Warum sollten wir stärker auf sozio-ökonomische Faktoren in der Pandemiebewältigung schauen? Ein 🧵aufgrund aktueller Erfahrungen. Inkl. Hinweise, wo es mehr Wissen gibt. Ein Anlass: Mir sagte gestern jemand, die, die eine stärkere Einbindung z.B. der Soziologie fordern, 1/19
könnten letztlich vielleicht nicht akzeptieren, dass wir in einer Pandemie sind. Und dass es darum gehe, diese einzugrenzen. Überspitzt: Das sind doch nur Forderungen, die ein Ende von Beschränkungen wollen. Eine andere Frage, die ich tatsächlich bekam, auch von Akademiker: 2/19
"Wie hoch die Impfquote von Akademiker versus anderem Bildungsstand ist. Vielleicht lassen sich nur die „Dummen“ nicht impfen und das müsste man auch veröffentlichen." Ich habe überlegt, ob ich das hier reinpacke. Mich dafür entschieden, weil es auch zeigt: Das Thema scheint 3/19
nicht ausreichend auf sachlicher Ebene diskutiert zu werden. Geantwortet habe ich bei Reaktion 2: Ja, Menschen mit sozioökonomischer Benachteiligung sind auch in der Pandemie benachteiligt. Und ja, die Impfquote ist mit Migrationshintergrund offenbar geringer, Hinweise siehe 4/19
Sprachliche Hürden spielen hier eine Rolle. Es gibt entsprechend immer mehr Angebote. Die Frage - erreichen sie auch alle? Kann man das "aufholen", was vielleicht zu Beginn der Pandemie nicht passierte (Menschen haben sich in soz. Netzwerken evtl. falsch informiert bereits, 6/19
hat ihre Haltung dann geprägt). Verschiedene Studien zeigen inzwischen, wie wichtig eine gezielte Ansprache und Vertrauensinstanzen / soziale Normen generell in der Pandemie sind ("Nudging"), u.a. Hinweise hier: journals.sagepub.com/doi/10.1177/13… und journals.plos.org/plosone/articl… 7/19
Nach und nach kommen jetzt auch immer mehr Zahlen auf den Tisch. Ich verlinke noch einmal dies - Hörempfehlung auch. "Die soziale Unwucht von Pandemien".
Insofern ist es gut, dass hier durchaus einige aktiv sind selbst. Eine eindrucksvolle Recherche hat das Team von @zeitonline im Frühjahr gemacht und visualisiert: zeit.de/wissen/2021-05… 10/19
Bekannt ist das schon lange - man konnte es seit Beginn der Pandemie wissen, u.a. Rudolf Virchow hat uns dieses Wissen schon vermittelt. Wir haben anlässlich seines 200. Tages der Geburt in @Dlf_Forschung daran erinnert: deutschlandfunk.de/200-jahre-rudo… 11/19
Viele engagieren sich für niedrigschwellige Angebote. Es gibt Städte, die Inzidenzen schon seit längerem stadtteilbezogen aufschlüsseln. Allerdings: Das ist nicht die Regel. Aus den Impfdaten gibt es kein Wissen (oder? Anyone?). Dabei hätte man darüber nachdenken können, 13/19
anonym z.B. Quoten nach PLZ erfassen zu können. Gibt es nicht. Ein Bspl. für das Datenproblem, das D hat. Die Forderung u.a. nach einer Kohortenstudie gab es ja von Anfang an. Dieses Wissen hätte sich ausgezahlt. Seit langem klar (hier Analyse Juli)
Was also ist die Schlussfolgerung? Wo alles doch nicht neu & auch das RKI-Strategiepapier für den Winter die Adressierung sozio-ökonomischer Ungleichheiten anmahnt? Ich selbst bin nach all den Monaten, nachdem ich mich damit beschäftige, ernüchtert. rki.de/DE/Content/Inf… 15/19
Wenn tatsächlich nach wie vor teils von auch gut informierter Seite in Frage gestellt wird, dass u.a. Soziologen / Interdisziplinarität eine wichtigere Rolle spielen sollten. Public Health. & damit letztlich ja auch, dass Corona eine "Syndemie ist". thelancet.com/journals/lance… 16/19
Learnings? Wo wir jetzt zu #Omikron über Funktionsfähigkeit systemrelevanter Bereiche reden - und vielleicht schauen sollten, wer da u.a. vor allem arbeitet und dann womöglich ausfällt? Und wie sich die Menschen jetzt fühlen in ihrer Lage?
Und auch beim Boostern können wir also alte Fragen neu stellen, den Finger neu in die Wunde legen. Oder wie es @SammannLuise sagt: „Der gebildetere, reiche Teil der Gesellschaft wird diese Pandemie nicht vom Homeoffice aus besiegen können.“
Zum Abschluss - noch mehr Wissen, eine der besten Bündelungen mit, die ich in letzter Zeit noch gesehen habe, in diesem Thread (2. zentraler Faktor), danke @DaenuMullis noch einmal:
🧵19/end + danke an alle, die das sachlich aufgreifen wenn.
Ergänzung: wozu stadtteilbezogene Daten dann verwendet werden können, wenn es sie denn gibt
(Und ja mit ein Grund, warum der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes, Nießen, auch im Corona Krisenstab ist) + danke @DaenuMullis für den Hinweis auf diese Recherche @NZZ
⬇️⬇️
Weitere Ergänzung - aus Dezemberausgabe "International Journal of Infectious Diseases": sciencedirect.com/science/articl… "findings indicate that deprived populations should receive increased attention in infection control, pandemic planning and disease prevention".
+ dazu Hinweis auf DFG-gefördertes Projekt "Sozioökonomische Ungleichheit in der Gesundheit während der COVID-19 Pandemie" inhecov.de/index.html, im April 2021 die Arbeit aufgenommen: @MedSozDUS, @UKKoeln und @rki_de.
+ weitere Ergänzung mit Dank an @HellPiotr - auch hier läuft aktuell Forschungsarbeit geda-studie.de/gesundheitsstu… ("Befragung von Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten, um Aussagen über den Gesundheitsstatus der größten in D lebenden Herkunftsgruppen... treffen zu können."
Nachtrag (neu): @MarioGollwitzer / Jan A. Häusser in @SZ_Wissen über Rolle Sozialwissenschaften:
„Virologie & Epidemiologie sind offensichtlich von zentraler Bedeutung…, aber selbst die besten Maßnahmen bleiben unwirksam, wenn der Mensch nicht mitmacht.“ sueddeutsche.de/gesundheit/vir…
weiterer Nachtrag:
Hinweise aus COVID-19 Impfquoten-Monitoring in Deutschland (COVIMO) - hier laufen dann auch die Ergebnisse aus der zwei Nachträge zuvor erwähnten nicht deutsch-sprachigen Befragung ein (Geda-Studie...)
⬇️⬇️⬇️⬇️⬇️ rki.de/DE/Content/Inf…
Ergänzung: "Im Dezember und Januar lag die COVID-19-Sterblichkeit in sozial stark benachteiligten Regionen um rund 50 bis 70 Prozent höher als in Regionen mit geringer sozialer Benachteiligung." rki.de/DE/Content/Ges… sciencedirect.com/science/articl…
Weitere Ergänzung: Kontaktmuster und da auch sozio-ökonomische Faktoren - und welche Rolle sie für den Pandemieverlauf haben:
Wichtige Hinweise gibt es auch in dieser Einordnung von @ewyler, "dass für das Verständnis der COVID-19-Sterblichkeit neben biologischen auch eine Reihe von sozialen Faktoren miteinbezogen werden" müssen.
Weil die Hinweise auf Studien ja durchaus auf Interesse stoßen, hier noch eine aus meinem "Archiv" - höheres Risiko für Menschen mit Lernschwächen. bmj.com/content/374/bm…
Studie zu Communities of color in New York City @Nature "We find a positive association between neighborhood social disadvantage and infections. (...) Neighborhood disadvantage is also associated with a proxy of the capacity to socially isolate..." nature.com/articles/s4146…
Weitere Ergänzung der Liste: Paper, das schon 2020 vorschlug, Pandemiemaßnahmen strukturiert auf auch negative Auswirkungen zu prüfen, um dem dann entgegen zu wirken. Eben weil zunehmende Ungleichheit der Pandemiebekämpfung entgegen stehen kann. ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/P…
Und noch etwas (heute Studien-Lese-Tag): Spannendes Paper zu einem Ort in Thüringen in der ersten Welle journals.plos.org/plosone/articl… bzw. idw-online.de/de/news774560: Learnings - horizontale Kommunikation z.B. über WhatsApp-Gruppen wichtig. "Health authorities" weniger "trusted sources".
Noch eine Ergänzung: „Der Zusammenhang zwischen sozialen Ungleichheiten und Covid-19 Fallzahlen auf Stadtteilebene – Eine Fallstudie für 46 Stadtteile der Stadt Duisburg.“ degruyter.com/document/doi/1…
Und dann - wichtig - „Wie man soziologisches Wissen dazu operationalisieren kann“, am Beispiel der Bremer Impfkampagne, danke @analog_a für den Hinweis!!
Wegen des Interesses hier noch aus d. Ordnern hervor gekramt: Sonderausgabe Journal of Health Monitoring S7/2020. Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit & COVID-19. Mit ersten COVID-19-Meldedaten aus Deutschland damals rki.de/DE/Content/Ges…
Informationen / Hinweise zu Kluft zwischen "reicheren" und "ärmeren" Kindern bei Bewegung in der Pandemie gibt es z.B. im DAK Präventionsradar oder im Jugendsportbericht.
Für den Fall, dass in aufgeheizten Debatten über „Trigger-Themen“ das Bedürfnis besteht, es konstruktiv anzupacken, statt mit anzuheizen und Populisten oder Extremisten in die Hände zu spielen. Habe mal gebündelt, was hinter solchen Themen steckt:
1/5deutschlandfunk.de/der-umgang-mit…
Basis sind das Buch Triggerpunkte (Mau, Lux, Westheuser) und unsere Berichterstattung (nicht nur) darüber, plus erweiterte Studienlage (Links u.a. zur Buchmessen-Sendung im Beitrag ⬆️).
Es ist eine Handreichung, solche Reizthemen strukturiert und konstruktiv zu beleuchten. 2/5
Für mich ist das die Leistung des Buches, neben der Beleuchtung der Pseudo-Polarisierung unserer Gesellschaft in so manchen Bereichen (dazu ein Hörtipp aus 12/2022, eine Preview der Ergebnisse & Einordnung. Knappe Stunde Sondersendung: ) 3/5deutschlandfunk.de/die-polarisier…
In diesem Kommentar geht es unter anderem auch um die soziale Unwucht der Pandemie. Warum war das so selten Thema? Das habe ich bei der Arbeit an dem Text @DLF den Medizinhistoriker @malte_thiessen gefragt. Hier ist seine komplette Antwort (Mit einem thx für die Freigabe!) ⤵️
„Aus historischer Perspektive ist die soziale Ungleichheit vor Krankheit und Tod ein Klassiker. Schon die ersten aussagekräftigen Statistiken seit dem 19. Jahrhundert weisen relativ klar auf den Zusammenhang zwischen Lebens- und Gesundheitslage hin.“
„In Berlin machte Anfang des 20. JH angesichts grassierender Infektionskrankheiten (v.a. Tuberkulose, aber auch Diphtherie, Rachitis, vorher sehr lange auch die Cholera) das böse Bonmot die Runde, man könne einen Menschen „genauso gut mit einer Wohnung töten wie mit einer Axt“.
Heute ist ein geeigneter Tag, um auf das Thema: Wie es gelingt, ein Thema in der journalistischen Berichterstattung zu platzieren und auf den Umgang dann da mit Studien zu schauen. Anlass: Die von Plan International beauftragte Umfrage zu "Spannungsfeld Männlichkeit". 🧵
Sie schaffte es schon direkt heute früh in verschiedene Berichterstattungen. Wie läuft so was? Sonn- und Feiertage sind generell gute Tage, um eigene Themen zu platzieren, für eigene Reichweite - also dass andere melden - "wie xy berichtet". Als Teasing auf einen eigenen Bericht.
In diesem Fall waren dies die Funke-Zeitungen. Sie berichten morgen (Montag! nicht heute) über die genannte Umfrage - und teasen das heute schonmal an. Offenbar wurde gestern eine Pressemitteilung vorab herausgegeben, an einen Verteiler von Nachrichtenagenturen u.a.
Jetzt die Woche ist Internationaler #Frauentag. Ein paar Zeilen über Wertschätzung. Die Frau im Hintergrund auf diesem Bild ist meine Mutter, mit mir. Sie hat als Managerin in den nachfolgenden Jahren ein erfolgreiches, zukunftsgewandtes Familien-Business aufgebaut. Das lief so:
Sie arbeitete in 14-16 Stunden Tagen, quasi die gesamte Woche. Nur der Sonntag war heilig, da war mittags Mittagsschlafzeit, wir durften nicht stören. Sie war Expertin im Crowdfunding & Multitasking. Jetzt ist sie in Rente. Der Lohn für harte Arbeit? Hier die Realität:
Das Business hieß alleinerziehende Mutter (für alle diese ist auch dieser Text). Das Crowdfunding bestand aus auch mal mehreren Jobs, Regale einräumen, wenn Klassenfahrten anstanden. Das Multitasking darin, alle Bälle in der Luft zu halten & sich die Last nicht anmerken zu lassen
Erfahrung fürs Leben – was heißt es, als Kind arm zu sein? Gesprächssendung @DLF gestern, mit der sehr beeindruckenden Iris Sayram @irisma8 (hat „Für Euch“ geschrieben). Auch dazu, was wissenschaftlich belegt ist dazu. deutschlandfunk.de/erfahrung-fuer…
Und darüber, dass manche erst spät(er) erkennen, was das heißt & wie tief das sitzt. + mehr zu dem Buch, das Iris Sayram für ihre Eltern geschrieben hat: deutschlandfunkkultur.de/eine-kindheit-…
Ich erinnerte mich beim Hören an das: Einen Pullover. Ich hatte ihn von einer Tante bekommen. Er war teurer. Mein Lehrer sprach mich an: Du hast einen neuen Pullover! Ich freute mich so! Erst später merkte ich (gut so): andere Kinder wurden nicht auf neue Pullover angesprochen.
In eigener Sache: Wir haben die 1. Ausgabe der Systemfragen @DLF auf die Welle & ins Netz gebracht 🚀. In der Sendung habe ich gesagt, dass ich mich total freue. JA! Es war viel Arbeit & ging dann alles sehr schnell.Anfang Januar stand der neue Name fest, jetzt die erste Sendung.
Entstanden ist die erste Ausgabe zusammen mit einem unserer langjährigsten Autoren Andreas Beckmann & unserer neuesten Autorin, Mirjana Jandik. Was gleichzeitig auch etwas ist, das wir uns vorgenommen haben: Wir machen etwas Neues, aber mit uns allen.
Vielleicht wird man uns das "Neues machen" also manchmal noch anhören. Weil wir ein sehr lange existierendes recht ähnlich aufgebautes Magazin durch eine monothematische Sendung mit vielfältigeren Formen ersetzt haben. Aber nicht das Team, das daran mit Leidenschaft arbeitet.