, baue ich mal noch schöne Ergänzungen an die Hauptstraße an: Max Friedrich Hartmann zu den Schwierigkeiten mit Leibniz-Handschriften
Was ich über Amseln dazugelernt habe, ein lebensverbessernder Thread für alle, die so wenig über Amseln wissen wie ich vor einem Jahr, und die Amseln in ihrer Nähe:
Brauchen kann man das Amselwissen vor allem in der Zeit von April bis Ende Juni, wenn gebrütet wird. Den Rest des Jahres sind Amseln eher private Vögel.
Vom Thema Badewasser (täglich wechseln) war hier schon die Rede
Tweets zum Thema Taschenrechner, ich verfolge das aus @techniktagebuch-Gründen, werden nur von drei Bevölkerungsgruppen geschrieben, nämlich:
@techniktagebuch 1. Jugendliche (a. "wir schreiben heute Prüfung und dürfen keinen Taschenrechner, ich will mein Homeschooling zurück" / b. "'Später werdet ihr auch nicht immer einen Taschenrechner dabeihaben' – Äh doch, Herr Soundso!")
@techniktagebuch 2. deren Eltern, wenn sie nicht so reich sind: "WTF die Schule schreibt einen ganz bestimmten Taschenrechner für x00 Euro vor woher soll ich das Geld bitte nehmen"
Was habt ihr eigentlich für Verfahren, um bei Twitter in unter acht Stunden Suche Sachen wiederzufinden, die ihr hier gesehen habt ("es ist doch höchstens ein, zwei Wochen her!")?
Hier ungefähr so: 1. Suche in Tweetdeck - ganz gut für Neues, aber zum Wiederfinden eigentlich immer erfolglos. 2. Suche mit twitter.com/search-advanced, Option "people I follow" - klappt manchmal 3. (bitte umblättern)
3. Suche in den eigenen Likes bei pinboard.in - ist kostenpflichtig, funktioniert dafür aber fast immer (wenn ich vorausschauend ein Like vergeben habe und mich an ein passendes Suchstichwort erinnere)
das Fühl wenn der Zeichner nur mal kurz weg musste und jetzt wartest du seit 1850 auf deine Nuss
erwarte trauriges Gedicht von @clemensetz wieso ist es noch nicht da
@clemensetz ich nage an
der NUSS aus Luft
der Kupferstecher
ist ein Schuft
die NUSS ist
eine leichte Bürde
mein Los ist schwer
ich trag's in Würde
und wenns noch
100 Jahre dauert
ihr schaut auf meine NUSS
und trauert
"I had improbably high standards for boring photos, and I realize that it barely matters now, but here's a bullet list of some of the rules I made myself follow"
Gestern bin ich von einem Nachbarn überraschend in Handwerksdingen beraten worden und habe für eine Viertelstunde überhaupt nicht ans Abstandhalten gedacht, während wir uns gemeinsam über Dinge beugten. Zweierlei dazugelernt:
Erstens bin ich offenbar nicht generell vorsichtig, sondern nur vorsichtig so lange nichts anderes meine Konzentration verschlingt. Und es ist also noch etwas absurder, als ich sowieso schon dachte, von Schulkindern zu erwarten, dass sie das können.
Zweitens wäre ich dankbar gewesen, wenn mich jemand anders (z.B. die dabeistehende dritte Person) ans Abstandhalten erinnert hätte. Man hat also als dabeistehende dritte Person unter Umständen* diesen Job.
* leider schwierig zu erkennen, wann man sich bloß unbeliebt macht damit