@d_witte1 Das Argument ist klassisch wissenschaftstheoretisch: Statistik ist eine Anwendungswissenschaft, die abhängig ist von den Prämissen, die man voraussetzt. Insbesondere in den Human- und den Sozialwissenschaften sind diese Prämissen ontologisch voraussetzungsvoll und nicht selten
@d_witte1 auch implizit reflexiv strukturiert, was sich in der Theoriebildung dann in der Annahme ausdrückt, etwas sei „immer schon“ Voraussetzung für etwas anderes. In den Sozialwissenschaften – die eigentlich deskriptive Wissenschaften mittlerer Reichweite sind – zeigt sich das oft in
@d_witte1 impliziten ontologischen Stufungen, die sich in Bruchlinien der Debatte ausdrücken (Individuum / Gesellschaft, Soziologie / Sozialpsychologie usw.). In der Psychologie sorgt v. a. die Reflexivität des Gegenstandes (Psyche, Geist usw.) für einen transzendentalen Schein.
@d_witte1 Statistik an sich ist nur normativ fundiert, sofern sie mathematische Axiome voraussetzt (die natürlich selbst wieder bestimmte Grenzen aufweisen). Weil sie aber als mathematische Wissenschaft analytische Urteile zu Daten und Prämissen formuliert, die man zu ihr mitbringt,
@d_witte1 kombinieren sich deduktiv-mathematische und reflexive Hinsicht: die Ergebnisse erscheinen als rein formales Grundgerüst des ontologisch Vorausgesetzten – und da dieses reflexiv strukturiert ist, wird aus diesem Grundgerüst die Grundstruktur eines immer schon Vorausgesetzten.
@d_witte1 So nützlich die – empirisch eingesetzte, in ihren Grenzen beachtete – Statistik als Hilfswissenschaft zur Bestimmung quantitativer Daten ist, so leicht kann sie eingesetzt werden, um eine hermeneutisch-explikative Auseinandersetzung, die meist mit Fehlannahmen zur Sache
@d_witte1 ihrer Auslegung zu kämpfen hat („Kann man so oder anders interpretieren“, „Interpretation ist letztlich beliebig usw.), zu umgehen und den Schein einer gesicherten empirischen Forschung zu erzeugen, die dann seltsamerweise normative Funktion haben soll. Das lässt sich ja überall
@d_witte1 beobachten: mathematische Modellierungen der Psyche in der Psychologie, die qua Gegenstand Voraussetzungscharakter haben sollen; statistische Modelle in der (Sozialwissenschaft!) Wirtschaftswissenschaft, die ihr quasi-naturwissenschaftlichen Status verleihen sollen usw.
@d_witte1 Mathematisierung, insbesondere in statistischer Einkleidung, kann genutzt werden, um vorher interpretationsabhängige Wissenschaften in messende und vermeintlich rein objektive zu verwandeln – und auch das hat eine normative theoriepolitische Funktion.
@d_witte1 Es geht mir also – wie immer – um eine kritische Perspektive: Wissenschaften, die ihren Tanzbereich verlassen, um qua Gegenstand („Psyche“, „Gesellschaft“, „Geschichte“, qua theoretischer Weltanschauung („Naturalismus“) oder qua Missbrauch von Mathematik metaphysisch werden.

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