Ich verwende manchmal den Hashtag #RechtAufLeben, wenn es um #Durchseuchung geht. Doch welche Stellung kommt dem Recht auf Leben und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit rechtlich, moralisch und gesellschaftlich zu? Ein Thread voller Fragen. 1/
Naiverweise würde man denken, dass das Recht auf Leben fraglos ist. Mord und Totschlag sind verboten, gesellschaftlich geächtet und unzweifelhaft unethisch.
Auch garantiert das GG das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG. de.wikipedia.org/wiki/Artikel_2… 2/
Doch der Teufel steckt im Detail. Es ist umstritten, wann das Leben beginnt und wann es endet. Es ist umstritten, ob man unter besonderen Umständen töten darf (Krieg, finaler Rettungsschuss, aktive Sterbehilfe). 3/
Und es ist umstritten, welche Anstrengungen unternommen werden müssen, um Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen, inwiefern der Staat also eine Schutzpflicht hat. Dieser letzte Punkt ist besonders relevant in der Pandemie. 4/
Sollte die Erhaltung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit uneingeschränkte Priorität haben? Das hätte radikale Konsequenzen: Wir dürften nicht auch nur das geringste Risiko für die Gesundheit von uns oder von anderen eingehen. Das wäre von zweifelhaftem Wert. 5/
Man überlege Folgendes: Würden wir den größtmöglichen Aufwand betreiben, nur um eine einzige Sekunde länger zu leben? Und würden wir möglichst nicht aus dem Haus gehen, nur um nicht in einen Verkehrsunfall zu geraten? 6/
Sowas könnte in einer Pandemie zwar sinnvoll sein. Aber es ist durchaus nachvollziehbar, dass laut BVerfG der Staat keinen maximalen, sondern nur einen hinreichenden Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit schuldig ist. uni-saarland.de/fileadmin/user… 7/
Daher hat der Staat in Bezug auf seine Schutzpflicht einen weiten Ermessensspielraum. Allerdings gilt das "Untermaßverbot". Z.B. muss laut dieser Rechtsprofessorin der Staat eine Maskenpflicht auch während des Unterrichts einführen.
Nun stellt sich die Frage, ob es wohl mit dem Recht auf Leben zu vereinbaren wäre, durch #Durchseuchung Herdenimmunität zu erlangen. Ich hoffe doch, nein! 10/
Denn die Situation scheint mir im Wesentlichen analog zu sein zum Abschuss eines entführten Flugzeug, welches das BVerfG verboten hat. Bei Durchseuchung würden viele Menschen sterben, mithin als bloßes Mittel für einen anderen Zweck eingesetzt. bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pre… 11/
Anders sähe es wohl aus, wenn Durchseuchung zwar nicht beabsichtigt wäre, ein Mangel an Maßnahmen aber darauf hinauslaufen würde. Hier müsste das Untermaßverbot greifen, zumindest hoffe ich das. Aber wer weiß. 12/
Offenbar besteht Einigkeit darüber, dass kein Rechtsanspruch auf eine Eindämmung des Virus besteht. Da greift der Ermessensspielraum des Gesetzgebers.
Doch es gilt der Satz Kants: "Juristen sind Experten dafür, wie die Gesetze sind, aber nicht dafür, wie sie sein sollten." 13/
Mir scheint, dass dem Gesetzgeber nicht nur ein Ermessensspielraum zugebilligt wird, welche Maßnahmen das Leben am besten schützen, sondern auch, wie das Recht auf Leben gegen andere Rechtsgüter abgewägt wird. Und das finde ich problematisch. 14/
Letztere Frage lässt sich schwer allgemein beantworten. Aber das Recht auf Leben hat nach meinem Empfinden einen zu niedrigen Wert in der Rechtsprechung. Man sollte z.B. einklagen können, dass der Staat Gesetze zur Reinhaltung der Luft erlässt. 15/
Angesichts der großen Gefährlichkeit von Covid-19 und der Möglichkeit der Eindämmung des Virus sollte auch hier eine Schutzpflicht gelten insofern, als der Gesetzgeber verpflichtet sein sollte, angemessene Maßnahmen zur Eindämmung zu ergreifen. 16/
Das erfordert keinen harten Lockdown, aber Maßnahmen, die den R-Wert längerfristig unter 1 senken, bis die Neuinfektionen ein niedriges Niveau erreicht haben. Eingriffe ins Eigentum könnten finanziell ausgeglichen werden. 17/
Freizügigkeit und freie Entfaltung der Persönlichkeit sind nachrangig. Die Rechtmäßigkeit der Quarantäne ist ohnehin unbestritten.
So ist die Rechtssituation nicht, aber so würde ich sie mir wünschen. 18/
Die gesellschaftliche Entwicklung geht aber gerade in die andere Richtung. Man hört, die Toten wären doch ohnehin gestorben, es sei normal zu sterben, usw. Für viele Menschen ist es akzeptabel, wenn andere sterben, nur damit sie sich nicht einschränken müssen. 19/
Zuletzt noch eine Bemerkung: Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet und schon gar kein Jurist. Mir geht es nur darum, mal meine Gedanken zu dem Thema aufzuschreiben. 20/
Das wird der Ethik von Public Health als Paradebeispiel dienen: Ist es zulässig, einen Public Health-Plan mit EXTREM hohen Risiken zu verfolgen, dessen Erfolgschancen aber völlig ungewiss und mit enormen Kollateralschäden verbunden sind? 1/
Drostens Plan ist, dass wir uns immer weiter infizieren, damit das Virus irgendwann harmlos wird. Ich sehe die Evidenz dafür nicht, dass das so eintreten wird, und die Theorien dafür sind sehr vage. Auch gibt es keinen Expertenkonsens diesbezüglich. 2/
Drosten sprach ursprünglich davon, dass zwei oder drei Infektionen dafür sorgen würden, dass wir uns jahrelang nicht wieder infizieren würden. 3/
Es ist wieder Zeit für #BedingtBehandlungsbereit: Die Situation in den Kliniken beginnt sich zuzuspitzen. Ich sammle unter diesem Hashtag Berichte zur Versorgungslage. Über Hinweise freue ich mich jederzeit. 1/
Triage findet nicht erst statt, wenn Ärzte in einem geregelten Verfahren darüber beraten, welche Patienten noch versorgt werden können. Es gibt sie bereits in der Notfallversorgung auf ungeregeltem Weg. #StilleTriage #BedingtBehandlungsbereit 2/
Acht Stunden liegen im Krankenhausflur, weil die Zimmer voll mit Covid-Patienten sind. Das war schon vor mehr als einer Woche so. Ich bin etwas spät dran mit diesem Thread. #BedingtBehandlungsbereit 3/
Ich habe eine Denkschrift zur Ethik des weiteren Umgang mit Covid geschrieben. Das hat mich die letzten Monate auf Trab gehalten. Über zahlreiche Retweets würde ich mich freuen. 1/ open.substack.com/pub/michaelobe…
Die vielfältigen Schäden, die Covid anrichtet, erfordern auch in der beginnenden Endemie (oder dem Übergang dorthin) eine Niedriginzidenzstrategie. Infektionsschutz ist nicht Privatsache - jeder hat ein Recht geschützt zu werden, insbesondere aber die Hochvulnerablen. 2/
Das bedeutet jedoch nicht, dass Infektionsschutz absolute Priorität über alles andere hätte. Es gibt im Rahmen der persönlichen Autonomie einen gewissen Spielraum, andere Sachen zu priorisieren. 3/
Es gibt kein Covid Anxiety Syndrome. Was es aber gibt, ist das Covid Is Over Syndrome (COIS). COIS zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus: verywellmind.com/what-is-covid-…
🤔 Unfähigkeit, Evidenz anzuerkennen und sich danach zu richten,
🤔 mangelndes Vermögen, eine hochwertige Maske korrekt zu tragen,
🤔 der illusionäre Glaube unverwundbar zu sein,
🤔 zwanghaftes Verweisen auf das Nichtbestehen einer Maskenpflicht,
🤔 fehlende Resilienz gegenüber Gruppendruck,
🤔 Neigung zu Logikfehlern (z.B., sich mit Infektionen vor Infektionen schützen wollen, goldene Mitte),
🤔 Mangel an Empathie gegenüber Kranken oder von Krankheit Gefährdeten,
Diese Studie zeigt im Wesentlichen, dass es keine gute molekulargenetische Evidenz dafür gibt, dass OC43 zur Zeit der Russischen Grippe ab 1889 aufgekommen ist. Denn das Konfidenzintervall ist riesig - von 1835 bis 1953.
Es wird gerne so getan, als würden alle Coronaviren zunächst eine schwere Pandemie auslösen und dann wegen der entstandenen Immunität harmlos werden - mit OC43 als Beispiel. 2/
Die Autoren machen den plausiblen, wenn auch spekulativen Vorschlag, dass OC43 stattdessen das "pandemische Ereignis" von 1899/1900 ausgelöst hat. Das hat zwar auch zu einer hohen Übersterblichkeit geführt, doch die war nicht so groß wie bei der Russischen Grippe. 3/
Enttäuschend. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Art 2 Abs 2 GG nur ein zahnloser Tiger ist - zwar gut genug, um Impfgegner vor einer Impfpflicht zu schützen, aber zu schwach, um uns vor einer im Wortsinn lebensbedrohlichen Durchseuchungspolitik zu bewahren. 🧵 1/
Da noch nicht mal eine Begründung der Nichtzulassung der Klage ergangen ist, erscheint es nicht undenkbar, dass die Klageschrift aus formellen Gründen abgelehnt wurde. 2/
Doch meiner Wahrnehmung nach sind die meisten Verfassungsjurist:innen nicht geneigt, das Untermaßverbot in Bezug auf das Recht auf Leben und Gesundheit als durch unseren mangelnden Infektionsschutz verletzt anzusehen. Warum ist das so? 3/