Der eigenständige Zugang ins All war einer der wenigen Bereiche, wo Europa (nahezu) strategische Autonomie erreicht hat. Mit dem Wegfall der Sojus-Raketen, dem Auslaufen der Ariane 5 und den Verzögerungen bei der Ariane 6 ist dieser Zugang temporär Geschichte.
Auch die kleinere Vega-Rakete kann aktuell nicht wie bisher starten, weil in der Oberstufe Komponenten aus RUS/UKR genutzt werden. Erst 2026 soll eine Version mit „Europe only“ Komponenten verfügbar sein.
Die Implikationen sind weitreichend und werden von der deutschen und europäischen Politik bisher verkannt. Bereits heute stellt sich unmittelbar die Frage, wie die weiteren Galileo-Satelliten gestartet werden können. OneWeb hat bereits umgebucht und wird jetzt mit SpaceX starten.
Ein „Umbuchen“ von europäischen Payloads auf US-Raketen ist allerdings auch mittelfristig nur eingeschränkt möglich, weil bis auf SpaceX viele amerikanische Anbieter ebenfalls Triebwerke aus RUS/UKR-Produktion verwenden. US-Payloads werden zudem Vorrang haben.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Europa kurz- und mittelfristig nicht reagieren kann, falls Satelliten gestört, gehackt oder abgeschossen werden -- kein unrealistisches Szenario in der aktuellen Situation.
Dies ist gravierend, weil die Satelliten-Infrastruktur das Rückgrat moderner Gesellschaften ist. Egal ob Kommunikation, Industrie 4.0, Datentransfer oder Klimaschutz -- ohne Satelliten geht (fast) nichts mehr. Von der strategisch/militärischen Bedeutung ganz zu schweigen.
Umso wichtiger wäre es jetzt, Alternativen politisch zu stärken und die Resilienz bei europäischen Trägersystemen zu erhöhen. Gerade kommerzielle europäische NewSpace Launcher können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Leider ist dies bisher nicht der Fall.
Im Gegenteil: Kommerzielle Launcher müssen für die Tests ihrer Triebwerke ins Ausland, zum Teil EU-Ausland, ausweichen. Die Nutzung von Startplätzen ist noch immer ein Problem. Schweden hat kein Überflugrecht über Norwegen, Norwegen selbst ist kein EU-Mitglied.
Gleiches gilt für Schottland. Kein EU-Mitglied heißt, dass keine EU-Payloads gestartet werden können. Zudem fehlen rechtliche Grundlagen (Haftung), wenn z.B. deutsche Launcher im Ausland starten wollen. Ergänzend kommt Dual-Use-Problematik bei Drittstaaten hinzu.
Starts in Französisch-Guyana sind aufgrund der grossen Entfernung - Transportkosten/Aufwand - unattraktiv. Kurzfristige Starts sind hier ebenfalls nicht möglich. Hinzu kommt, dass Startplatz von der CNES betrieben wird, die mit MaiaSpace jetzt staatliche Konkurrenz realisiert.
Die aktuelle Situation und der temporäre Verlust des strategischen Zugangs ins All muss ein Weckruf für deutsche & europäische Politik sein. Notwendig ist politische Unterstützung der NewSpace Launcher, Startmöglichkeiten in EU-Kontinentaleuropa & förderliche Rahmenbedingungen.
Das Beispiel SpaceX zeigt auch, dass politische Unterstützung und der politische Wille für den Erfolg von kommerziellen Trägerraketen mit entscheidend ist (Teststände, Startplätze und Aufträge). Die US-Regierung wollte kommerzielle Anbieter und hat diese deshalb massiv gefördert.
Der Krieg gegen die Ukraine hat schonungslos die deutsche Abhängigkeit von Gas und Öl aus Russland deutlich gemacht. Bis jetzt ausgeblendet wird die noch wesentlich größere Abhängigkeit von mineralischen Rohstoffen aus China. Sie wiegt noch schwerer, weil: 1/.
1. Im Gegensatz zu Öl und Gas gibt es keinerlei nationale (strategische) Reserven. Ein Lieferstopp hätte somit sofortige Auswirkungen. 2/.
2. Viele mineralische Rohstoffe sind Schlüssel und Basis für Digitalisierung, Elektromobilität und erneuerbare Energien. Mit der laufenden Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft erhöht sich die Abhängigkeit von Tag zu Tag weiter. 3/.