Da dieses sehr schlecht informierte Bahnhofsranking der Vice gerade die Runde macht, gebe ich hier mal on popular demand eine fachgerechte Einschätzung ab. Ein Ranking wird es allerdings nicht geben, das ist unprofessionell und wird von uns Bahnhofsexpert*innen nur belächelt.
1. Der Hannoveraner Hbf ist ein Shithole, das seinesgleichen sucht. Die Imbisse sind allesamt widerwärtig (ich habe jedes einzelne ausgetestet), der Anschluss an die Regios extrem verwirrend, allerdings gibt es davor eine (furchtbare) Partymeile. Wird der Stadt nicht gerecht!
2. Göttingen: Ein Nichtbahnhof, es ist unmöglich etwas davon in Erinnerung zu behalten, man steht am Gleis, dann steht man draußen. Dort gibt es allerdings im Winter gute Stände mit Bratwurst und solchem Zeug. Also nicht ganz unangenehm.
3. Eschweiler Hbf: The horror, the horror. Vier Gleise, die sich durchs Nirgendwo ziehen, darüber das holzverrammelte Provisorium einer 'Brücke', die jederzeit einstürzen kann. Sogar der DB ist es zu dumm diesen Bahnhof anzufahren, weshalb man hier lange steht, allein, im Kalten.
4. Berlin Hbf: So unfähig wie die Stadt selbst. Man hat sich Mühe gegeben, jede schlechte Idee gleichzeitig zu verwirklichen. Übereinandergestapelte Rolltreppen, verstopft von schlurfenden Berlinern, ganz okaye Imbisse, aber nirgendwo ein Ort zum Essen. Draußen immer Nazidemo.
5. Über den Wuppertaler Hbf sind viele guten Gerüchte und Mythen im Umlauf: Alle sind sie wahr! Eine architektonische Meisterleistung mit dem besten REWE City, den es überhaupt nur gibt. Zehn von zehn Sternen. Beste Bahnhof!
6. Frankfurt Hbf: Die B-Ebene ist anscheinend nichts für schwache Nerven, ansonsten ist der Bahnhof aber angenehm übersichtlich sortiert (weil Kopfbahnhof), die Buden sind in Ordnung, man kommt schnell zu Raucherecken, das Gelände davor gehört zu den hässlichsten Ecken Frankfurts
7. Mannheim Hbf: Reist Du über Mannheim, lieber Freund, plane anderthalb Stunden extra ein. Die Züge nach Mannheim verpassen kategorisch und ausnahmslos alle die Anschlussverbindungen. Es geht nicht anders. Man wird dort eine Weile warten müssen.
8. Stuttgart Hbf: Kopfbahnhof, also schonmal Pluspunkt. Die B-Ebene rafft kein Mensch, sieht aber lustig aus wie ein Schwimmbad aus den 70ern. Kulinarisch ausbaufähig, aber Brezel geht immer.
9. München: Absurderweise ebenfalls kulinarisch ausbaufähig, obwohl es wirklich ein riesiges Angebot, von Gosch, über Yormas etc. gibt. Aber hier schmeckt leider nichts, zumindest nicht so gut, dass es den Preis von 9 Euro für ein Pizzaslice rechtfertigen würde. Ansonsten okay.
10. Wiesbaden Hbf: Die saubersten Toiletten, die ihr je in eurem Leben gesehen habt. Wirklich beeindruckend. Im Übrigen absolut funktional, man ist schnell drin und schnell wieder draußen, unterwegs Tabak und Wegbier sind in zwei Minuten besorgt.
11. Wie im Tübingen Hbf muss es im Kopf Boris Palmers zugehen: Ein strenger Geruch, alles verrammelt, trostlose Enge, gelb verkachelt.
12. Hamburg Hbf: Irgendwie cool, wie die Stadt selbst. Man kann den Bahnhof gefühlt von 20 Seiten aus betreten, dann gibt es so eine Empore, von der man auf die Züge schaut und mit der oder dem Liebsten Currywurst schaufelt. Spitze!
13. Der Kölner Hbf hat einen Automaten aus dem man Kabel und Power Banks ziehen kann: Gut, aber auch nicht weltbewegend. Draußen kann man Pommes essen, drin im Kreis laufen. Niemand hat starke Gefühle zu diesem Bahnhof.
Jetzt bin ich erschöpft und brauche eine Pause.

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