Fliegen ist derzeit eine der klimaschädlichsten Dinge, die man als Einzelne tun kann. Das müsste aber nicht so sein, denn schon heute gibt es Möglichkeiten, Fliegen deutlich weniger umweltschädlich zu machen. Dann wird's teurer, aber alles andere wäre absurd. Thread.
Schreibt die Politik Airlines vor, dass sie nach & nach nur mehr sauberes E-Kerosin verwenden dürfen, Passagiere tragen über sehr hohe CO2-Abgaben die Umweltkosten selbst und meiden Flugzeuge gewisse Regionen zu gewissen Zeiten, sinkt der Effekt aufs Klima massiv.
Das würde die Ticketpreise nach Schätzungen eines Experten verdoppeln. Sie wären so noch immer günstiger als vor 20 Jahren. Soziale Härtefälle kann man mit einem Ökobonus ausgleichen. Das Ganze ist aber trotzdem noch sehr weit entfernt. Let me explain.
Flugzeuge treiben die Erderwärmung an, in dem sie beim Verbrennen von Kerosin CO2 in die Luft blasen. Es gibt aber noch ein paar andere Effekte, noch wichtiger als CO2 sind z.B. Zirruswolken. Eigentlich tragen Wolken dazu bei, die Erde zu kühlen. Nicht aber Zirruswolken.
Sie lassen nur wenig Wärme wieder zurück ins All. In bestimmten Regionen, zu bestimmten Zeiten lassen Flugzeuge Kondensstreifen entstehen, aus denen dann Zirruswolken werden. Wissenschafter:innen forschen dazu, wie man das in die Flugplanung integrieren kann.
Eine Studie aus Japan sieht den Großteil der Erwärmung durch Kondensstreifen vermeidbar, wenn nur zwei Prozent der Flieger ihre Routen ändern. Eine Studie für Europa kommt auf 40 Prozent weniger Erwärmung bei nur einem halben Prozent mehr Treibstoffverbrauch.
"Die Flugbranche ist sehr daran interessiert", sagt Matthes, auch die Politik in Berlin, Brüssel und Paris. Auch die AUA ist über die Lufthansa an Arbeitsgruppen beteiligt. Es dauere aber eher noch fünf bis zehn Jahre, bis man das in der Praxis sehen werde, sagt die Physikerin.
Funktioniert das, wäre es praktisch, weil die meisten Menschen nichts merken würden, aber Fliegen um die Hälfte weniger klimaschädlich wäre. Was man aber merken wird: Wenn nur irgendeine Chance bestehen soll, das Pariser Klimaziel zu erreichen, wird Fliegen teurer werden.
Der Markt versagt beim Fliegen. Es ist viel zu billig, weil die Folgekosten von unseren Kindern und Enkelkindern in Form von Konflikten, Hitzewellen und Unwettern getragen werden, nicht von den Passagieren. Das ist ökonomisch ineffizient, die Lösung: Hohe CO2-Steuern!
Teurer wird es auch, weil es zwar saubere Alternativen zu Kerosin gibt, die aber drei- bis fünfmal so teuer sein werden, sagt Stefan Gössling von der Universität Lund. Tickets dürften so in etwa doppelt so teuer werden, wären aber noch günstiger als vor 20 Jahren.
Die Preise sind seither stark gesunken. Teurere Tickets sind laut Gössling schlicht notwendig, weil dann weniger geflogen werde. Es gibt kaum einen Zusammenhang in der Ökonomie, der so stark hält: Je billiger etwas ist, desto mehr wird davon gekauft.
Anders als freiwilliger Verzicht in umweltbewussten Zirkeln würde das aber tatsächlich den Flugverkehr reduzieren. Und ohne Reduktion wird es sehr, sehr schwer. Um Kerosin nachhaltig herzustellen, braucht es Unmengen an erneuerbarem Strom.
Um den globalen Bedarf an nachhaltigem Kerosin (E-Kerosin) zu decken, bräuchte es 2050 240.000 km2 Photovoltaik, das ist mehr als die Fläche Rumäniens. In einem Szenario, das steigende Peise annimmt, wird weniger geflogen, sind "nur" mehr 140.000 km2 notwendig (2x Österreich).
Auch das ist schon sehr viel, denn sauberen Sonnen- oder Windstrom braucht es auch für Häuser, Autos, Lkws, Schiffe, die Stahlindustrie, Kraftwerke und so weiter; und das in kürzester Zeit. "Der Energiebedarf wird unermesslich sein, das ist eine Herausforderung, ...
die die wenigsten verstehen. Darum kann der Ausbau nicht schnell genug gehen", sagt Gössling. "Wer denkt, dass er groß denkt, sollte größer denken. Egal wie viel wir bauen, es wird nicht genug sein." Derzeit steckt die Produktion von E-Kerosin noch in den Kinderschuhen.
In großer Menge wird es noch nirgends hergestellt. Am KIT in Karlsruhe läuft eine Demoanlage. Peter Pfeifer, der dort forscht, hat vor ein paar Jahren auch ein Unternehmen namens Ineratec ausgegründet. 2022 will Ineratec in Frankfurt die weltgrößte Anlage in Betrieb nehmen.
3.500 Tonnen synthetische Treibstoffe sollen dort dann produziert werden im Jahr. In Österreich wurden im 1. Halbjahr heuer aber alleine über 100.000 Tonnen Kerosin getankt. Pfeifer rechnet am Anfang mit Kosten von drei bis vier Euro pro Liter Kerosin. Kerosin kostet jetzt 40c!
Praktisch ist aber, dass man E-Kerosin relativ easy zu fossilem Kerosin mischen kann. Wenn man den Airlines nun vorschreibt, E-Kerosin beizumischen (das passiert), dann steigt der Preis nicht sofort massiv, es sind ja nur kleine Mengen. Je mehr produziert wird, desto billiger...
... wird E-Kerosin. Pfeifer meint, man müssen den Preis auf 1,50 Euro/l herunterbringen. So billig wie fossiles Kerosin wird es nie, weil es teurer ist, kompliziert aus vers. Stoffen E-Kerosin herzustellen, als einfach Öl aus einem Loch in Boden in eine Raffiniere zu bringen.
Die EU-Kommission will Airlines vorschreiben, dass sie E-Kerosin beimischen. Wie beim Diesel, wo schon eine Beimischung von sechs Prozent Biosprit verpflichtend ist. Das meiste davon stammt aus Altspeiseöl. Das könnte zunächst auch von Airlines verwendet werden.
Zunächst sind nämlich nur "Nachhaltige Treibstoffe" vorgeschrieben. Das kann auch Biosprit (zb aus Raps) sein. Langfristig gibt es aber keine Alternative zu E-Kerosin, weil Biosprit massive Schäden für Biodiversität verursacht & Altspeiseöl sehr begrenzt ist.
Die Kommission schreibt alle fünf Jahre neue Quoten vor, ab 2030 sollen 0,7% E-Kerosin verwendet werden, bis 2050 dann 28%. Die Quote für alle nachhaltigen Treibstoffe wie etwa auch Biosprit, muss 2030 schon fünf Prozent betragen und 2050 dann 63 Prozent.
Das ist sowohl einer der ambitioniertesten Pläne auf der Welt aber auch noch immer zu wenig ambitioniert. Um die Produktion von E-Kerosin in die Gänge zu bringen und Emissionen massiv zu senken, brauche es deutlich höhere Quoten und das früher, fordert Stefan Gössling.
Neben der Quote für E-Kerosin sind aber auch höhere Steuern auf Kerosin und CO2 wichtig. Anders als wir alle, beim Heizen oder Tanken, zahlen Airlines für den Sprit, den sie verbrennen, keine Energiesteuern. Warum ist das so? Ein kleiner Blick zurück in die Geschichte.
1944 haben sich international Staaten auf die Chicago-Konvention geeinigt, man wollte nach dem Weltkrieg die Luftfahrt fördern. Das ist gelungen. Die zurückgelegten Passagierkilometer haben sich versiebzigfacht, von 109 Mrd. km (1960) auf 8.269 Mrd. km (2018).
Damals einigte man sich darauf, dass beispielsweise Österreich kein Kerosin besteuern darf, das ein Flieger aus den USA mitnimmt. Was hier getankt wird, dürfte aber sehr wohl besteuert werden. Es hat sich aber durchgesetzt, Kerosin überhaupt nicht zu besteuern.
Das ist auch in Abkommen zwischen vielen Ländern geregelt. Für Flüge innerhalb der EU sollen ab 2033 38c pro l bezahlt werden. Ab 2024 soll das langsam mit 4c eingeführt werden. Internationale Flüge zu besteuern ist Staaten erlaubt, diese müssen aber Verträge neu verhandeln.
Internationale Steuern sind seit jeher schwierig. Als die EU 2012 einführte, dass alle Airlines für ihre Flüge aus der EU und in die EU CO2-Zertifikate kaufen müssen, gab es einen Konflikt mit China. Das Land weigerte sich, eigene Airlines von Brüssel besteuern zu lassen.
Die KOMM lenkte ein und beschränkte die Regelung auf Flüge innerhalb der Union. Für einen Flug von Wien nach Brüssel zahlt die Airline also für CO2, für den Flug nach New York oder Schanghai nicht. 2019 wurde noch jedes 2. Zertifikat (Preis 60€) verschenkt, 2027 soll das enden.
Darum ist umso bemerkenswerter, was die Kommission in der Schifffahrt vorgeschlagen hat. Auch die soll in den Emissionshandel integriert werden. Eine Reederei, die ein Schiff von Rotterdam nach Boston fährt, braucht für die Hälfte der Emissionen künftig Zertifikate.
Die EU-Kommission verweist für internationale Flüge aber auf die UN-Luftfahrtorganisation ICAO, die aber seit jeher nur minimale Kompromisse produziert, weil sich China, Russland, die USA, die EU und Co einigen müssen.
Die EU ist einerseits Vorreiter in der Bepreisung von CO2 in der Luftfahrt, andererseits hat ihr Modell zwei große Schwachstellen. Internationale Flüge sind ausgenommen, machen aber einen Großteil der Emissionen aus. Und, mindestens genauso wichtig:
Wer nur auf CO2 schaut, vergisst Kondensstreifen, Stickoxide und Wasserdampf, die ebenfalls die Erde weiter erwärmen. Die beste wissenschaftliche Schätzung geht davon aus, dass der Effekt davon in etwa doppelt so hoch ist wie die CO2-Emissionen.
Wenn also die echten Kosten der Luftfahrt im Preis des Zertifikats enthalten sein sollen, muss er Daumen mal Pi doppelt so hoch sein, sagt Tourismusforscher Stefan Gössling. Airlines hätten so einen Anreiz, Nicht-CO2-Emissionen rasch zu senken.
Gössling hält derzeit einen Preis von 100 Euro für die Tonne CO2 für angemessen, für die Luftfahrt würden also 200 Euro anfallen. Für Wien–New York und zurück wären dann 600 Euro mehr fällig. Das würde auch den Anreiz, nachhaltige Treibstoffe zu verwenden, sofort massiv erhöhen.
Für jeden Liter E-Kerosin, der mehr getankt wird, wäre weniger CO2-Steuer fällig. Für die nächsten zehn Jahre ist er außerdem von der Kerosinsteuer befreit. Gössling hält es aber nicht für realistisch, dass Flüge bald international besteuert werden.
"China, Russland und die USA haben in der Vergangenheit den gesamten Fortschritt blockiert." Die USA unter Joe Biden seien jetzt offener, dafür gebe es aber mit Brasilien einen neuen Blockierer. "Es gibt beim Klima keine Wartezeit mehr auf Neuverhandlungen", sagt Gössling.
Für am realistischsten hält er, dass einzelne Staaten vorangehen. In Großbritannien gibt es heute schon eine Flugabgabe, die mit der Distanz des Fluges steigt. Ab 2.000 Kilometer von London aus müssen 180 Pfund (210 Euro) bezahlt werden.
In Österreich sind seit 2020 für Kurzstreckenflüge 35 Euro fällig, für längere aber lediglich zwölf Euro. Airlines können für internationale Flüge von Wien aus also weiter de facto gratis CO2 ausstoßen. Auf Nachfrage beim Klimamin. heißt es nur, die Abgabe sei erst erhöht worden.
Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten (und auch 🇦🇹) lassen also weiterhin den Großteil der Emissionen des Flugverkehrs unbesteuert. CO2 und bald auch Kerosin haben auf Flügen innerhalb der EU einen Preis.
Die Einspeisequote für E-Kerosin gilt aber für alle Airlines, die in der EU tanken, und wird im Laufe der Zeit Nachhaltigkeit und Kosten stark erhöhen. Wenn das nicht wieder zu internationalen Verwerfungen führt, ist die EU damit ein absoluter internationaler Vorreiter.
Für manche Airlines wird es eng, denn die Gewinne sind in der Branche jetzt schon niedrig. "Wenn man das alles zusammenrechnet, ist das wirtschaftlich einfach nicht machbar", sagt Julia Kraft, die bei der AUA für Nachhaltigkeit zuständig ist. "Es muss politisch geholfen werden."
Wenn ihr mich fragt - Achtung Meinung! - ist eine nachhaltige Luftfahrt nur mit weniger Flügen denkbar und darum wird es auch weniger Airlines brauchen, die auch höhere Steuerausgaben haben werden. Das sollte unser geringstes Problem in der Klimakrise sein ...
Machen die Menschen da mit? Stefan Gössling meint, dafür müsse man eine Grauzone nutzen, die die Forschung offenbare. Viele Leute seien nicht bereit, ihr Verhalten zu ändern. Vielleicht fliege man etwas heimlicher, aber man fliege weiter.
Spricht man die Menschen aber nicht als Konsumenten an, sondern als Bürger, seien in Deutschland zwei Drittel bereit, Regeln zu akzeptieren, die für alle gelten. Die Vorschläge der EU sind der Anfang dafür. The end.
Dieser Thread ist als Text im Standard erschienen, hier zum Nachlesen und verschicken: derstandard.at/story/20001294… Im Beitrag könnt ihr euch auch für meinen Umwelt-Newsletter eintragen und nachlesen, wie ich recherchiert habe, was ich gelesen habe etc.

Danke fürs brave Lesen! Ciao.

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