Um mal wieder einen aktuellen Anlass (#XavierNaidoo) für einen Thread zu nutzen, schreibe ich was über Krisenaussteiger und ihre "Rückkehr". Erstmal zur Lage: Ich hab ja schon gesagt, dass die Gesellschaft sich gar nicht so "spaltet", wie es in Medien gerne dargestellt wird...
...sondern ein Logikfehler. Die Mehrheiten in der Gesellschaft verändern sich gar nicht so sehr, wir beschäftigen uns nur viel mehr mit den Extrempositionen, wodurch die Verhältnisse unsichtbar werden (jensscholz.com/index.php/2021…). Der 2. Faktor, der gerne falsch dargestellt wird...
...und sich als Folgefehler ergibt ist, dass sich hier gar keine zwei Extreme bilden sondern nur eines: Menschen, die auf Krisen mit Realitätsflucht reagieren, spalten sich ab. Die Mehrheit bleibt aber einfach dort, wo sie ist. D.h die Dynamik ist eigentlich, dass sich ein...
gewisser Prozentsatz von Menschen aus dem gesellschaftlichen Konsens ausklinkt und in eine Parallelrealität wechselt. Was gut ist: Die meisten von ihnen kommen nach der Krise auch wieder zurück. Soviel vorweg. Worum es mir geht ist die Dynamik, die sich an genau dieser Stelle...
ergibt, die man auch bei Naidoo grade beobachten kann: Das Misstrauen gegen die Rückkehrer ist massiv und das ist auch verstärkt dadurch, dass es so klingt, als ob sie relativ locker damit umgehen: Bin da ein bisschen auf Quatsch reingefallen, aber jetzt ist wieder alles klar...
...und wir denken: WTF, Du hast 2 Jahre total am Rad gedreht, hast gefährliche Verschwörungsmythen verbreitet, warst super aggressiv, Du hast alle um Dich herum gefährdet und Dich dabei auch noch als Opfer gebärdet. Wie kommst Du darauf, dass wir jetzt sagen "Ach prima, dann...
...hallo, magst Du nen Kaffee? Was machen wir morgen?"
Diese Diskrepanz werden wir im Laufe der kommenden Zeit öfter spüren und ich möchte erklären, wieso unsere Rückkehrer so entspannt sind und wir nicht:
Das kennen wir nämlich von woanders. Wer mit Kindern eine lange Stecke...
...fährt, hat sicher schon mal erlebt, wie nervig es sein kann, wenn die Kids die ganze Fahrt lang immer weiter eskalieren. Nach dem hundertsten Mal "Wann sind wir da?" und "Wie lange dauerts noch?" und "Ich will nach Hause!" ist auch der geduldigste Mensch mit den Nerven durch..
...und völlig fertig, wenn man endlich zu Hause ist. Denn nicht nur hat man vier Stunden fahren müssen, sondern auch zusätzlichen Stress ausgehalten, weil man die Kids trösten, beschwichtigen, beruhigen musste (oder die Nerven verlor und selbst aggressiv wurde). Es ist aber...
...auch so, dass sobald man zu Hause ist, die Kinder auf einen Schlag wieder völlig entspannt und gut gelaunt sind und überhaupt kein Bewusstsein dafür zeigen, warum die Eltern immer noch so gestresst sind: Wir sind doch jetzt da. Ist doch alles prima. ...
So ähnlich wie den Kindern geht es den Rückkehrern: Sie melden sich bei einem, als wäre nichts gewesen und verstehen gar nicht, warum man ihnen so reserviert begegnet: Die Krise ist doch rum, jetzt können wir uns doch wieder treffen.
Dass sie uns 2 Jahre das Leben schwerer...
...gemacht haben, als es mit der Krise für alle eh schon war, kommt ihnen nicht in den Sinn. Was auch logisch ist, denn sie waren ja nicht in unserer Welt sondern in ihrer eigenen und haben daher überhaupt keinen Bezug zu unserem Erleben. Und mit dem Abschluss der Krise...
...schließen sie auch mit ihrer Parallelwelt ab. Das heißt, sie haben überhaupt keinen Ballast, den sie mitbringen und können sich quasi ganz entspannt wieder in den Alltag einfügen, den sie zuvor ohne es zu merken mit ihrem Verhalten massiv belastet haben...
...daher stellt sich die Frage: Wie gehen wir damit um? Kindern kann man keinen Vorwurf machen, wenn sie nach der stressigen Autofahrt einfach wieder auf "normal" umschalten. Aber Erwachsenen? Die auch noch beleidigend waren, Hass verbreitet haben, ihre Umwelt gefährdet haben?...
Ich hab da keine pauschale Antwort. Ich nehme an, es kommt auf jeden Einzelfall an. Und auch, wie hoch die eigene Stressstabilität ist. Ob es noch etwas zu reparieren gibt wie bereit der Rückkehrer ist, das zu reflektieren und zu verarbeiten. Aber vielleicht hilft ja schon,...
wenn man ein bisschen mehr darüber weiß, was da eigentlich passiert ist. #threadende
(und noch ein kleiner Disclaimer: Ich behaupte hier nicht, dass alle Verschwörungsfuzzies so denken und dass für alle von ihnen gilt, dass sie nur für eine Weile aus realen Krisen flüchten. Es gibt zB auch gefährliche antidemokratische Leute, die genau wissen, was sie da tun.)
((und ein 2. Disclaimer: Ich glaube, dass Naidoo nur zu einem Teil in die beschriebene Kategorie fällt und er ganz andere Probleme hat, die wesentlich schwerer wiegen. Es geht nicht um Naidoo. Er ist lediglich der Anlass für diesen Post gewesen.))
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Nochmal zum Thema "warum es Maskengegnern nicht reichen wird, dass sie keine Maske mehr tragen müssen": Ich schrieb ja im letzten Thread, dass die Projektion der Angst vom "Maske tragen" jetzt auf "Masken sehen" wechselt und warum. Es gibt einen zweiten Aspekt. Da geht's...
...um Egoismus. Wir sind alle auch Egoisten, aber wir mögen es natürlich nicht, wenn er sichtbar wird, jedenfalls nicht dann, wenn wir damit in der Minderheit sind. Das Problem, wenn andere die Masken aufbehalten ist aber, dass genau das passiert. Daher kommen jetzt...
...die Forderungen nach einem Maskenverbot: Alle sollen keine Maske mehr tragen, dann gibts keinen sichtbaren Unterschied mehr zwischen egoistischen und solidarischen Menschen.
...
Weil mir grade dieser Tweet in die Timeline gespült wurde nutze ich ihn mal als Gelegenheit, ein bisschen über Angst zu schreiben und wieso Maskengegner immer noch nicht zufrieden sein werden, obwohl doch jetzt alle - so wie sie sich das ja wünschten - tun können was sie wollen.
Maskengegner, Pandemieleugner, Impfgegner oder wie auch immer wir sie nennen wollen sprechen ja erstaunlich oft über Angst. Sie behaupten, Masken werden aus Angst getragen und sie erklären allen Umsichtigen ständig, der Unterschied zwischen ihnen sei, dass sie keine Angst haben.
Masken und Impfungen sind natürlich keine irrationale Reaktion auf Angst sondern Maßnahmen, ein Risiko, das von einer ansteckenden Infektionskrankheit ausgeht, zu verringern. Wenig emotional, das ganze. Und Masken tun nicht weh und sorgen dafür, dass man ganz normal seinem...
Deutschland ist ja so ein Paradebeispiel für Länder, die ihre Gesetze und Maßnahmen immer mit den Bedürfnissen von Armen, Alten oder Kindern argumentieren und bei der Umsetzung dann akribisch aufpassen, dass auf keinen Fall Arme, Alte oder Kinder einen Nutzen davon bekommen.
Ich gehe zum Beispiel jede Wette ein, dass am Ende bei Leistungsempfängern jede Zuwendung über so eine Maßnahme woanders direkt wieder rausgekürzt wird.
Wenn in den letzten 20 Jahre wirklich alles zu Gunsten derer umgesetzt worden wären, für die sie vorgeblich gedacht gewesen sind hätten wir jetzt bezahlbaren Wohnraum, überall Internet, gesunde Schüler*innen und Omas würden Canasta spielen statt Müll nach Altglas durchsuchen.
Natürlich kommen jetzt auch die Leute, die behaupten, eine "vernünftige" Lösung zu präsentieren, natürlich mit der nötigen Gravitas des Überbringers von "unbequemen Wahrheiten". Und da ist so ein Precht natürlich auch wieder ganz vorn dabei. So vorhersehbar und eigentlich banal:
In Wirklichkeit geht es hier - wie so oft bei solchen Diskussionen, in denen Angegriffene zum Nachgeben aufgefordert werden (egal ob als plumpe Beschimpfung wenigstens in gewisser Weise ehrlich oder als paternalistisches "gut meinen" getarnt) - nur darum,...
eine schwierige Situation, von der diese Leute indirekt betroffen sind und dadurch irgendwas zwischen Umbequemlichkeiten und Ängsten erfahren, die sie nicht haben wollen, schnell zu beenden. Dabei geht es ihnen nur um sich selbst. Opfer von...
Ich hatte eine ähnliche Beobachtung schon mal bei einigen Piraten bzw in der Nerdkultur gemacht, wie jetzt bei einigen Menschen, die sich in ihrer Eigenwahrnehmung wahrscheinlich als Vertreter von "Alternativen Lebensweisen" betrachten: Menschen aus Milieus, die es in der...
... Gesellschaft schon mal eine längere Zeit sehr schwer hatten, akzeptiert zu werden und deren Situation und Status sich durch die positiven Entwicklungen der letzten Dekaden verbessert hat, verwandeln sich in diejenigen, die sie vorher mit Intoleranz und überheblichem Spott...
... verletzt und diskriminiert haben. Ich glaube daher, dass es für Menschen aus Gruppen, für die sich eine lange Zeit der gesellschaftlichen Kränkung auflöst, mehrere Reaktionen gibt, nämlich mindestens drei. Die harmloseste ist, dass sie die Erleichterung nutzen, um endlich...
Die Auswirkungen dieser ständigen medialen Polarisierung sind inzwischen so sichtbar: Wenn Herr Drosten sagt, Lüften ist wichtiger als Oberflächen zu desinfizieren verstehen das viele anscheinend so, dass man nur entweder das eine oder das andere dieser beiden Dinge tun dürfe.
Ich seh das tatsächlich als Ergebnis dessen, wie Medien seit einiger Zeit alles als Konflikt framen. Ohne einen Gegensatz zu konstruieren gehts nicht. Statt richtig zu berichten, wie Erkenntnisse sich erweitern, stellt man eigentlich gültiges nur fürs Drama rethorisch in Frage.
In diesem Fall ist die Aussage: Von den vielen sinnvollen Dingen, die man tun kann - Desinfizieren, Abstand, Masken, Lüften - ist Lüften die, die am wichtigsten ist. Das bedeutet überhaupt nicht, dass man alles andere lassen sollte oder dass das plötzlich nicht mehr sinnvoll sei.