"Das Pentagon brennt" - erst duch den Satz eines Kollegen im Newsroom hörte ich vom Terror des 11. September 2001. Das war recht spät, und zum Glück war ich weder direkt noch im Umfeld betroffen - darüber geschrieben habe ich dann aber doch. Ein Thread. #911Anniversary
1/16
Vorweg: Meine Erfahrung ist natürlich nichts gegen die der Opfer und ihrer Angehörigen, aber vielleicht hilft das hier etwas beim Verständnis von journalistischer Arbeit. Zurück in den Newsroom: Es war der von tecChannel.de, mit zwei Kollegen saß ich dort. 2/16
Es muss gegen 16 Uhr gewesen sein - wir arbeiteten konzentriert an IT-News, ein Radio lief auch nicht. Darum bekamen wir das spät mit. Push-Nachrichten von Websites und Handy-Apps gab es so noch nicht. Alle drei machten sich dann schnell schlau. 3/16
Alles deutete auf Terror hin. Die Webseiten deutscher Medien waren zum größten Teil überlastet, dazu gleich mehr. Unser bezahlter dpa-Newsfeed lief aber noch, die Nachrichten überschlugen sich. Wir hatten, als erreichbares Medium, wohl eine Informationspflicht. 4/16
Also ab zum Chefredakteur. Ich setzte mich dafür ein, eine kurze Meldung zu bringen, Tenor: Das ist passiert, nicht unser Thema, bitte guckt bei <Liste erreichbarer Medien>. Ich bin sicher, die erschien auch, im Archiv des Tages ist sie nicht. 5/16
tecchannel.de/archiv/20010911
Ist aber auch egal, die hier gibt es noch. Für einen solchen Fall hatte nur @Spiegel vorgesorgt. Einen Snapshot finde ich nicht, die Seite war aber abgespeckt, keine Bilder, und es gab Verweise auf Mirrors. Funktionierte, gute, schnelle Arbeit. Danke.6/16
tecchannel.de/a/websites-koo…
Die Lage im Büro war also geklärt, und ich hatte einen Termin der Stadt - Pressekonferenz zu neuen Chips in einem Hilton-Hotel. Als ich ankam, herrschte halbwegs Normalität. Der Gastgeber war informiert, machte es kurz, nach rund 40 Minuten kam ich in zurück in die Lobby. 7/16
Noch deutlicher war das in der S-Bahn zurück ins Büro. Ich hatte die Münchner Züge vorher nie so still erlebt, und erst wieder, als Corona kam. Einige hatten die ersten Abendzeitungen, wortlos gab man sie an den Nachbarn weiter. 8/16
Die Redaktion war fast leer. Eine Kollegin sagte: "Die sind alle oben, im Konferenzraum". Das war der größte der Firma, mit Rückpro-Fernseher. Und da saßen, oder lagen, die Kolleg.inen mit Tränen in den Augen vor CNN. Notebook auf, private Mails checken. 9/16
Mailverteiler, Chats wie IRC und PC-Apps wie ICQ waren das soziale Netzwerk der Zeit. Ich hatte da privat etliche Kontakte, keiner aus dem Journalismus. Also fragten die mich. Vor allem _was_ genau da passiert war, warum die Türme fielen, war noch nicht klar. 10/16
Um die Hintergründe, wer verantwortlich ist, ging es in diesen Threads nicht. Ein großer Shoutout an die @dpa : Die hatten allen direkten Kunden, auch die mit Fach-Abos - wie uns - ihre gesamten Inhalte vorerst gratis angeboten: Nehmt, Bezahlung klären wir später. 11/16
Eine Rechnung für die paar Fotos und Meldungen bekamen wir nie, da ging ich auch nicht von aus. Ich verabschiedete mich aus dem Verlag und verteilte alle seriösen Informationen bis 2 Uhr nachts am heimischen PC an Freunde und Bekannte. 12/16
Wie ich dabei merkte half das darüber-schreiben-können auch mir. Und so ist das auch heute noch: Bis ich das durchaus sinnvolle News-Detox bei Katastrophen für mich beschließe will ich zumindest wissen, was da überhaupt passiert ist. 13/16
Seitdem habe ich ob in Büros oder daheim bei der Arbeit immer eine Nachrichtenquelle laufen. Ich will, auch wenn es nicht mein Thema ist, solche wichtigen Ereignisse gleich mitbekommen. News-Apps mit Push helfen auch, wenn man sie richtig einstellt. 14/16
Genau ein Jahr später war ich dann zum 1. #911Anniversary erstmals wieder in den USA auf einer Konferenz in San Francisco. Wie sehr auch am anderen Ende des Landes das alle geschockt hatte, war dort mit Händen greifbar. Die Security-Maßnahmen auch. 15/16
Danke fürs Lesen. Ich will mich nicht ans Thema der heutigen Zeit anhängen, ich wollte das hier nur schon lange aufschreiben. Dieses "wo warst Du damals" lässt mich bis heute nicht los. Dicken Dank auch an die Kolleg.innen damals, you know who you are ;) 16/16
Please @threadreaderapp unroll. Thanks!
Damn, ich sehe erst: Zwischen 7 und 8 fehlt was:
Die Menschen drängten sich in der Lobby des Hilton um 2 Fernseher, viele US-Bürger, einige weinten. Da wurde mir bewusst, wie einschneidend die Anschläge waren.

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