Gene scheinen als Grundlage für unsere Persönlichkeit noch immer recht umstritten zu sein. Jedenfalls spüre ich hier bei wenig anderen Themen mehr Gegenwind. Anlass genug für etwas Aufklärungsarbeit. Folgendes können Sie bei der nächsten Dinnerparty mit Zuversicht verkünden (1)
(2) Basis ist ein schönes kleines Paper mit dem Titel "Top 10 Replicated Findings From Behavioral Genetics". Die Studie stellt ein paar große Ideen vor, die wieder und wieder erfolgreich getestet und repliziert worden sind. Das kommt einem fachlichen Konsens schon ziemlich nahe.
(3) 1. Alle psychologischen Merkmale des Menschen sind genetisch mitbestimmt, also erblich. Diese Einsicht wird manchmal auch (etwas hochtrabend) als "erstes Gesetz der Verhaltensgenetik" bezeichnet. Ausnahmen sind den Autoren nicht bekannt (ist, soweit ich weiß, immer noch so).
(4) 2. Kein psychologisches Merkmal ist ausschließlich durch Gene bestimmt. Umwelteinflüsse spielen immer eine Rolle -- mal mehr, mal weniger.
(5) 3. Erblichkeit beruht auf vielen Genen, die zusammengenommen eine bestimmte Merkmalsausprägung bewirken. Dieser Umstand wird auch "Polygenie" genannt.
(6) 4. Ein Zusammenhang zwischen psychologischen Merkmalen (z.B. die Korrelation von Kreativität und psychischer Gesundheit) ist ebenfalls teilweise genetisch bedingt, nicht nur durch die Umwelt.
(7) 5. Intelligenz ist teilweise erblich und der erbliche Anteil steigt mit zunehmendem Alter. Im Säuglingsalter beträgt die Erblichkeit etwa 20%. Sie steigt dann auf ca. 60% bei Erwachsenen.
(8) 6. Bleiben Merkmale im Lauf des Lebens stabil, liegt das eher am kontinuierlichen Einfluss derselben Gene. Ändern sie sich, liegt es eher an der Umwelt.
(9) 7. Auch Faktoren, die man eigentlich der Umwelt zurechnen würde (z.B. der Erziehungsstil der Eltern), sind in erheblichem Maß genetisch mitbestimmt. D.h. der Erziehungsstil der Eltern reflektiert unter anderem die (teils erblichen) Merkmale des Kindes.
(10) 8. Korrelationen zwischen Umweltfaktoren und psychologischen Merkmalen werden teilweise durch dieselben genetischen Faktoren bewirkt. Elterlicher Erziehungsstil und Verhalten des Kindes können z.B. durch dieselben (vererbten) Gene mitgeprägt werden.
(11) 9. Die Ähnlichkeit von Geschwistern wird viel mehr genetisch bestimmt als durch eine gemeinsame Umgebung bewirkt. Das bedeutet nicht, dass Umwelt (z.B. Familie) wenig Einfluss hat, sondern dass jedes Kind (auch in derselben Familie) tendenziell eine andere Umwelt vorfindet.
(12) 10. Viele häufige psychische Störungen sind aus Sicht der Genetik nicht qualitativ anders als andere psychologische Merkmale, sondern nur extremere Ausprägungen derselben Gene und Umweltfaktoren als bei "normalem" Verhalten.
(13) Das war's. Es würde mich wirklich interessieren, ob Sie da jetzt einfach nicken und sagen "Klar, wusste ich" oder "Klingt logisch". Oder waren da jetzt auch ganz neue Ideen dabei, die Sie teilweise aus dem Bauch heraus vielleicht unplausibel finden? Gerne Kommentare dazu.
J.D. Vance kritisiert den Zustand der Meinungsfreiheit in 🇩🇪 und 🇪🇺 und macht sich Sorgen um die Demokratie der Verbündeten. Politisch-mediale Reaktion: viel Empörung, Zurückweisung und Kritik. Und wie blickt die deutsche Bevölkerung auf das Thema? Schauen wir in die Daten.🧵|1
2| Die Deutschen sind mehrheitlich zufrieden mit der Demokratie, aber der Trend geht leider nicht in die richtige Richtung. Noch vor wenigen Jahren waren >70 % sehr oder wenigstens ziemlich zufrieden, heute sind wir nicht mehr weit entfernt von einer 50-50-Verteilung.
3| Dieser Negativtrend manifestiert sich vielerorts, z.B. überdeutlich auch in solchen Datenpunkten. Zwischen 2022 und 2024 hat sich die Zufriedenheit junger Menschen u.a. mit "den politischen Verhältnissen" oder dem "gesellschaftlichen Zusammenhalt" massiv verschlechtert.
Schule, Studium oder Beruf: Zur Wissensgesellschaft gehört, dass wir uns ständig neue Infos, Daten und Zusammenhänge aneignen müssen. Wir lernen. Aber wie geht das eigentlich? Welche Lernmethoden sind wirklich effektiv? Ein 🧵 für alle, die Stoff in den Kopf bekommen müssen. |1
2| Hier geht es um Lernmethoden, die man alleine und ohne besondere Hilfsmittel anwenden kann und die einen generalisierbaren Mehrwert versprechen, d.h. für viele Kontexte, Stoffarten und Lernziele funktionieren. Grafik: Übersicht über die Methoden (Q1, Übersetzung im Alt-Text).
3| Starten wir mit den wenig effektiven Methoden. Basis sind 2 Meta-Analysen, die für jede Methode eine Effektstärke (d) aus experimentellen Studien ableiten (Q2, 1.609 Effekte), dazu eine Einstufung (Q1). Alle Methoden verbessern die Lernleistung, aber eben verschieden stark.
Die Qualität vieler öffentlicher Debatten leidet darunter, dass die Leute zwar dieselben Begriffe benutzen, darunter aber ganz verschiedene Dinge verstehen. Eine neue Studie geht dieser verborgenen Verständnisvielfalt auf die Spur – unter anderem am Beispiel des Pinguins. 🧵 |1
2| Wie viele unterscheidbare "Verständnisse" verbergen sich hinter einem simpel wirkenden Konzept wie Pinguin? Die Studie lässt dazu Probanden u.a. Eigenschaften verschiedener Tierarten und Ähnlichkeit zwischen Begriffen bewerten. Daraus leitet sie dann Bedeutungs-Cluster ab.
3| Heraus kommt viel Uneinigkeit darüber, welche Merkmale zum Begriff Pinguin gehören (Grafik). Probanden sind sich zwar sehr einig, dass sie "süß", aber keineswegs "pink" sind. Weit auseinander gehen die Ansichten aber z.B. bei der Frage, ob Pinguine "fett" oder "elegant" sind.
Die radikale Rechte und radikale Linke unterscheiden sich in wichtigen Aspekten, z.B. in ihrem aktuellen Gefährdungspotenzial für die offene Gesellschaft. Sie gleichen sich aber auch in einem fundamentalen Punkt: der Psychologie ihrer einzelnen Angehörigen. Ein 🧵 mit Daten. |1
2| Die Erkenntnis ist nicht neu. Diese Grafik aus einer Studie von 1985 (Q1) zeigt Gemeinsamkeiten an den Rändern, z.B. bei der höheren Intoleranz für Ambiguität (links) oder mehr "Starrheit" (kein situatives Anpassen von Emotion und Verhalten) im Vergleich zur politischen Mitte.
3| Auch diese große neuere Studie (Q2, N=7.258) findet wichtige Gemeinsamkeiten zwischen der autoritären Rechten (RWA) und Linken (LWA). Je näher die Punkte, desto mehr gleichen sich die Lager in diesem Merkmal. Beispiel: Mit r=0,47 - 0,5 korreliert "Dogmatismus" fast identisch.
Der Streit um Frau Aslans Äußerungen zu Rassismus bei der Polizei ist ein Paradebeispiel dafür, warum die Wahrnehmungen politischer Lager oft so drastisch auseinandergehen. Mit diesen drei Erkenntnissen aus der Moralpsychologie vertiefen Sie Ihr Verständnis solcher Debatten.🧵 |1
2| Zunächst: Das ist ein Thread über empirische Moralpsychologie. Er möchte lediglich die Mechanismen sichtbar machen, die in Debatten wie dieser unter der Oberfläche wirken. Es geht mir also nicht um @BaharAslan_ oder die deutsche Polizei oder die Frage, wer da jetzt Recht hat.
3| Empirische Moralpsychologie beschäftigt sich damit, unser moralisches Denken, Fühlen und Handeln zu verstehen. Einer ihrer wichtigen Ansätze – die "Moral Foundations Theory" – enthält drei Erkenntnisse, die gut erforscht sind und beim Verständnis des aktuellen Falls helfen.
Dass Frauen bei der Partnerwahl nicht den Erstbesten nehmen, sondern hohe Ansprüche haben, überrascht niemanden. Etwas weniger verbreitet ist die Erkenntnis, dass auch Männer sehr wählerisch sind. Eine Studie visualisiert die Differenzen besonders schön. Kleiner Überblicks-🧵|1
2| Das Schöne an der Studie: Sie trennt nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern auch danach, wie ernsthaft und langfristig die Liaison sein soll ("Involvement"). Die Daten sind etwas älter, macht hier aber nichts. Dating-Präferenzen haben sich als extrem stabil erwiesen.
3| Starten wir mit dem Klassiker: körperliche Attraktivität. Ähnlich kompromissbereit sind beide Geschlechter, wenn es nur um Dates geht, ansonsten gehen die Anforderungen auseinander. Für Männer müssen Ehepartnerinnen am attraktivsten sein, für Frauen unverbindliche Sexpartner.