Das Delir - oder: „Warum ist Omi nach der Narkose verrückt geworden?“
Ein Thread für nicht-Profis.
Nach (mehr oder weniger) großen chirurgischen Eingriffen mit (oder ohne) Aufenthalt auf der Intensivstation ist es endlich Zeit die geliebten Angehörigen zu besuchen, aber: Oha! Was ist denn mit Oma los? Sie weiß gar nicht wo sie ist. Zieht sich alle Kabel. Nestelt im Bett.
„Nach der letzten Narkose war meine Mutter zwei Wochen total durch den Wind!“.
„Eigentlich haben wir nur Angst, dass ihr Gehirn nach der Narkose ganz kaputt ist“.
Wie oft ich diese Sätze in der Ambulanz gehört habe… (Die OP war dabei gerne der 3-Fach-Herz-Bypass)
Aber räumen wir mal ein bisschen auf:
Vermutlich handelt es sich hier um ein Delir.
Das Delir kann verschiedene Ursachen haben - ich beziehe mich hier auf das „postoperative“ Delir. Häufig sind jedoch auch Mischformen (Entzugsdelire + der Krankenhausaufenthalt/Operation)
Doch was ist so ein Delir?
Kurz: Es ist ein akuter Verwirrtheitszustand.
Wichtigste Unterscheidung: Hyper- und hypoaktive Delire. Also entweder „viel Lärm“, oder „verlangsamt rumliegend“.
Es äußert sich durch Bewusstseinsstörungen, motorische Unruhe, Schlafstörungen,
Wahrnehmungsstörungen und vor allem: Ein akuter Beginn mit fluktuierendem Verlauf.
Häufig „bessert“ sich das Delir im Tagesverlauf um in der Nacht erneut mit mehr Symptomatik aufzutreten.
Achtung: Das Delir geht mit einer erhöhten Sterblichkeit einher! Es ist ein Notfall!
Doch woher kommt das jetzt? Der böse Narkosearzt ist Schuld!!
Ja, auch. Aber die Narkose ist nur ein Bruchstück. Narkose besteht aus mehreren Bestandteilen, einer davon, die „Hypnose“ schaltet die Wahrnehmung im Gehirn aus und ist damit einer der Risikofaktoren.
Während man früher relativ ungesteuert Narkosemittel in den Patienten pumpte, so versucht man heute die Narkosetiefe „möglichst flach“ zu halten: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. (Achtung, die viel propagierte „Leichte Narkose“ ist ein Kunstbegriff,so etwas gibt es nicht)
Aber es wäre zu einfach alles auf die Narkose zu schieben. Patienten, die Oberschenkelbrüche in „lokaler Betäubung“ operiert bekamen, hatten plötzlich auch Delire - huch? Ganz ohne Narkose?!
Ja, denn auf den Bewusstseinszustand wirken unfassbar viele Faktoren ein.
Dazu zählen:
Fieber, Infekte, Stoffwechselstörungen (Zucker, Nieren- und Leberstörungen, Blutarmut, Übersäuerung, …), Elektrolytstörungen (Störung der Blutsalze), Schmerzen, Verletzungen, Unterernährung, diverse Medikamente, Herzprobleme, der Einsatz von Herz-Lungen-Maschinen b. OP, …
Huch. Also man sieht: Geht auch ganz ohne Narkose!
Aber es geht hier nicht um Schuldzuweisung. In der Zwischenzeit sind Anästhesistinnen, Chirurginnen, Internistinnen und die Pflegefachkräfte immer besser darauf geschult Delire früh zu erkennen (insbesondere die „ruhigen“).
Was kann man tun?
Vermeiden von Stress, Lärm, Aufrechterhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus, ausgleichen von Nahrungs- und Flüssigkeitsdefiziten, adäquate Schmerztherapie.
Man versucht die Patienten zu führen und dem Gehirn wieder „Struktur“ zu geben. Wo sind sie, welches Datum ist
Heute. Tageslicht in Intensivzimmern. Besuch von Angehörigen (aber nicht alle auf einmal!).
Wenn man alle zugrunde liegenden Faktoren behoben hat, bleibt leider nur noch die „Symptome“ zu lindern. Dies gelingt manchmal mit Medikamenten, wobei manche dieser Leider gleichzeitig
Wieder zu einem Delir führen können. Es ist eine Gratwanderung.
Von Medikamenten abgesehen ist die Physiotherapie und Ergotherapie ein angewendeter Ansatz.
Leider können wir vor Eingriffen keine Garantie dafür geben, dass kein Delir auftritt. Aber ich verspreche euch: Das Thema beschäftigt alle, die sich um eure Angehörigen kümmert und die Sensibilisierung steigt mit jedem weiteren Tag.
Dieser Thread ist für Laien. Werdende Mütter (und Väter), die nicht wissen, was man tun kann und was passiert. Fragt! Ich (und meine Bubble bestimmt auch) versuchen alle Angst auszuräumen!
Wenn ich grobe Fehler gemacht habe, macht mich darauf Aufmerksam 😉
Gerne RT🦜
Während der häufig mehrstündigen Wehentätigkeit kommt es in der Regel zu wirklich extremen Schmerzen (Schmerz ist immer subjektiv und mehr als die reine „Aua“-Wahrnehmung!).
Es ist einfach harte Arbeit (im englischen „Labor“!!).