Neues von der Inzidenz.

Die meisten meiner Follower wissen, dass ich Anästhesist und Intensivmediziner bin. Kein hauptberuflicher Statistiker.

Irgendwie habe ich aber trotzdem ein bisschen was von statistischen und epidemiologischen Zusammenhängen begriffen, bilde ich mir ein.
Teil 1 meiner Reihe "Stormy und warum die Inzidenz uns völlig genügt, um unser Handeln in der Pandemie zu steuern":



Teil 2 der Reihe:


Es ist nun Zeit für Teil 3.

Der heiße Shice ist ja nun die Hospitalisierungsinzidenz.
Warum die Hospitalisierungsinzidenz (und das m.E. politisch - wohl nicht vom RKI - *gewollt*) nicht geeignet ist, die Pandemie zu bewerten, hat u.a. @maewald hier aufgeschrieben.



Ich hab mal wieder Graphen gemalt. (Bzw malen lassen.)
Blau = Inzidenz
Orange = Auf Intensivstation behandelte Patienten
Was sieht man?

Im Wesentlichen das Gleiche wie in den vorherigen Wellen.

Einem Anstieg der Inzidenz folgt ein Anstieg der Zahlen auf den Intensivstationen nach.

Zumindest bislang scheinen wir auf Intensiv den "peak" noch nicht erreicht zu haben.
Die Inzidenz scheint gerade ein Plateau zu bilden oder möglicherweise ihr Maximum erreicht zu haben. Das werden wir in 1 oder 2 Wochen genauer wissen.

Aber die Intensivzahlen steigen noch.

Was heißt das jetzt für das Pandemiemanagement?
Ganz einfach:

Es war scheiße. Und zwar richtig scheiße.

Spätestens Mitte Juli war klar: Die Inzidenz steigt real an. (Da fing auch die Positivrate wieder an zu steigen, vgl @ALMevTeam.)

Da hätte man handeln müssen.

Hat man aber nicht.
Spielen wir's mal durch.
Vom 03.07. bis 17.07. hat sich die Inzidenz (laut @risklayer) verdoppelt. Von 5 auf 10.

D.h. etwa am 17.07. *hätte* die Politik handeln können.

Seitdem gab es
~ 300.000 Neuinfektionen.
~ 1.300 Tote.
~ 5.000 neue Intensivfälle
Wir haben in Welle 3 gesehen, dass die Todeszahlen nicht mehr annähernd im gleichen Verhältnis steigen wie die Inzidenz.

Das ist zwar gut, aber kein Grund zur Entspannung.

Denn auch wenn die Inzidenz ihren Peak erreicht haben *sollte*, die ITS-Zahlen werden noch steigen.
Und viele von denen, die die Intensivstation überlebt haben, werden fürs Leben gezeichnet sein.

Ein kleiner Teil von ihnen wird sich vollständig erholen, in Leben und Beruf zurückkehren.

Viele werden mehr oder minder schwere Beeinträchtigungen zurückbehalten.
Einige werden für den Rest ihres Lebens vollständig pflegebedürftig sein.

Und ein Teil, das sagt die klinische Erfahrung, werden später an den Folgen ihrer kritischen Erkrankung versterben.

Es ist schwer zu beziffern, wie viel davon vermeidbar war.
Insofern werde ich hier nicht versuchen, zu modellieren "Politik hätte 3000 Intensivfälle vermeiden können".

Aber klar ist m.E., dass die Politik mit konsequenter Eindämmung einen Teil dieser Fälle hätte vermeiden können.

Und sie haben es noch nicht einmal versucht.
Was wir halt auch sehen:
Die Hospitalisierungsinzidenz haben wir nie gebraucht.

Schon Mitte Juli war absolut zweifelsfrei klar, dass spätestens Ende August auch die Zahlen auf Intensiv wieder steigen würden.

Und das hat die Politik bewusst geschehen lassen.

</StormyRant>

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10 Sep
Ich möchte bitte die KV Nordrhein verdreschen.

Da gibt es also in einem Seniorenheim eine Impfaktion. 90 Menschen werden geimpft. 9 davon sind anschließend behandlungsbedürftig.

Ob dieser Behandlungsbedarf auch nur hypothetisch kausal mit der Impfung zusammenhängt, ist unklar.
Insbesondere gibt es nicht genug Informationen, um einzuschätzen, ob es hier zu einer Verschlechterung einer Grunderkrankung gekommen sein könnte, die den Behandlungsbedarf ausgelöst haben könnte.

Koinzidenz beweist halt keine Kausalität.
NACH Impfung heißt nicht WEGEN Impfung.
2 Menschen müssen reanimiert werden. Zum Glück wohl erfolgreich.
Irgendwo setzt ein Stille-Post-Effekt ein und plötzlich heißt es, alle 90 hätten schwere Impfreaktionen gehabt bis hin zur Reanimationspflicht, mindestens 3 seien gestorben.
Read 8 tweets
21 Aug
Was den Entscheidungsträgern gerade auf die Füße fällt, ist ihr monatelanges verlogenes Delirium davon, den Bürgern sei ein erneuter Lockdown nicht "zuzumuten" oder "nicht vermittelbar".

Wie jede gute selbsterfüllende Prophezeiung trifft sie mittlerweile zu.
Es rächt sich jetzt halt, dass die Bundes- und Landesregierungen den ganzen Sommer 2020 über kategorisch jeden Lockdown ausgeschlossen haben (weil "nicht vermittelbar"), aber dann pünktlich zu Weihnachten umkippen mussten, weil alternativ die Intensivstationen explodiert wären.
Ein harter, zeitlich begrenzter Lockdown im August 2020 hätte einerseits die Pandemie eingehegt und mutmaßlich 10.000e Tote vermieden, andererseits der Politik Spielraum belassen.

Man hat so lange Lockdowns als unverantwortliche, totalitäre Zwangsmaßnahme gebrandmarkt, dass...
Read 8 tweets
4 Apr
Warum es unvernünftig ist, Inzidenz, Todesfälle und Intensivbelegung als separate Kriterien für Lockerungen / Verschärfungen der Maßnahmen zu verwenden, die 648.425ste.

Quellen für meine Kalkulationen:
@risklayer. DIVI-Intensivregister.

Für die Berechnung der Inzidenz habe ich~
der Einfachheit halber mit genau 83 Mio. Einwohnern kalkuliert.
Das ist nicht ganz korrekt, das RKI kalkuliert mit 83,19 Millionen Einwohnern, ich halte die geringe Abweichung allerdings für verschmerzbar.

Was habe ich getan?
Simpel.

Inzidenz und Beatmungsfälle bzw Todesfälle~
jeweils gegeneinander aufgetragen.

Weil sich die jeweiligen Größenordnungen deutlich unterscheiden, habe ich jeweils "eigene" Y-Achsen verwendet.

Ich hoffe, ich füge keinem Statistiker damit körperlichen Schaden zu, so wird allerdings die Korrelation deutlicher.
Read 19 tweets
3 Apr
Die Bilder von #s0304 tun körperlich weh.

Ignorante, hasserfüllte Arschlöcher tanzen auf der Straße.
Und der Staat schaut mal wieder völlig indifferent zu.
Einzelne Polizisten verbrüdern sich mit diesen ignoranten, hasserfüllten Arschlöchern. Die anderen schauen zu. Korpsgeist.
Morgen werden die politisch verantwortlichen ignoranten Arschlöcher wieder rumblubbern, dass das ja nicht vorhersehbar gewesen wäre.

Und bei jeder weiteren Demo werden diese ignoranten, hasserfüllten Arschlöcher sich mehr trauen.

Weil die Politik sie bewusst ermutigt.
Und das ist halt die Quintessenz deutscher Pandemie"politik".

Man hätte SO VIELE MÖGLICHKEITEN.

Und man baut wider besseres Wissen am laufenden Band nur kontraproduktive Scheiße.
(Und die *könnten* es besser wissen. Wenn sie nur wollten. Bewusste Ignoranz ist keine Ausrede.)
Read 5 tweets
29 Nov 20
Während wir noch damit beschäftigt sind, Leuten zu erklären, wie genau diese mRNA-Impfung funktioniert, hauen die Impflügner die nächste Lüge raus: Die Impfung könne unfruchtbar machen. Natürlich komplett frei erfunden, und mit Sicherheit wissen die das.

Ich bin es so müde.
Wie kann es eigentlich sein, dass die freie Meinungsäußerung es zulässt, solche gemeingefährlichen Lügenmärchen in die Welt zu setzen?
Und ja, der Tweet war schon mal da.

Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die ursprüngliche Formulierung möglicherweise juristische Probleme beinhalten könnte, und auf die Sorte Weihnachtswunder kann ich verzichten.
Read 4 tweets
28 Nov 20
@Anaesthet1 Da das Thema Langzeitfolgen beim Impfstoff immer in den Vordergrund gestellt wird:

Wir wissen auch nicht so viel über Langzeitfolgen der COVID-19-Erkrankung.

Aber wir sehen einen ziemlich großen Anteil der Infizierten auf Intensivstationen. (Über 3 % bisher.)
@Anaesthet1 Wenn man sich die aktuellen Zahlen aus dem Intensivregister der DIVI anschaut:
Etwa die Hälfte von denen muss beatmet werden.

Die Langzeitfolgen DAVON kennen wir nach Jahrzehnten der Intensivmedizin recht gut.
Angststörungen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen.
@Anaesthet1 Und die Lunge selbst erholt sich auch häufig nicht vollständig davon.
Nerven- und Muskelerkrankungen (critical-illness-Neuropathie/-Myopathie) kommen vor.

Intensivstationen hinterlassen in aller Regel deutliche Spuren.
Vor allem bei schweren, komplexen Erkrankungen.
Read 5 tweets

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