Gendergerechte Sprache.

Ein Thread.
Ich bin gerade über einen Beitrag von @juliaruhs gestolpert, einer Volontärin beim Bayrischen Rundfunk. In einem Kommentar nimmt sie zum Thema "Gendern" Stellung.
Der Beitrag sagt wenig über das Gendern aus, viel mehr über Denkfaulheit und Verweigerungshaltung.
Nun ist eine Meinung zunächst einmal nur das: eine Meinung. Wird sie aber im Rahmen einer journalistischen Tätigkeit geäußert, stände es der Person, die diese Meinung äußert, gut an, sie auch mit einigen Fakten oder Argumenten zu erklären.
Da wird der Beitrag von Frau Ruhs leider schnell inhaltsarm. Ihr „Sprachgefühl“ wird verletzt durch „krampfhaftes“ Achten auf gendergerechte Sprache, durch den „verrückten Sternchen-Zeitgeist“, durch „sinnlose Sprachverrenkung“ von Menschen in einer „akademische Wohlfühlblase“.
Dann erfahren wir von ihr, dass das Gendern „die Gesellschaft spaltet“. Warum das so ist, bleibt im Dunkeln. Erstaunlicherweise stellt sie sich nicht die Frage, ob die Gesellschaft durch Sprache bereits gespalten ist und ob das Gendern einen Versuch darstellt, das zu ändern.
Mehr noch, denn „Gendern ist kein natürlicher Sprachwandel, sondern vollkommen künstlich“. Was ist denn ein „natürlicher“ Sprachwandel (der ja offensichtlich nicht zu beanstanden ist) und was ein „künstlicher“? Sie erklärt es uns nicht.
Vielleicht hilft uns ja ihre nächste Einlassung, der Sprachwandel sei „dazu noch politisch motiviert“. Aha. Das erstaunt mich nun doch, ich hatte bisher immer vermutet, Gendern sei nur ein kurzweiliges Hobby.
Der Kommentar macht den Eindruck, als fühle sich Frau Ruhs von einer (vermutlich „linksgrünen“) Elite verfolgt, die ihr das Gendern aus niederen Gründen aufzwingen will.

Frau Ruhs rät uns Folgendes: „Sprache in Ruhe lassen und versuchen, das richtige Leben gerechter zu machen“.
Geht es Ihnen wie mir? Glauben Sie auch, dass so ein Satz von jemandem kommt, der zur Tagesordnung übergehen will? Der sich sonst darüber Gedanken machen müsste, dass auch Sprache zu einem gerechteren Leben beiträgt?
Was ich schockierend finde ist, dass es sich hier um eine angehende Journalistin handelt. Sie müsste wissen, was Sprache in einer Gesellschaft für eine Bedeutung hat. Sich auf den eigenen Feelgood-Faktor zurückzuziehen, ist bestenfalls Naivität.
Ich wiederhole: Bestenfalls.
Sprache ist Macht. Um das zu verstehen, muss man gewiss nicht Journalistin oder Journalist sein. Dass Sprache die Art und Weise formt, wie wir Dinge sehen und darüber denken, ist kein Geheimnis. Gendern allein wird nicht für Gleichberechtigung sorgen. Es ist aber Teil davon.
Wissen Sie, es ist so: Gendersternchen und Binnen-I laufen auch meinem Sprachgefühl zuwider. Ich finde es sperrig, unschön, gezwungen. Persönlich versuche ich so oft wie möglich, Sprache mit schon existierenden Mittel zu gestalten, liebe Followerinnen und Follower.
Aber ich verstehe, warum gendergerechte Sprache wichtig ist. Aus Denkfaulheit, aus Unkenntnis oder aus Angst vor dem Verlust von Privilegien dagegen zu agitieren, empfinde ich als peinlich.
Ich hoffe, dass wir eine Lösung für gendergerechte Sprache finden, die von so vielen Menschen wie möglich für den alltäglichen Gebrauch akzeptiert wird.

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7 Jan
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