1/
Sehr bedauerlich: Auch Autoren, die ansonsten viel zur Aufklärung über die Energiewende beitragen, geraten beim Thema Marginalstrom immer wieder auf Glatteis und stürzen.
So wie z.B. Jürgen Schwager:
2/
Die Erwähnung von „Ladezeitpunkten“ ist ein untrügliches Indiz für ein grundlegend falsches Verständnis des ökonomischen Marginalstromansatzes.
Der Kern des Missverständnisses liegt in der Annahme, der Marginalstromansatz versuche dem Strombezug einzelner
3/
Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt einzelne Kraftwerke oder Kraftwerkskategorien zuzuordnen.
Diese Annahme ist grundfalsch.
Denn es steht außer Frage, dass jeder an das Netz angeschlossene Verbraucher stets den Durchschnittsstrom der näher gelegenen
4/
Kraftwerke erhält.
Wenn der Auftrag an die Wissenschaftler lautet, Politiker darüber zu informieren, ob die (gar staatlich geförderte) Einführung eines neuen stromverbrauchenden Produktsegments (z.B. E-Autos oder Wärmepumpen) die Treibhausgasemissionen
5/
zu senken hilft, dann ist die Herkunftsfrage („Woher kommt genau jetzt der Strom für mein E-Auto?“) vollkommen irrelevant.
Stattdessen ist zu untersuchen, welche Folgen es für die Emissionen des gesamten Stromerzeugungssystems hat, wenn dieser Schritt
6/
verwirklicht wird.

Elektroautos sind entbehrlich, sie müssen nicht sein. Erweist sich die Klimabilanz als ungünstig,
so kann man die Förderung einstellen und auf sparsame Verbrenner umschwenken. Es gilt somit herauszufinden, was sich dadurch ändert,
7/
dass es überhaupt Elektroautos gibt – und wie es wäre, wenn es sie nicht gäbe.

Für eine sinnvolle Klimabilanz sind genau zwei Zustände zu vergleichen:
Zum einen das gesamte Stromerzeugungssystem mit der Ladestromlast aller E-Autos.
8/
Zum anderen dasselbe System ohne Ladestromlast.
Nur mit diesem Vergleich lässt sich bestimmen, welche Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen die Elektromobilität hat.
Welcher Strommix ist dafür relevant?
9/
Um es diesmal ganz besonders einfach zu halten, wähle ich einen rein empirischen Ansatz.
AGORA berichtete über das Krisenjahr 2020:
„Insbesondere die Kohleverstromung erreichte einen neuen Tiefststand seit Beginn der ganzheitlichen Aufzeichnung
10/
im Jahr 1990 … Der Nachfragerückgang wirkte sich fast ausschließlich auf die fossile Energieerzeugung aus, da diese in der Merit-Order – die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke beim Verkauf von Strom an der Börse – hinter den Erneuerbaren Energien stehen
11/
und somit als erste ihre Erzeugung reduzieren.“

Nun ist es bis zum Ziel nicht mehr allzu weit:
Welche Kraftwerke hätten heruntergeregelt, wenn die Nachfrage nicht wegen Corona,
sondern wegen eines (hypothetischen) Verbots von Elektroautos gesunken wäre?
12/
Ich wage es kaum auszusprechen: Es wären natürlich dieselben Kraftwerke gewesen.
Das Netz „weiß“ ja nicht, warum die Nachfrage sinkt.
(Es sei auch erwähnt, dass im Folgejahr, als der Strombedarf wieder stieg, weltweit v.a. Kohlekraftwerke die Leistung
13/
hochfuhren.)
Das ist der einfache Grund, warum Klimabilanzen zusätzlicher Verbraucher grundsätzlich nicht mit dem Durchschnittsstrom-, sondern mit einem sinnvollen, jedoch noch für lange Zeit schmutzigen Marginalstrommix zu bestimmen sind.
14/
Zur Vertiefung des Themas empfehle ich z.B. dieses Dokument der FFE:
cogeneurope.eu/images/2018_05…
15/
Und natürlich mein Buch, in dem diese Frage ausführlicher erläutert wird:
derelektroautoschwindel.wordpress.com/das-buch/
16/
Objection-Handling muss sicher auch sein:
Aber es wird doch so viel Strom abgeregelt?
derelektroautoschwindel.wordpress.com/2020/06/28/e-a…
17/
Aber der EE-Strom wird doch extra für E-Autos ausgebaut?
Das überprüfen wir sogleich:
derelektroautoschwindel.wordpress.com/warum-durchsch…

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More from @KaiRuhsert

Jun 6
1/
Internationales Wiener Motorensymposium 2022:
Der veröffentlichten Meinung zufolge ist das Ende des Verbrennungsmotors weltweit unaufhaltsam. Doch weit gefehlt:
derelektroautoschwindel.wordpress.com/2022/06/06/das…
2/
tatsächlich ist die Fixierung auf das E-Auto ein Irrweg deutscher und europäischer Politiker, beraten von Quacksalbern und legitimiert von opportunistischen Wissenschaftlern, denen es wichtiger ist, für ihre Institute staatlich geförderte Projektaufträge zu akquirieren,
3/
als über die Realitäten der Energiewende aufzuklären.
Das weiß natürlich auch die Industrie. Vor diesem Hintergrund hatte der österreichische Motorenpapst Prof. Indra über das diesjährige Motorensymposium in Wien Interessantes zu berichten.
Read 4 tweets
Jun 4
Prof. Koch:
Am Dienstag geht es zur Sache. Dann stimmen die EU-Parlamentarier über ein drohendes Verbot von Verbrennungsmotoren ab. Die Entscheidung dürfte Folgen haben, über die sich die meisten Menschen gar nicht bewusst sind.
auto-medienportal.net/artikel/detail…
2/
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Doch die vorgelegten Berechnungen sind mangelhaft und unwissenschaftlich. In einem Brief an alle EU-Parlamentarier appellieren jetzt über 300 Wissenschaftler, keineswegs nur Motorenentwickler, von einem Technologieverbot abzusehen.
Read 16 tweets
Jun 3
1/
URGENT OPEN LETTER to EU-Parliament
„Hundreds of experts from Academia all over the world signed or support this letter.
iastec.org/wp-content/upl…
2/
University teachers and scientists, experts in thermodynamics, energy balancing, fluiddynamics, energy conversion, mechanics from the studies of mechanical engineering, process engineering and chemistry engineering as well as natural sciences …
3/
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The open letters explains the mathematics in a simplified way and contains important key messages.
Read 10 tweets
Jun 1
1/
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derelektroautoschwindel.wordpress.com/qa-page-on-the…
2/
(because it doesn't matter whether cars burn fuel or power plants burn coal).
This means: you are being deceived by campaign organizations.
In truth, cars with combustion engines will still be needed in Europe in the future - …
3/
just like in the rest of the world (USA, India, China etc.).
On June 7th you will "only" decide whether these cars will have to be imported from China and Japan in the future.
Read 8 tweets
May 15
(1)
Neuzugang in meiner Liste mit Greenwashing-Studien (tinyurl.com/5xwaevsm):
Titel:
Langfristige Umweltbilanz und Zukunftspotenzial alternativer Antriebstechnologien
Fraunhofer-Institut ISI & IFEU
e-fi.de/fileadmin/Asse…
(2)
Zitat (S.15): „BEV haben heute schon deutliche Klimavorteile gegenüber konventionellen Lösungen.“
Welche Annahmen führten zu diesem Fazit?
Zur Begründung wird im Wesentlichen wiederholt, was Wietschel 2019 publizierte ...
(3)
und z.B. dort als Rabulistik zur Verteidigung einer systematisch falschen Methodik entlarvt wird: tinyurl.com/2cyuyftu
Diesmal ist eine Aussage von S. 16 ungewöhnlich dreist: „Da der zusätzliche Strombedarf durch die E-Autos bei der Planung des Ausbaus der erneuerbaren...
Read 16 tweets
Dec 11, 2021
Dein Stromanbieter hat versprochen, dass Dein E-Auto keinen Kohlestrom erhält? Du glaubst, ab 100.000 km eine bessere CO2-Bilanz als mit einem Verbrenner zu haben? Falsch!
Dieser Drei-Minuten-Schnellkurs erklärt die Herkunft des Ladestroms
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Gehen wir diese der Reihe nach durch und achten dabei vor allem auf die Herkunft der zusätzlichen Energie:

1. Fossilstrom
Vor Beginn des Ladevorgangs produzierten die Fossil-
kraftwerke gerade so viel Strom, wie nötig war, um den über Öko- und Atomstrom hinausgehenden Bedarf zu decken. Das E-Auto bezieht nun aber zusätzlichen Durchschnittsstrom. Folge:
Die Fossilkraftwerke müssen natürlich mehr produzieren.
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