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May 9 39 tweets 9 min read
Im Zuge unserer Kampagne #keineMachtdenSicherheitsbehörden zur Innenministerkonferenz in #Würzburg hat die @SeebrueckeWue einen Gastbeitrag zu Repression gegen Geflüchtete geschrieben, worum es u.a. bei der Anti-Rep-Demo am 1.6. um 18 Uhr am Hauptbahnhof gehen wird:

#wue0106
Geflüchtete sind der Repression durch staatliche und internationale Polizei- und Militärinstitutionen (wie Frontex, lybische Küstenwache, griechische Küstenwache) in einem erheblichen Maß ausgesetzt. Durch die permanente Aufrüstung und Abschottungspolitik an den europäischen
Außengrenzen, werden Geflüchtete auf der Flucht an den Grenzen von Europa immer öfter Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Form von Pushbacks und Gewalt, die nicht selten zu Verletzung und Tod führen. Das Mittelmeer ist ein Massengrab.
Laut UN sind im Mittelmeer allein seit
dem 1. Januar 2014 18.892 Menschen gestorben (Stand 11. Oktober 2019). Sie starben bei dem Versuch, über das Meer nach Europa zu gelangen (ProAsyl 2022).

Wie ProAsyl treffend berichtet: "Angestrebt wird, Flüchtlinge möglichst von Europa fernzuhalten und in Drittstaaten
außerhalb Europas zu bringen. Dabei schreckt die #EU vor keinem Partner zurück: So lässt die EU Flüchtlinge von der libyschen Küstenwache, die von brutalen Milizen durchsetzt ist, abfangen. In Libyen werden zehntausende Geflüchtete in illegalen Gefangenenlagern festgehalten.
Das Geschäft mit Entführungen und Lösegelderpressungen blüht, Geflüchtete werden in großer Zahl gefoltert, versklavt, verkauft und ermordet. Über die Zustände in #Libyen wurde inzwischen vielfach berichtet, selbst deutsche Diplomaten beklagten die zutiefst unwürdigen Lager.
Diese menschenverachtenden Zustände kennen wir in unterschiedlicher Ausprägung aus unterschiedlichen Grenzregionen. Ein anderes Beispiel ist die Ägäis. Erst am 20. April 2022 wurden beispielsweise wieder 57 Menschen, darunter 27 Kinder, illegal von Griechenland in die Türkei
zurück gepusht indem ihr Motor zerstört wurde, und sie in türkische Gewässer gebracht wurden, wo sie dann ohne jegliche Hilfe zurückgelassen wurden. Sie wurden nicht nur erheblicher Gefahr ausgesetzt, sondern ihr Recht, Asyl zu beantragen wurde ihnen nicht gewährt (Agean Boat
Report April 2022). Ein zivilgesellschaftlicher Bericht beklagt eine Vielzahl illegaler Pushbacks, Misshandlungen und sexueller Übergriffe gegen Migranten und Flüchtlinge in der Ägäis. Schilderungen von Zeugen offenbarten, dass Gewalt und Demütigungen als „strategisches Mittel“
dienten, um Menschen vom EU-Gebiet fernzuhalten, schreibt der Berliner Verein „Mare Liberum“ in dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen griechische Behörden, die Opfer seien Menschen, die aus der Türkei überzusetzen versuchten. Zeugen
werden zudem mit Aussagen zitiert, dass sie geschlagen, mit dem Tode bedroht und beraubt worden seien. Männer und Frauen hätten sich ausziehen müssen und seien von Männern am ganzen Körper durchsucht worden. Diese Praktiken wurde in den letzten Jahren regelmäßig beobachtet und
2021 sind dabei mindestens 4 Menschen ums Leben gekommen (Migazin 2022).

Abschiebungen aus EU Staaten

Auch nach der Ankunft in Europa sind Geflüchtete der Repression von staatlichen Institutionen ausgesetzt. Rassistische Diskriminierungen liegen an der Tagesordnung.
Abschiebungen sind ein Beispiel dafür, wie Geflüchtete nach ihrer Flucht auch noch Gewalt ausgesetzt sind. Im Durchschnitt werden täglich etwa 33 Menschen aus Deutschland abgeschoben. "Die Abgeschobenen stammten 2021 vor allem aus Georgien, Albanien, Serbien, Moldau und Pakistan.
2021 wurden aber auch afghanische, irakische und syrische Staatsangehörige aus Deutschland abgeschoben bzw. in andere EU-Staaten nach der sogenannten Dublin-Verordnung überstellt." (bpb, 2022) Allein im Jahr 2021 gab es 163 Sammelabschiebungen aus Deutschland. Eine davon war die
Abschiebung Ende März 2021 von 17 Personen nach Äthiopien, wo - ebenso wie in Syrien und Afghanistan - Bürgerkrieg herrscht. "An Bord der Maschine waren 17 Personen, 7 Frauen und 10 Männer, die nach Äthiopien gebracht werden sollen, und 76 Beamte der Bundespolizei. Laut Antwort
der Bundespolizei auf eine kleine Anfrage der Linken im März 2022 wurde in diesen 17 Fällen „das Hilfsmittel der körperlichen Gewalt eingesetzt“. Bei dem Flug handelt es sich um eine von 163 Sammelabschiebungen im Jahr 2021. Die Kosten für die Abschiebung belaufen sich auf rund
430.000 Euro, 25.000 Euro pro Person. Es ist die teuerste Abschiebung im vergangenen Jahr." (Taz 2022). Diese Verstöße gegen die Menschenrechte und die Gefahren, denen die Geflüchteten dabei ausgesetzt sind, sind aufs Höchste zu verurteilen. Es gibt zahlreiche Beispiele von
menschenverachtenden Abschiebungen, so berichtet zum Beispiel der Spiegel: "Schon lange kritisieren Menschenrechtsaktivisten, dass kurdische Aktivistinnen und Oppositionelle noch immer in die Türkei abgeschoben werden dürfen. Trotzdem ist die Zahl der Rückführungen dorthin 2021
im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft angestiegen. Dies lässt sich einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken entnehmen, die dem SPIEGEL vorliegt. So wurden im vergangenen Jahr 361 Menschen zurück in die Türkei gebracht, das sind mehr als viermal so
viele wie 2020" (Spiegel 2022).

Auch das neue Abkommen zwischen Großbritannien und Ruanda ist ein Beispiel dieser rassistischen Abschottungspolitik: "Dem Abkommen zufolge sollen Geflüchtete, die per Boot über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen, nach Ruanda geflogen werden
und dort Asyl erhalten. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR sprach von einem Verstoß gegen die UN-Flüchtlingskonvention. 160 britische Hilfsorganisationen erklärten geschlossen das Programm für „schandhaft und grausam“. Sie schätzen die wahren Kosten auf bis zu umgerechnet
1,7 Milliarden Euro pro Jahr".
(Taz 2022)

Racial Profiling

Racial Profiling bezeichnet diskriminierende Kontrollpraktiken der Polizei und anderer Behörden. Also Kontrollen, Überwachung oder Ermittlungen anhand der Hautfarbe oder der von den Po­li­zis­t*in­nen angenommenen
ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. Das kann beim Screening am Flughafen, bei der Verkehrskontrolle oder auf der Suche nach Drogendealern im Park passieren. Geflüchtete sind besonders oft von der Praxis des Racial Profilings betroffen.

Beim Racial Profiling wird die
komplexe Analyse durch Stereotype ersetzt und die Praxis mit "Erfahrungswerten" begründet. Wenn aber eine komplexe Analyse zu Straftaten als Grundlage für Kontrollen dienen würde, wäre klar, dass vor allem Armut und Existenznot Menschen in die Kriminalität treibt. Diese existiert
unabhängig von Hautfarbe, Ethnie und religiöser Zugehörigkeit, auch wenn beispielsweise nicht-weiße Menschen immer noch bei der Bewerbung und Schulbildung Diskriminierung erfahren und somit eher in prekären Arbeitsverhältnissen landen.
Aber auch wenn – wie im Falle der NSU-Morde – aufgrund rassistischer Vorurteile jahrelang in die falsche Richtung ermittelt wird, kann das als Racial Profiling bezeichnet werden. „Ohne ethnisierende Vorstellungen von organisierter Kriminalität, ohne entsprechend stigmatisierende
Zuweisungen an Migrant*innen-Communitys, ohne das Vorhandensein von institutionellem Rassismus und ohne das Zutun staatlicher Organe wie dem Verfassungsschutz hätten die jahrelangen Morde des NSU-Netzwerkes kaum jahrelang unentdeckt bleiben können,“ schreiben Tahir Della von der
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und Biplab Basu vom Verein Reach Out im Vorwort zum Buch “Racial Profiling. Erfahrung. Wirkung. Widerstand.“

Racial Profiling verstößt gegen das unter anderem im Grundgesetz verankerte Diskriminierungsverbot, wird aber durch die
Polizei in der alltäglichen Praxis oft durchgeführt. Diese muss kaum bis keine Konsequenzen für ihr Handeln fürchten. Eine überfällige Umstrukturierung wird von verschiedensten politischen Instanzen und Parteien sowie der Polizei selbst und sogenannten Polizeigewerkschaften
abgeblockt.

Tod in Gewahrsam

Die Kampagne "Death in Custody" hat über 160 Todesfälle von rassifizierten Menschen in Gewahrsam seit 1990 ermittelt. Gewahrsam bedeutet hier, dass Menschen gegen ihren Willen in einer staatlichen Maßnahme oder Institution festgehalten werden,
wie Gefängnisse oder Psychatrien, aber auch beispielsweise auf der Flucht vor der Polizei ums Leben kommen. (Apabiz 2020)
Wie die Kampagne zeigt, kommt es im Polizeigewahrsam - verglichen mit der weißen Mehrheitsgesellschaft - häufig zu Todesfällen von Rassismus betroffenen
Menschen.

Hierbei sind mehrere Faktoren ausschlaggebend. Zum einen landen unter anderem durch Racial Profiling mehr Schwarze Menschen oder PoC in polizeilichen Maßnahmen. Zusätzlich macht die Kampagne noch weitere Faktoren für diesen Sachverhalt ausfindig: Polizei und
Ordnungsbehörden haben aufgrund von internalisiertem Rassismus eine geringere Hemmschwelle zur Gewaltanwendung und es gibt Straftatbestände, die nur für Menschen ohne deutschen/EU Staaten Pass gelten, wie "illegale Einreise" oder "illegaler Aufenthalt. Ebenso zeigt die Kampagne,
dass es beispielsweise viele Todesfälle in Abschiebehaft gibt. (Death in Custody 2020)

Eine Aufklärung der Todesfälle findet meistens nicht statt. Der in Deutschland bekannteste Fall von einer Ermordung im Gewahrsam ist wohl der von Oury Jalloh, der 2005 in Dessau in einer
Polizeizelle verbrannte. Trotz zahlreicher Gutachten, die die Selbstenzündungsthese der Ermittler widerlegen, wurde der Prozess nie komplett aufgerollt und die verantwortlichen Polizeibeamt*innen zur Rechenschaft gezogen.
Doch nicht nur Oury Jalloh, sondern auch die über 160
weiteren Fälle, welche wahrscheinlich noch mit einer höhreren Dunkelziffer ergänzt werden müssen, verdienen Aufklärung und Gerechtigkeit.

Wir fordern:
- Eine zivile europäische Seenotrettung
- Sichere und legale Zugangswege nach Europa
- Eine menschenwürdige Aufnahme
- Schutz für Flüchtlinge in einem solidarischen Europa
- Eine unabhängige Ermittlungs- und Aufklärungsbehörde bei polizeilichem Fehlverhalten und Tod in Gewahrsam

Quellen und weiterführende Links:
taz.de/Nach-Abschiebe…
taz.de/Asyldeal-von-G…
Das vergessene Sharepic Auf weißem Hintergrund ist in Lachs, Blassblau und Oliv Sta

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