Vor einem Monat habe ich an die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz einige Anfragen zum Einsatz der #LucaApp (culture4life GmbH) gestellt. Die Antworten halte ich für äußert aufschlussreich. [Thread] #Luca #CWA
Gleich vorweg: Von meinen acht Anfragen (Links am Thread-Ende) wurde die Beantwortung der meisten komplett abgelehnt. Lediglich zwei Anfragen wurden (teilweise) beantwortet. Die Antworten wirken auf mich zum Teil ausweichend.
Kosten: Für den Einsatz von Luca entstehen dem Land RLP in den ersten zwölf Monaten Kosten von knapp 1,5 Mio. Euro netto (1,73 Mio. brutto), die in voller Höhe vom Bund erstattet werden. In welcher Höhe den Kommunen Kosten entstehen, weiß die Staatskanzlei nicht.
Städte und Landkreise in RLP müssen eine SORMAS-kompatible Kontaktverfolgungssoftware einsetzen, um als Modellkommunen vorzeitige Lockerungen umzusetzen. Ich wollte wissen, ob das nur für Luca gilt oder ob Kommunen sich auch andere Apps suchen können.
Leider ist diese Information bei der Staatskanzlei nicht vorhanden. Das mag vielleicht Populismus sein, aber: Ich würde das so interpretieren, dass bei Landesregierung einfach niemand diese Möglichkeit auch nur theoretisch in Betracht gezogen hat.
Selbiges gilt übrigens auch für Frage, wie mit der Flut an Datenmüll umgegangen werden soll, die dank Luca an die Gesundheitsämter übermittelt werden. Mehr Personal für die Gesundheitsämter? Bessere Finanzausstattung des öGD? Weiß man nicht.
Apropos Daten: Schon oft stand der mangelhafte Datenschutz bei Luca in der Kritik. Nach Kenntnis der Staatskanzlei habe die culture4life GmbH eine datenschutzrechtliche Folgeabschätzung vorgenommen. Festhalten: Diese liegt der Landesregierung aber nicht vor!
Es wird auf die Stellungnahme der Datenschutzkonferenz verwiesen (PDF: datenschutzkonferenz-online.de/media/st/20210…). Dass dieses Schreiben aber vor allem zahlreiche Kritikpunkte an Luca benennt, verschweigt man geschickt.
Die DSK kommt explizit zum Schluss, die Nutzung sämtlicher digitaler Kontaktnachverfolgungssysteme müsse freiwillig bleiben. Ob davon wirklich die Rede sein kann, wenn Luca als "Schutzschirm" die geplanten Lockerungen flankieren soll, lasse ich mal dahingestellt.
Anders als Thüringen hat RLP die digitale Kontaktnachverfolgung nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern direkt an die Luca-App der culture4life GmbH vergeben. Zu diesem Vorgang habe ich mehrere Fragen an die Staatskanzlei gestellt (und nur wenige Antworten bekommen).
Der Auftragswert liegt mit rund 1,5 Mio. Euro deutlich über den Werten, ab den eigentlich öffentliche Vergaben zu erfolgen haben. Die Landesregierung begründet ihren Verzicht mit einer Ausnahmeregelung, nämlich mit § 14 (4) Nr. 2 Bst. b) VgV.
Demnach kann auf ein Vergabeverfahren verzichtet werden, wenn "ein Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht (...) werden kann", weil "aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist".
Ich bin im Vergaberecht wirklich nicht bewandert, habe aber den Eindruck, dass dies eng auszulegen ist (z.B.: "eine lediglich vermeintlich mangelnde Leistungsfähigkeit [reicht] nicht aus"; VgV/UVgO-Kommentar Müller-Wrede, 5. Auflage, Tz 181 zu § 14 VgV).
Der entsprechende Kommentar findet sich übrigens hier: reguvis.de/xaver/vergabep…. Auch ist nach § 14 (6) VgV darauf zu achten, dass nicht schon die Anforderungen an eine Leistung zu hoch zu schrauben sind und Alternativen geprüft werden müssen.
Laut Ministerratsbeschluss (tpp-i.typo3web03.rlp.de/tppi-upload/ne…) hat die Landesregierung sich 14 verschiedene Apps angesehen. Dabei verfügt Luca "in zentralen
Punkten über Alleinstellungsmerkmale". Welche Apps man sich denn noch angeschaut hat, will die Staatskanzlei mir aber nicht verraten.
Interessant wäre jetzt natürlich: Welche besonderen Voraussetzungen hat die Landesregierung denn an diese App gestellt, dass niemand anderes als die culture4life GmbH das erfüllen konnte? Daher hab ich mir das Lastenheft angefordert. Und Überraschung: Es gibt keines.
Wir fassen also zusammen: Die Landesregierung hat sich viele Apps angeschaut, dann festgelegt, dass Luca die einzige brauchbare App ist, aber weiß selber nicht, welchen Zweck die App denn überhaupt erfüllen soll und warum Luca da die einzig brauchbare App ist.
Das alles trotz offenkundiger Mängel der Luca-App und datenschutzrechtlicher Bedenken. Und für diesen Schrott zahlen die Steuerzahler:innen 1,73 Mio. Euro alleine in RLP? Das ist, gelinde gesagt, ein Skandal!
Kleiner Nebeneffekt: Das Transparenzgesetz in RLP ist in Sachen Informationsfreiheit sicherlich bundesweit absolut vorbildlich. Die vielen Ablehnungen zeigen mir aber: Es gibt noch erheblichen Nachbesserungsbedarf. Das LTranspG klammert noch zu viele Bereiche aus.

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