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Apr 13 25 tweets 5 min read
Finde, Deutschland gehört zu den zehn "anständigsten" Ländern der Welt, aber wenn es um Außen- und Verteidigungspolitik geht, merkt man noch immer, dass Deutschland 45 Jahre nicht souverän war und sich bis heute laufend zum Obst macht. #Steinmeier
Erst die 5.000 Helme, dann jede Menge Altmetall und modernere, leichte Waffen in eher moderaten Stückzahlen, und was schwere Waffen angeht, ist das fast schon Satire. merkur.de/politik/ukrain…
Die Bundeswehr will eigentlich gar nichts brauchbares rausrücken, so dass die Ukraine direkt bei den Herstellern bestellt, aber die Bundeswehr lässt sich auch nicht auf Vorablieferung aus eigenen Beständen ein, man hätte sonst selbst nix, wenn die Russen bis zu uns durchkommen.
Die Ukraine wird aber schwere Waffen von Deutschland erhalten, die Lieferung der bestellten Panzerhaubitzen soll 2025 anrollen und 2027 abgeschlossen sein. Ähnliches gilt für neue Schützenpanzer, wo der Bund auch vorab keine rausrücken will.
Ansonsten haben KMW und Rheinmetall wohl eine Menge ältere Gebrauchtpanzer auf Lager, Leopard 1 und Luftabwehrpanzer Gepard etwa, und wer weiß, was alles noch, und auch, wenn unklar ist, wie viel Nutzen das Geräte in der Ukraine entfalten kann - seit wann ist im Krieg alles klar?
Wie auch bei den polnischen Kampfflugzeugen bestehen zudem Bedenken, dass die Waffen zum besonderen Ziel der Russen werden und schnell zerstört werden könnten, eventuell noch auf dem Weg zur Front oder nach wenigen Tagen Einsatz, aber seit wann ist Krieg sicher?
Der Punkt ist: Wenn die Ukraine verliert, muss die Bundeswehr selbst an die Front und kämpfen, und man hat das Gefühl, als wolle man es lieber darauf ankommen lassen, als jetzt schnell die gewünschte Hilfe zu leisten.
All das vor dem Hintergrund einer Politik gegenüber Russland, die sich als Fehler erwiesen hat. Fehler können passieren, aber wenn man sie bemerkt, trägt man auch Verantwortung für den Ausgleich der Folgen für Dritte, etwa hier für die Ukraine.
Im Übrigen warten in der Welt viele darauf, dass Deutschland in Europa jetzt auch die Führungsrolle einnimmt, die Deutschland aufgrund seiner Bevölkerungsgröße und Wirtschaftsmacht in der Welt faktisch hat.
Führen ist für Deutschland offenbar besonders schwer, aus genannten historischen Gründen, aber es ist halt auch bequem, andere Länder vorzulassen und zu kritisieren als selber die Initiative zu übernehmen und aktiv Fehler zu machen.
Deutschland ist jetzt kein Totalausfall im Ukraine-Krieg, aber wird seiner Gesamtverantwortung nicht gerecht, die sich aus Deutschlands Größe und Deutschlands Fehlern in den letzten 10-20 Jahren ergibt.
Im Übrigen nutzt die deutsche Politik gerade nicht die große Unterstützung, die in der Bevölkerung herrscht. Die Leute sind bereit, zu verzichten, aber der Verzicht muss auch etwas bewirken. "Banks vs. Tanks" reicht nicht aus, und auch das spielen wir ja nur halbherzig.
Politik kommt praktisch immer zu spät, oft erst, wenn ein Problem nicht mehr zu ignorieren ist, aber es gibt halt schon Unterschiede in den Reaktionszeiten und der Angemessenheit von Reaktionen, und Deutschland tendiert zum Langsamen und Halbherzigen. Die Mühlen mahlen lassen.
Das vermeidet zwar einerseits so manchen Fehler und manchen Ärger, aber kann halt katastrophal sein in Situationen, wo schnelles Handeln geboten ist und man den Bereich abgestimmter Pläne verlässt.
So gab es natürlich in Deutschland keine Pläne für den Fall, die Ukraine schnell mit Waffen zu versorgen, wenn sie von Russland überfallen wird, weil man ja nicht in Kriegsgebiete lieferte, und jetzt kann man halt der deutschen Politik beim Handeln ohne Plan zusehen.
Ein bisschen Plan gab es, das merkte man an den relativ zügigen, abgestimmten frühen Reaktionen des Westens. Auch in Deutschland dürfte man vorher über die Eventualität eines russischen Einmarschs nachgedacht und Sanktionen vorbereitet haben, und über mehr Rüstungsausgaben.
Was auch immer es an Plänen gab, dürfte durchgespielt oder überholt sein, und jetzt muss halt neu geplant oder erst mal ohne viel Plan gehandelt werden, und am Ende ist es so oder so schlimm, nur in einem Fall hat man hinterher oft die Arschkarte, aber dafür mehr Selbstachtung.
Außerdem gibt es auch kein klares Ziel und jede Menge Zielkonflikte. Ein rasches Ende verträgt sich nicht mit dem Ziel, Russland Territorialgewinne zu gönnen, und die Lieferung von schweren Waffen nicht mit dem Ziel militärischer und politischer Deeskalation.
Am Ende liefert Deutschland doch schwere Waffen, wenn genug andere vorgeprescht sind, offenbar spätestens 2025, wahrscheinlich aber bald, wenn es neue schlimme Nachrichten aus der Ukraine gibt, von russischen "Erfolgen" etwa, und für Eskalation sorgt Putin im Zweifel selbst.
Was also tun? Nun, ich würde mir hinterher lieber vorhalten lassen, der Ukraine zu viele Waffen geliefert zu haben als zu wenig und dafür die Bundeswehr und die NATO-Armeen so plündern, als wenn sie selbst im Krieg wären.
Ein häufiger Einwand ist, dass die Ukrainer die schweren Waffen aus dem Westen ja gar nutzen können, weil Training fehlt, aber absehen davon, dass der Krieg noch lange gehen kann, gibt es auf der Welt viele qualifizierte Freiwillige, die den Ukrainern das vor Ort zeigen können.
Tatsächlich passiert vor Ort davon auch eine ganze Menge, mehr, als sinnvollerweise in den Medien kolportiert wird, und es sind mit Sicherheit ausländische Militärberater in größerer Zahl in der Ukraine, die bei Wartung und Einsatz von Waffensystemen helfen.
Vielleicht ist das alles auch groß angelegtes politisches Theater, und in Wirklichkeit liefern wir heimlich längst Unmengen, aber ich glaube dass das wenn dann eher auf andere Länder als Deutschland zutrifft. Schwere Kriegswaffen sind auch bürokratisch hoch kontrolliert.
Zudem landen Waffen früher oder später beim Gegner oder in den Medien, und die Russen haben auch Spione, insofern kann man größere Waffenlieferungen nicht lange geheim halten; gerade aber besteht hohes Interesse aller Beteiligten, Waffenlieferungen geheim zu halten.
Dass #Steinmeier aber Teil einer Show ist, glaube ich nicht. Ich halte alles für Ausdruck der Einschätzung von Zelenskiy, dass ein Besuch von #Steinmeier nicht nur (aber auch) Zeitverschwendung wäre, sondern eine Zumutung, eine Absolution für Deutschlands Mangel an Verantwortung.

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Apr 15
Das ist sehr bitter für Russland. Es ist unklar, wie viele von der Besatzung getötet wurden, von „niemand“ bis 450 Tote reichen die Spekulationen, aber allein die verlorenen Raketen, Cruise Missiles und Radarsysteme kosten Milliarden.
Irre finde ich, wie lächerlich sich Russland mit seinem pathologischen Rumgelüge gemacht hat; als würde irgend etwas schlimmes passieren, wenn jemand mal die Wahrheit sagt, werden Lügen verbreitet, die peinlicher sind als die Wahrheit.
Erst versuchte man das ganze als Feuer herunterzuspielen, eine Betriebstörung, die leider ein bisschen Munition gezündet hat, weshalb der man sicherheitshalber die Mannschaft evakuiert hat. Bei Sturm. Wegen dem das Schiff dann gesunken ist.
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Apr 14
Denke, die NATO sollte militärisch so mobilisieren, als würde es bald Krieg mit Russland geben. Wenn Russland in der Ukraine zu erfolgreich ist, wird die NATO rein müssen, und wenn die Ukraine zu erfolgreich ist, wird Russland eskalieren.
Die dritte Möglichkeit ist eine Art Patt, wo die Russen hinreichend viel ukrainisches Territorium besetzt halten und auch der Ukraine die Luft ausgeht, aber die Verluste auf beiden Seiten so groß sind, dass sie ein Einfrieren des Konflikts durch Waffenstillstand vorziehen.
In dem Fall wäre der 3. Weltkrieg noch mal aufgeschoben, bis sich Russland dafür neu gerüstet hätte, und wir hätten auch so 3-15 Jahre Zeit, dafür aufzurüsten, aber auch in dem Fall wäre es vielleicht besser, Russland eher früher als später im Kampf zu begegnen.
Read 25 tweets
Apr 11
Glaube, viele Menschen haben Probleme, in Graustufen zu denken; für sie ist oft alles Schwarz oder Weiß, und mehr schwarz als weiß. Ihre Welt besteht vor allem aus Gebirgskämmen und Talsohlen; am Hang dazwischen abseits ausgetretener Pfade fühlen sie sich unwohl.
Sie suchen lieber den Schulterschluss mit anderen, schließen sich einer Gruppe an, inkorporieren sich in ein Überwesen, das ihre geistige Freiheit und Beweglichkeit durch Gruppennormen weiter einengt, aber dafür Kraft und Geborgenheit liefert.
Die Meinungsbildung in Gruppen ist nicht allein durch Wahrheitssuche geleitet, sondern unterliegt vielen anderen Anforderungen, so dass Gruppen nicht unbedingt die wahrsten Realitäten konstruieren, sondern eher die praktischsten, und die führen oft in Katastrophen.
Read 4 tweets
Apr 9
Russland hat ein BIP von 1.483 Mrd. $, das sind rund 4 Mrd. pro Tag. Der Krieg in der Ukraine soll Russland zwischen 1 und 20 Mrd./Tag kosten, ohne Sanktionen. Im 2. Weltkrieg betrugen die Militärbudgets von Deutschland und England zum Schluss ca. 60% des BIP.
Das würde bedeuten, dass Russland bei voller Kriegsproduktion wie im 2. Weltkrieg, also 60% des gesamten Outputs des Landes in den Krieg zu stecken, gerade mal 2,4 Mrd. pro Tag zur Verfügung hätte.
Im Rüstungsbudget stehen sogar nur 230 Mio./Tag für das gesamte russische Militär zur Verfügung, was anteilig vielleicht 100 Mio./Tag für die in der Ukraine im Einsatz befindlichen Truppen bedeuten würde. Das passt alles nicht. Wie teuer ist der Krieg für die Russen wirklich?
Read 19 tweets
Apr 7
Wäre ich westlicher Machtpolitiker, hätte ich Forderungen an Putin. Etwa die Demilitarisierung von Kaliningrad und die Neutralität von Belarus. Ich meine, warum sollte Russland Pufferstaaten haben und wir nicht? Und Kaliningrad ist eine Provokation, eine Gefahr für den Frieden.
Nicht Kaliningrad an sich, sondern die völlig übertriebene Präsenz an Waffen und Militär dort, die zur Verteidigung überhaupt nicht notwendig ist. Niemand hat vor, sich an Kaliningrad zu vergreifen. Die russische Militärpräsenz ist eine Aggression gegen alle Nachbarn.
Kaliningrad sollte auch weg von Russland. Nach diversen ethnische Säuberungen macht es zwar wenig Sinn, das Land anderen Staaten zuzuschlagen, aber alles andere als ein unabhängiges und demilitarisiertes Kaliningrad fände ich inakzeptabel - wenn ich eine Art West-Putin wäre.
Read 21 tweets
Apr 4
If you tell your army they are hunting Nazis, how does that affects the brutality of your soldiers, who do already have a long track record of war crimes? And a leadership that does not discipline it's troops, is responsible and deserves all the fallout from committed atrocities.
I have seen the bases the Russians left all around Berlin in the 1990s, and I was shocked how soldiers could live in such conditions and not care. Everything looked like decades of neglect and rough repairs. Most roofs were leaking, and buckets showed that they have been forever.
When plumbing broke, they made a hole in the ceiling of a room and used it as a toilet, filling the room under it with shit over many years. When the room was filled up, they moved to a different room. Talked to the guy tasked with cleaning it out after the Russians left.
Read 25 tweets

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