Progressive Netzbewegungen kennen es: ob #metoo, oder nun auch #IchBinArmutsbetroffen - plötzlich tauchen viele Kleinstprofile auf, die provokante Behauptungen aufstellen, natürlich wider den Thesen der Bewegung. Ein 🧵 1/x
Diese Profile können auf unterschiedliche Art provozieren. Manche versuchen im sachlichen Ton inhaltlich völlig falsche Aussagen zu machen, die entweder unbelegt oder, wie bei #Verschwörungserzählungen, halbwahr sind.
Wie dieser Spinner hier: 2/x
Was ist sein Trick? Nun, zuerst mal zählt er Dinge auf, die in unserer Gesellschaft alltäglich sind, aber häufig als Luxus wahrgenommen werden. Kosmetik kann die Basisschminke enthalten, die manchen Menschen einfach ein Gefühl von Gepflegtheit verleiht, oder 3/x
aber auch sehr teure Luxusartikel. Handyverträge sind nahezu Usus in der Gesellschaft und auch nicht immer teuer. Ich arbeite in dem Bereich. Dennoch erzeugt Zweiter Dödel hier das Gefühl einer unnötigen Verbindlichkeit.
Haustiere kann man sicher als unnötigen Kostenfaktor 4/x
begreifen, die Unkosten halten sich aber in der Regel in Grenzen. Außerdem spielen die Tiere oft eine große Rolle bei der emotionalen Gesundheit. 5/x
Der Trick hier ist die berühmte Halbwahrheit. Zweites Zäpfchen kann sicher belegen, dass arme Menschen Handyverträge und Kosmetik haben. Daran ist aber nichts Ungewöhnliches, weil diese Dinge Sozialnorm sind. 6/x
Würd man nun den Fehler machen, sich mit Zweiter Hirnwurst auf Sachebene auseinanderzusetzen, besteht die Gefahr, dass er seinen Behauptungen vorläufige Glaubwürdigkeit verleiht, weil er irgendwo irgendeine Statistik rauskramt, die belegt, das Arme Kosmetik nutzen (SKANDAL!). 7/x
Provokation kann aber auch anders ablaufen. Der Klassiker ist die direkte Beleidigung. @Finkulasa wird hier von einem wahrscheinlich rechten Troll beleidigt. Warum ich den so klassifiziere, erkläre ich gleich:
Ganz gleich, ob der Troll nun sachlich oder pöbelnd agiert, in beiden Fällen ist die Provokation des Gegenübers das Ziel. Man möchte die Leute zum Aufgeben verleiten und Gleichgesinnte auf die eigene Seite ziehen. 9/x
Der Troll von heute funktioniert anders, als der Fortentroll von früher. Damals haben sich Leute aus Spaß in Foren eingeloggt, provokanten Mist geschrieben und Leute getriggert. Sie waren nervig, aber meist ohne politische Agenda. 10/x
Der politische Troll ist da anders. Er hat eine Agenda. Und er organisiert sich mit anderen. Das kann so weit gehen, dass ganze Trollfabriken auf irgendwelchen Discord-Servern aufgemacht werden. In diesen werden die Trolle sogar geschult. 11/x
Wie lege ich mir schnell mehrere Profile an? Wen triggere ich am besten? Welche sprachlichen Tricks wende ich an (wie oben, Halbwahrheiten)?
Die Trollfabriken sind oft streng hierarchisch und rechtsradikal. In den Profilen tarnen sich die Trolle aber gern als bürgerlich. 12/x
Auf die Ideologie dahinter, die Selbstwahrnehmung als Freiheitskämpfer in einer als Demokratie getarnten Diktatur, gehe ich hier nicht weiter ein. 13/x
Wir sehen also, dieser moderne Troll hat nicht mehr viel gemein mit dem frühen Forentroll, der einfach nur Leute nerven wollte. Hier steckt viel mehr dahinter. 14/x
Woran erkenne ich aber einen Troll? Dafür gibt es mehrere Indikatoren. Zuerst mal die Provokation in seiner Aussage - das kann aber auch Normativ-Norbert passieren. Ein Blick auf Profile hilft: 15/x
Trolle haben oft kein Profilbild mit erkennbarem Gesicht, belanglose Hintergrundbilder, ausgedachte Namen - das alles allein ist noch nicht besonders. Das kann auch Normativ-Norbert sein. 16/x
Spannend wird es beim Eintrittsdatum. Oft bestehen die Profile nicht lang und haben sehr wenige Follower. Selbst, wenn ein Profil schon einige Monate besteht, sieht man an der Followerzahl, dass es nur wenig gepflegt wird. 17/x
Das liegt oft daran, dass der Herbert hinter dem Profil mehrere hat, die er verwalten muss. Denn so lassen die organisierten Trolle es so wirken, als wären sie viele. Herbert loggt sich auf Profil A ein, pöbelt damit rum und unterstützt sich dann mit Profil B selbst. 18/x
Ein weiteres Indiz sind großspurige Begriffe in der Selbstbeschreibung, um seriöser und wichtiger zu wirken. Zweiter Patrick hier haut Schlagworte wie Gerechtigkeit, Freiheit, Ethik rein. Nichts davon findet sich in seinen Posts wieder. 19/x
Natur und Naivling sollen ihn dann doch verletzlich und sympathisch wirken lassen. Der Trick: reagiert jemand (wie ich) scharf auf seinen Bullshit, hofft Zweiter Kopftisch darauf, dass andere ihn als das arme Opfer wahrnehmen, weil er ja ein "Naivling" ist. 20/x
"Freiheit" gibt uns außerdem einen Hinweis auf die politische Ausrichtung. Vulgärliberal. Also einer dieser "Liberalen", die Eigenverantwortung nur bei den strukturell Schwächsten sehen. 21/x
Zweiter Hampel kommt also mindestens aus dem rechtsliberalen Milieu, das sich häufig mit rechtsradikalen Milieus schneidet. Nicht umsonst nennen sich die Naziparteien in D und Ö gern "freiheitlich". 22/x
Man kann natürlich nie zu 100 Prozent sicher sein. Zweiter Treppensturz kann natürlich auch einfach Wert auf Privatsphäre legen und wenig bei Twitter aktiv sein. Klar. 23/x
Als Faustregel empfehle ich daher, was sich benimmt wie ein Troll wie einen Troll zu behandeln. Blockieren ist in der Regel die beste Wahl. Direkte scharfe Attacken die zweitbeste. Sachargumente sind leider wenig zielführend, weil er geschult ist, diese zu umgehen. 24/x
Karl Popper und das Toleranzparadoxon helfen hier: Diskursstörer müssen vom Diskurs ausgeschlossen werden, weil sie ihm sonst nachhaltig schaden.
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Das wird ein Thread. Weiß noch nicht, wie lang. #OEzdemir und so. Und #Lifestylelinke - auch, wenn ich den Begriff doof finde. 1/x
Cem Özdemir machte über Weihnachten mit einem Zitat von sich reden: er wolle #Ramschpreise für #Lebensmittel abschaffen. 2/x
Das Zitat selbst ist mir eigentlich fast egal. Ich gehe ohnehin davon aus, dass es keine echte Absichtserklärung war, sondern eher ein Aufruf an die Landwirte. "Seht her, i bims, der Cem, und ihr könnt voll auf mich zählen!" 3/x