Nachdenkliche Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble anlässlich der Wiedereröffnung der Staatsbibliothek Unter den Linden. Den Kolleg:innen von der FR ist folgendes aufgefallen. Für Kontext: Die komplette Rede hier:

perlentaucher.de/essay/wolfgang… 1/17
„Heute sehen wir uns mit einer neuen Medienrevolution konfrontiert. Und einer neuen Herausforderung: der ungefilterten Freiheit im Internet. Jeder kann schreiben & die Meinung jedes anderen kommentieren. Viele versprachen sich davon eine Demokratisierung der Öffentlichkeit“. 2/17
„Die Euphorie ist Ernüchterung gewichen. Und der Erkenntnis: Auch grenzenlose Freiheit wird immer selbstzerstörerisch. Eine ungefilterte Öffentlichkeit verliert ihre kritische Funktion“. 3/17
„Wenn die Logik von Likes und Followern professionelle Filter ersetzt, ist sie immer weniger in der Lage, die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf Relevantes zu fokussieren“. 4/17
„Der Blick aufs Gemeinsame droht verloren zu gehen.
Schlimmer noch: Wenn alles veröffentlicht werden kann, hat scheinbar auch alles gleiche Gültigkeit“. 5/17
„Ein Problem, mit dem sich Wikipedia lange herumgeschlagen hat. Mittlerweile ist offenkundig, dass totaler Offenheit nicht unbedingt mit Qualität einhergeht. Wikipedia hat Filter eingeführt und sich damit von ihrer ursprünglichen Philosophie entfernt“. 6/17
„Große Teile des Internets haben eine andere Entwicklung genommen. Dort verbreiten sich Verschwörungstheorien rasant und setzen etablierte Wissensvermittler - sogar die Wissenschaft selbst - unter Druck“. 7/17
„Dabei geht es keineswegs nur um die finstersten Winkel des Netzes. Wer den Begriff "Impfen" bei YouTube eingibt, wird bereits nach zwei Klicks mit Theorien über die "massengenetische Veränderung der Menschheit" konfrontiert“. 8/17
„Wer dagegen den Katalog der Staatsbibliothek bemüht, dem wird als erster Treffer eine Stellungnahme des Deutschen Ethikrats angezeigt: ‚Impfen als Pflicht?‘ Fragezeichen“. 9/17
„YouTube gehört bekanntlich zum selben Konzern wie Google. Beide sind Aktionären verpflichtet, nicht der Allgemeinheit. Googles Suchmaschine ist nur so lange frei, wie das kommerziell sinnvoll ist. Seine Algorithmen sind das bestgehütete Geheimnis im Silicon Valley“. 10/17
„Hinzu kommt: Im angeblich freien Internet ist das Wissen auf bedenkliche Weise konzentriert, teils monopolisiert. Wer sagt, dass nicht eines Tages Konzerne eine politische Agenda verfolgen könnten?“ 11/17
„Twitters Entscheidung, einen Präsidenten der Vereinigten Staaten von seiner Plattform zu verbannen, führt uns vor Augen, wie mächtig die sozialen Netzwerke geworden sind. Und wie schmal der Grat sein kann zwischen redaktioneller Verantwortung und politischer Zensur“. 12/17
„Die internationale Gemeinschaft darf diese Gratwanderung nicht den Monopolisten überlassen, nicht denen im Silicon Valley und nicht den Staatsmonopolisten. Das ist die große Herausforderung für unsere Vorstellungen von freiheitlich-rechtstaatlicher Demokratie,“ 13/17
„... über die schon die alten Griechen vor 2 ½ Jahrtausenden nachgedacht und die wir hier im Westen seit Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg entwickelt haben“. 14/17
„Artikel 5 unseres Grundgesetzes verbrieft das Grundrecht, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten." Der Auftrag, der sich daraus für Bibliotheken ergibt, wandelt sich mit den Anforderungen der Zeit“. 15/17
Für mich eine der wichtigsten Aussagen Schäubles: „Früher galten Bibliotheken als Informationsmonopolisten. Heute ist es ihre Aufgabe, kommerzielle Informationsmonopole zu verhindern“. 16/17
„Gerade in einer digitalisierten Öffentlichkeit brauchen wir neutrale und verlässliche Institutionen, die Wissen dokumentieren, zugänglich machen - und ja, auch filtern! Und die Leser in die Lage versetzen, Informationen kritisch zu bewerten“. 17/17
Nachtrag: Das war der Teil der Rede, der sich aufs Internet bezog, für alle, die nicht den ganzen Riemen lesen wollen (aber sollten). Die Diskussion über mögliche Schlussfolgerungen steht damit natürlich noch ganz am Anfang.

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26 Jan
Aus dem #Bundesgesundheitsministerium:

"Das Bundesministerium für Gesundheit kann aktuelle Berichte über eine geringere Wirksamkeit des #AstraZeneca-Impfstoffs nicht bestätigen. Auf den ersten Blick scheint es so, dass in den Berichten zwei Dinge verwechselt wurden:".
"Rund acht Prozent der Probanden der AstraZeneca Wirksamkeitsstudie waren zwischen 56 und 69 Jahren, nur 3 bis 4 Prozent über 70 Jahre (MHRA Zulassung Public Assessment Report)". Daraus lässt sich aber nicht eine Wirksamkeit von nur acht Prozent bei Älteren ableiten".
"Im Übrigen wertet die Europäische Arzneimittelagentur die Studien aus. Bekannt ist seit dem Herbst, dass in den ersten eingereichten Studien von AstraZeneca weniger Ältere beteiligt waren als bei den Studien anderer Hersteller. Mit dem Ergebnis...ist Freitag zu rechnen".
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