OK WIR MÜSSEN DARÜBER SPRECHEN. Olaf #Scholz wurde mit der Klimakrise konfrontiert. Seine Reaktion macht sprachlos. Und wir sollten genau hingucken. Denn das spricht Bände über das, was wir vom Kanzler in der Klimakatastrophe erwarten müssen. THREAD:
Es ist Katholikentag, Fragerunde mit Olaf Scholz. Kurz davor hatte die UN gewarnt, dass die 1,5°-Grenze schon in den nächsten Jahren gerissen werden könnte, Putin bezahlt derweil mit Kohle, Öl & Gas einen Krieg, große Mehrheiten der Bevölkerung befürworten mehr Klimaschutz. 2/
Scholz, wohlgemerkt, hat vor 9 Monaten im Wahlkampf “Klimakanzler” auf seine Plakate drucken lassen, die @spdde & die Regierung stehen (auf Papier) geschlossen hinter dem 1,5°-Klimaziel und dem Pariser Klimaabkommen. Das wird aktuell von Deutschland nicht eingehalten. 3/
Eingangs gehts um den Kohleausstieg, Scholz fragt, was man den Beschäftigten in den Tagebauen sagen soll. Kurz dazu, weil’s so flach ist: Er spricht über knapp 18k Beschäftigte, für den Ausstieg zahlt die Regierung spektakuläre 40 Mrd €, alleine 14 Mrd für Strukturen vor Ort. 4/
Was macht Scholz hier? Er führt die Frage danach, wie man Beschäftigen eine Transformation erklärt (das ist komplex, keine Frage) an, als sei das ein valides Argument gegen Klimaschutz. Ist es nicht. Das ist literally sein Job. Menschen für Veränderungen gewinnen & umsetzten.5/
Die ehrliche Aussage wäre: Wir in der GroKo haben uns dagegen entschieden rechtzeitig mit den Kohlearbeiter:innen zu sprechen & einen Umbruch, der ohnehin kommen musste, verzögert - zu Lasten derjenigen, die wir als Arbeiterpartei eigentlich vertreten. Jetzt wird’s teuer. Sry. 6/
Stattdessen aber impliziert er es sei legitim, globale Abkommen zum Schutz der Menschheit zu brechen, weil es aufwendig & kompliziert ist die notwendige Politik umzusetzen (die man selbst verantwortet) & bestärkt nebenbei den Mythos Klimaschutz vernichte Jobs. 100% unnötig. 7/
Und anbei: Mehr als 100k Jobs sind durch die Energiepolitik von CDU & auch der SPD in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen. Wäre sehr okay zu erwähnen, dass fossile Arbeitsplätze unter mächtigen Lobbies für gewisse Parteien offensichtlich mehr zählen als andere Jobs. 8/
Und jetzt zum Kern. Scholz wird von Aktivist:innen im Publikum unterbrochen. Er ruft denen entgegen, die würden ihn “ganz ehrlich” an Leute aus Zeiten erinnern, die Gott sei Dank vorbei seien.
Ja.
Scholz vergleicht Klimaaktivist:innen mit Nazis. (Applaus von Publikum) 9/
Wo fängt man an? Der Kanzler der Bundesrepublik relativiert in nur einem Halbsatz die NS-Herrschaft, und auf Paradoxe Art und Weise die Klimakrise gleich mit.
Er stilisiert Klimaschutz als Ideologie mit Parallele zur NS-Herrschaft. In 2022. Jesus. Das ist so ein Skandal. 10/
Wenn es im Skript steht, lobt man also die Engagierten für die Umwelt. Wenn man aber “ganz ehrlich” ist, sieht man sie dann doch ein bisschen wie Nazis? Was ist das für ein Geschichtsbewusstsein? Was ist das für ein Klimabewusstsein? Alles daran, so irre. 12/
Vor allem: Scholz ist Bundeskanzler, er spricht seit langen Jahren täglich in der Öffentlichkeit. Sowas rutscht einem nicht raus, wenn man es nicht wirklich so sieht. Und nicht schon mal in anderen Kreisen gesagt hat. 11/
Und das reicht ihm nicht, ungefragt legt Scholz nach & macht drei weitere Punkte.
1. Menschen würden die Sorgen um die Klimakrise nur spielen, “eingeübte Haltung” übernehmen. Übersetzt, er spricht Leuten ab, vor dem ökologischen Kollaps authentisch besorgt zu sein. 13/
Das ist nicht mehr Aber-Die-Jobs-Populismus, das ist Klimaleugnung 2.0.
Nicht die Krise an sich, aber die Menschen, die sie ernst nehmen, werden in ihrer Integrität in Frage gestellt & als Extremisten dargestellt. (2/3 der Menschen <26 J. haben große Angst vor der Klimakrise) 14/
Diese Haltung ist ein ernsthaftes Problem für eine Gesellschaft in der Klimakrise. Wie geht man um, mit einem Kanzler, der anscheinend recht grundsätzlich Klimaaktivist:innen ehrliche Beweggründe anspricht? Und Klimagerechtigkeit “ganz ehrlich” für eine Art Ideologie hält? 15/
Man muss sich fragen, wie Scholz es mit der Klimawissenschaft hält. 16/
Denn wer die verseht, würde wohl damit rechnen, dass Menschen auf allen Wegen versuchen Aufmerksamkeit auf die Sache zu lenken, angesichts der miserablen Klimabilanz dieser Republik. Damit kommen wir zu seinem 2. Punkt, die Aktivisten würden nicht “zur Diskussion” beitragen. 17/
Hm. Wer in den letzten 3 Jahren mal Zeitung gelesen hat, kann Aktivist:innen wohl viel vorwerfen, aber nicht, dass sie nicht an Debatten teilnehmen. (Parallel habe ich beim Kirchentag auf einem Panel über die Klimakatastrophe gesprochen, der angefragt Politiker hatte abgesagt)18/
Wir sind es, die mobilisieren, zum Wählen aufrufen, mit aller Kraft versuchen den demokratischen Raum zu öffnen & Platz zu machen für das Klima. Was aber, wenn das nicht ausreicht & die Zeit rennt? Natürlich muss man auch anders intervenieren. Natürlich muss man Lärm machen 19/
und zeigen: Das ist keine 0815 Krise, es stimmt etwas nicht, wir haben keine Zeit mehr für Jahre fröhlicher Debatten zum Klimaschutz ohne notwendige Maßnahmen. Statt das aber einordnen zu können & auf die Aktivist:innen einzugehen, setzt Scholz sie mit random Störern gleich 20/
& ignoriert den Kontext aus dem heraus sie agieren. Und damit kommen wir zum 3. Punkt, und alter Schwede, da weiß ich auch nicht weiter.
Das ist der Moment, in dem Scholz allen Ernstes den Aktivist:innen vorwirft Veranstaltungen für “die eigenen Zwecke” zu manipulieren. 21/
DIE EIGENEN ZWECKE??? Bitte was? Die Klimaziele? Das 1,5 Grad Ziel aus dem Koalitionsvertrag? Die Zukunft der Menschheit? Völkerrechtlich bindenden Klimaabkommen? Was genau davon sind für Scholz “Zwecke” von Aktivist:innen? Das ist unser Kanzler. Wow wow wow. 22/
Wer Hoffnung hatte, dass Scholz die Klimakatastrophe lose verstanden hat, weiß jetzt wo er steht. Und was er “ganz ehrlich” von uns Klimabewegten hält.
Und jetzt? Zunächst, Herr @OlafScholz, wollen Sie dazu Stellung beiziehen? Und @Die_Gruenen, lasst ihr das so stehen? 23/
Ein ganz bitterer Tag. Für Klimabewegte, für die Demokratie. Nicht zuletzt für alle, die dachten, dass Argumente und Wissenschaft und Mehrheiten reichen, um den Kanzler des größten Emittenten der EU von der Dringlichkeit der Katastrophe zu überzeugen. Oh well. Spread the word.//
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Gestern habe ich über mit 100 Menschen an ihren Haustüren gesprochen, mitten in einem der entscheidenden Wahlkreise in Pennsylvania. Von überzeugten Trumpwähler:innen bis Jill-Stein-Unterstützern, war alles dabei. Was mich dabei bedrückt hat, waren nicht die MAGA Haushalte. 1/
Richtig bitter sind die Gespräche mit Menschen, die offensichtlich wohlständig sind, mit 4-6 Autos in den Einfahrten, Aufsitzrasenmäher auf riesigen Rasenflächen, großen Häusern und die sich ganz offensichtlich nicht für die Wahl interessieren. 2/
Die nachfragen, warum Pennsylvania nochmal wichtig ist, oder mit "I don't like either of them" abwinken, Menschen, die augenscheinlich von einer boomenden Wirtschaft profitieren, die jede Möglichkeit haben, sich zu informieren & sich ganz offensichtlich dagegen entscheiden. 3/
Es sind 32 Tage bis zur US-Wahl, ein Hurricane in der Größe von Deutschland verursacht 200 Tote & 160 Mrd. Dollar Schäden in 6 Staaten, Expert:innen schätzen, dass Helene durch die Klimakrise 20-50% stärker war. Der Wahlkampf war "ohne Klima" geplant, jetzt kommt es anders. 1/
Bisher war Klima kein Thema, im Gegenteil, im Kampf um Pennsylvania verteidigen Harris und Trump beide das dortige Fracking. Emissionen & Klimaziele kein Thema, das höchste der Gefühle: "clean air" und "clean energy". Jetzt zwingt der Hurricane das Klima in den Wahlkampf. 2/
Harris verspricht Hilfe, Trump nutzt den Moment, um gegen die Ukraine-Hilfe zu schießen, erklärt Harris würde Geld in die Ukraine geben, was ansonsten für den nationalen Katastrophenschutz zur Verfügung stände. Weiterhin will er Behörden zum Hurricane-Monitoring abschaffen. 3/
Seit 3 Wochen bin ich in den USA, habe in Yale, Harvard & an der Columbia Vorträge gehalten, war auf Volksfesten, in Vororten und bei der UN, habe mit Schüler:innen & Politiker:innen diskutiert und mir von Trumpisten erklären lassen, warum sie die Sache mit den Hunden glauben 1/
Ich möchte verstehen, wie Bewegungen und Politik hier zwischen Fake-News, Rechtsextremismus und extremen Krisen navigieren. Und was wir in Deutschland und Europa daraus lernen können. Parallel fluten Hurricanes das Land, der Wahlkampf spitzt sich zu. 2/
Immer wieder fällt mir auf, wie negativ die deutsche Klimapolitik wahrgenommen wird. Aus verschiedensten Gründen. In meinen nächsten beiden Kolumnen schreibe ich dazu, heute ist Teil eins erschienen - über den LNG-Wahnsinn zwischen Texas und Rügen.//
Ok, #Europwahl, die Ergebnisse sind nicht unerwartet, aber natürlich belastend. Belasten tut aber auch der Umgang damit. Thread: 1. Ich frage mich ernsthaft, mit welcher Rechtfertigung man nun als einzige Kohorte isoliert auf die 16-24-jährigen guckt. Und warum so überrascht?
In der ganzen Gesellschaft gibt es einen Rechtsruck, warum nicht auch da? Dass junge Leute gespalten sind, 1/
war auch schon bei der Bundestagswahl so, damals zwischen Grünen und Liberalen, nun halt zwischen Rechtsradikal/Konservativ (Afd/CDU) und Grün-Progressiv (Grüne/SPD/Linke/Volt). Addiert man die Stimmen für Volt und Grüne, die einzigen Parteien, die offensiv mit Klima geworben 2/
Menschen im ganzen Saarland bangen. Heute fährt #Scholz hin. Und ja, natürlich kann man als Kanzler an einem Tag das Klimagesetz abschwächen & am nächsten hochbesorgt in #Hochwasser-Gebiete fahren. Es ist mittelfristig bloß eine maximal fragile Strategie in der Klimakrise. 1/x
Kurz zum Hintergrund, "das ist Wetter, nicht Klima!": Die Wissenschaft ist klar, in 2024 hat jede Wetterlage auch etwas mit dem Klima zu tun, mal direkter mal indirekter. Extreme, meist historische Hochwasserlagen, sind ua eine direkte Folge einer erwärmten Atmosphäre. 2/
Je wärmer die Luftmassen, desto mehr Wasser kann sie aufnehmen. Kurz: Clausius-Clapeyron-Gleichung. Dadurch werden Niederschlagsereignisse extremer, Jahrhundertflut nach Jahrhundertflut.
Die Infrastruktur in Deutschland ist nicht darauf vorbereitet. Da sind Expert:innen klar. 3/
Warte warte warte, Volker #Wissing macht jetzt was?
Nachdem er drei Jahre lang hauptberuflich das Klimagesetz boykottiert hat, lange Listen vom @Umweltbundesamt voller Vorschläge für CO2-Minderung ignoriert hat & ein Tempolimit verweigert - möchte er jetzt eine Aufweichung 1/
vom Klimaschutzgesetz erzwingen, indem er Menschen mit Fahrverboten droht? Abgesehen davon, dass dafür stand jetzt ÜBERHAUPT keine Gesetzesgrundlage gibt, wie schäbig, wie verantwortungslos, die Konsequenzen seiner eigenen Arbeitsverweigerung in vermeidlichen Angst-Szenarien 2/
gegen die eigene Bevölkerung zu überführen. Als Druckmittel in politischen Verhandlungen. Und schließlich weiß auch @Wissing, dass die potenziellen EU-Strafen für verfehlte Klimaziele im Verkehr gigantisch wären, auch mit einem geschredderten Klimaschutzgesetz nicht vom Tisch. 3/