Vergangenen Samstag kam es an einer Coronademo in Olten zu einem Angriff auf einen Gegendemonstranten. Dieser erlitt eine blutende Kopfwunde.
Nachfolgend eine Rekonstruktion und Einordnung der Geschehnisse.
(Thread)
Die Kapo Solothurn schrieb gestern, dass der Angriff beobachtet wurde und man die beteiligten Personen angesprochen habe. Die Verletzung sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen. Wegen neuer Aufträge habe man keine Personalien aufnehmen können.
so.ch/verwaltung/dep…
Es kursiert verschiedenes Videomaterial des Vorfalls. Nachfolgend eine Rekonstruktion der Ereignisse.

Am Anfang stand der Angriff selbst, zu sehen in der linken Bildhälfte. Mehrere Polizist*innen stehen im Hintergrund.
Den Startzeitpunkt des Videos sei als T+0:00 zu bezeichnen.
Unmittelbar nach dem Vorfall beginnt der Angreifer sich zu entfernen (Person mit braunen Shorts, hinter der Person mit der Krücke). Eine Polizistin bemerkt das und läuft ihm hinterher.
Dieses Video beginnt um ca. T+0:09 (also 9 Sekunden nach dem ersten Video).
Um T+0:22 kommen zwei Beamte, die vorher im Hintergrund standen, zum Ort des Geschehens. Es ist anzunehmen, dass sie danach das Opfer des Angriffs ansprachen.
Um T+0:45 entfernt sich der Angreifer weiter vom Tatort. Die Polizistin die ihm von Beginn an folgte, behält ihn ihm Auge.
Um T+1:12 wird der Angreifer von zwei Polizist*innen eingeholt und angesprochen.
Die Ansprache scheint nur kurz zu dauern. Um T+2:33 gehen die zwei Beamten (links im Bild), die den Täter aller Wahrscheinlichkeit nach angesprochen haben, zu einer weiteren Polizeikette.
Auch der Angreifer gelangt zu dieser und schlendert dort herum.
Danach geschieht im Zusammenhang mit dem Angriff nichts relevantes mehr.
Um T+52:47 steht ein ausklingender Rest der Demo in einer Gruppe herum. Beobachtet werden sie von diversen Polizist*innen. Bei Minute 0:14 sehen wir den Täter wieder (stilecht mit "Mass-Voll"-Tasche).
Wie also sind die Aussagen der @KapoSolothurn einzuordnen? Dass die Verletzung des Opfers nicht unmittelbar erkannt wurde, scheint glaubwürdig. Die Lage war unübersichtlich, die Polizei kam erst kurz nach dem Angriff hinzu.
Eine Polizistin allerdings hatte den Täter direkt erfasst. Sie folgte ihm und sprach ihn rund eine Minute nach dem Angriff an. Ob sie zu diesem Zeitpunkt schon von der Kopfverletzung erfahren hatte (zB via Funk), ist unklar. Es scheint plausibel, dass dem nicht so war.
Weshalb die Personalien des Angreifers trotzdem nicht aufgenommen wurden, ist aber fragwürdig. Auch wenn keine Verletzung entstanden wäre, handelte es sich um einen physischen Angriff, den die Polizei nicht einfach zu ignorieren hat.
Wie dringend der "neue Auftrag" an die Beamten war, scheint zudem zweifelhaft. Die Polizist*innen rannten nicht zur Polizeikette, sondern schlenderten gemütlich dorthin. Auch in der Kette selbst ist nicht gross Hektik auszumachen. Eine Kontrolle schien also möglich.
Entscheident dürfte aber das letzte Video sein. Wie dort zu sehen ist, befand sich der Angreifer bis zum Abschluss in der Demonstration. Die @KapoSolothurn war mit ausreichend Kräften vor Ort.
Warum spätestens jetzt keine Personenkontrolle durchgeführt wurde, ist fraglich. Die Kopfverletzung muss zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sein.
Es drängt sich beinahe die Vermutung auf, dass die Polizei kein grosses Interesse an der Aufklärung des Vorfalls zu haben schien.
Andernfalls hätte sie im Zeitraum zwischen Ansprache des Opfers und Beendigung der Kundgebung einen Versuch gemacht, den Täter zu kontrollieren. Dies geschah gemäss den Pressemitteilungen der Kantonspolizei Solothurn nicht.
Ob die @KapoSolothurn den Vorfall als Offizialdelikt von Amtes wegen verfolgen wird, ist indes noch unklar. Eine Mediensprecherin verwies auf Anfrage auf die geplante interne Aufarbeitung des Einsatzes.
Das Opfer wird derweil in verschiedenen Telegram-Chats aufs Gröbste diffamiert. Sein Klarname wird munter herumgereicht, Fotos werden gepostet, teilweise sogar sein Lebenslauf.
Verschiedene User reden von einem "Besuch" und davon, ihn mit einer Eisenstange zu "therapieren"
Der Vorfall steht exemplarisch für die Radikalisierung die Teile der Coronabewegung in den letzten Monaten durchgemacht haben. In den Telegram-Chats häufen sich schon länger wüste Diffamierungen gegen Behörden, Journalist*innen und Gegendemonstrant*innen.
Dass es nun zu einem gefährlichen Angriff gegen den Kopf einer friedlichen Person kam, kann vor diesem Hintergrund nicht erstaunen. Bereits im Juni griffen in Luzern rund 15 Rechtsextreme eine Gegendemonstration an. Ein grosses Medienecho blieb damals aus.
Es ist zu befürchten, dass solche Angriffe in Zukunft vermehrt passieren werden.
Journalist*innen, Behörden und Gegendemonstrant*innen sollten sich dem bewusst sein.
Beispiele für Drohungen und Diffamierungen insbesondere gegen Journalist*innen finden sich hier:
Videoquelle ist hier 20 Minuten 👆
Das restliche Material stammt aus einem Telegram-Chat
Ein Eindruck vom Ausmass der Kopfverletzung findet sich hier:
Die @KapoSolothurn ermittelt nun offenbar von Amtes wegen.
20min.ch/story/jetzt-er…

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21 Aug
Der Screenshot mit dieser Aussage scheint aus dem SRF-Corona-Ticker zu sein. Mittlerweile wurde der Satz ganz gestrichen. Im Google-Index ist er aber noch drin. Warum die Entfernung, @srfnews?
Screenshots: ImageImage
Read 4 tweets
12 Aug
Für heute Abend ruft die Corona-Bewegung zu einer Demo nach Bern auf. Dabei gibt es auch Aufrufe zu Gewalt und zur Erstürmung unliebsamer Orte. Zudem mobilisieren verschiedene Rechtsextreme nach Bern. Eine Gegendemo ist angekündigt.
(Thread)
Auch Nicolas Rimoldi, Co-Präsident von "Mass-Voll" übt sich in ähnlicher Rhetorik. "Wir sind der Sturm" ist ein beliebter Slogan der QAnon-Verschwörungsideologie.
Beim einschlägig bekannten Streamer Roger Bittel sprach Rimoldi gestern Abend davon, die Stadt Bern "zurückzuerobern" und zu "fluten", weil der Bundesrat "Hochverrat" begangen habe.
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12 Aug
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12 Mar
Weil wir gerne als "die bösen linksextremen Reitschule-Chaot*innen" dargestellt werden, mal ein paar Worte über Journalismus, Objektivität und politische Haltung:

1. Wir sind eine Zeitung. Wir betreiben Journalismus strikt gemäss dem Kodex des Presserates presserat.ch/journalistenko…
2. Wir vertreten eine klar linke Haltung, welche in unseren journalistischen Erzeugnissen selbstverständlich zur Geltung kommt
3. Wir arbeiten streng gemäss den verbindlichen Prinzipien des Journalismus - Wahrheitspflicht, Quellenüberprüfung, Anhörung bei schweren Vorwürfen, etc.
4. "Objektivität" und "Ausgewogenheit" sind keine verpflichtenden Leitlinien gemäss Presserat (vgl Link, S. 90)
5. Objektivität im strengen Sinne gibt es nicht. Jede Berichterstattung ist gefärbt von den Umständen ihres Entstehens. Wichtig ist Transparenz.
presserat.ch/wp-content/upl…
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10 Mar
HAHAHAHAHAHAHAHAHAHA Image
"Richtiges Deutsch" 😄 Diese Boomer und ihre Arroganz bringen mich noch ins Grab
Falsch, Max, du elitäres Relikt du: Heute schreiben alle, von klein an, die ganze Zeit. Dadurch steigt das Niveau! Image
Read 6 tweets
10 Mar
Gopfertami @tagesanzeiger / @key_SDA_news es ist echt nicht so schwierig, Leute nicht zu misgendern. Also nochmal: Pronomen they/them oder she/her, also wennschon "IT-Spezialistin" und "Ihr zufolge".

Echt, reisst euch mal zusammen, das bisschen Googeln schafft ihr jetzt noch! Image
Und ja, wenn ihr Tillies Twitteraccount vor der Sperrung nicht gesehen habt, findet ihr vllt. nur they/them.
Das macht, dass ihr euch vielleicht etwas mehr Gedanken machen müsst, welche Pronomen ihr verwendet, aber es heisst NICHT, dass ihr einfach er/ihm/... verwenden könnt.
Same is true for you, @watson_news

Es ist echt nicht so schwierig. Bei allen anderen Fakten über eine Person oder einen Umstand ist es ja auch ein No-Go, so schludrig zu arbeiten. Also gebt euch echt mal einen Ruck. Image
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