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Jun 13 23 tweets 6 min read
Ich muss mich mal zur Übergewinnsteuer äußern. Selbstverständlich kann man dazu unterschiedlicher Meinung sein, aber die Debatte ist aus meiner Sicht (die eines Ökonom und Befürworters) schon durch viele zweifelhafte oder sogar falsche Argumente geprägt. 1/x
Viele machen den Denkfehler, Gewinne als etwas in der Marktwirtschaft Wünschenswertes bezeichnen. Das ist aber nur das Gewinnstreben, nicht sein Erfolg. Im Idealfall sollte der Wettbewerb dafür sorgen, dass langfristig nur geringe Gewinne entstehen. 2/x
Ein Wohlfahrtsmaximum wird bekanntlich erreicht, wenn ein vollkommener Wettbewerb dafür sorgt, dass der Preis den Grenzkosten entspricht. Das bedeutet nicht, dass überhaupt keine Gewinne entstehen. Alle Unternehmen die günstiger produzieren machen dann immer noch Gewinne. 3/x
Innovationen werden aber natürlich auch imitiert. Gewinne aufgrund von Innovationsvorsprüngen sind daher im Optimalfall nur temporär. Langfristig wird die Innovation von Anderen übernommen und durch den Wettbewerb fallen die Preise und die Gewinne. 4/x
Weil es viele Bereiche gibt in denen anfängliche Investitionskosten und Risiko des Misslingens hoch sind, sind Innovationen durch Patente geschützt. Ein jüngeres Beispiel ist die Impfstoffentwicklung für Corona. 5/x
Dieser Schutz ist nicht dazu gedacht, den Unternehmen dauerhafte Zusatzgewinne zu verschaffen, sondern soll lediglich hoch genug ausfallen, um den Unternehmen einen hinreichenden Anreiz zur Forschung zu geben. Zumindest wäre das der Idealfall, der aber selten erreicht wird. 6/x
Auch danach sind Gewinne nicht Null. Sie entsprechen der normalen Verzinsung des Kapitals plus einer Risikoprämie, weil in ein Unternehmen zu investieren riskanter ist als etwa in eine risikolose Staatsanleihe. 7/x
Es geht in der Debatte, aber gerade um sehr hohe Gewinne. Die sind in einer Marktwirtschaft ein problematisches Zeichen, weil sie ein Zeichen für Wohlfahrtsverluste durch nicht funktionierenden Wettbewerb und zu hohe Preise sind. 8/x
Daher muss politisch immer genau hingesehen werden, ob in bestimmten Bereichen sehr hohe Gewinne entstehen und was die Ursachen dafür sind. Bei den aktuellen Gewinnen in der Mineralölwirtschaft verbietet sich der Vergleich mit anderen Situationen wie den Corona-Impfstoffen. 9/x
Übergewinne für die Impfstoffhersteller sind temporär! nötig, um Anreiz für die Forschung zu schaffen. Sie können so ihre anfänglich hohen Investitionskosten amortisieren. Die Mineralölwirtschaft profitiert aber nicht von ihren Investitionen, sondern vom Krieg. 10/x
Die Unternehmen haben also selbst keine Leistung erbracht. Deswegen bezeichnet man ihre Übergewinne auch als windfall profits. In der Finanzwissenschaft ist es optimal diese hoch zu besteuern oder sogar abzuschöpfen, weil die Anreize dadurch nicht negativ beeinflusst werden. 11/x
Bei nicht funktionierendem Wettbewerb wäre die ideale Lösung nicht die Besteuerung, sondern die Herstellung des Wettbewerbs, damit die Preise entsprechend sinken. Die Steuer kann aber eine second-best-Lösung sein, wenn Ersteres nicht oder nicht kurzfristig möglich ist. 12/x
Ein beliebtes Gegenargument ist, dass die Steuer auf die Preise überwälzt würde. Das ist bei einer Steuer, die am Gewinn ansetzt schwer möglich. Anders als bei einer Umsatz/Verbrauchsteuer verteuert die Steuer nicht das einzelne Produkt. 13/x
Selbst bei einer Umsatzbesteuerung ist eine vollständige Überwälzung auf den Verbraucher unrealistisch. In der Finanzwissenschaft wird die Inzidenz (Wer zahlt die Steuer?) untersucht. Es gibt eine formale Inzidenz (lt. Gesetz) und eine ökonomische (nach Preisüberwälzung). 14/x
Der Tankrabatt zeigt, dass die gewünschte und formale Inzidenz oft nicht mit der ökonomischen Inzidenz übereinstimmt. Die ökonomische Inzidenz hängt von den Marktgegebenheiten ab, besonders von der Elastizität von Angebot und Nachfrage auf dem jeweiligen Markt 15/x
Stark vereinfachend kann man sagen, dass die Nachfrager nicht die komplette Steuerlast tragen müssen, solange die Nachfrage preiselastisch ist. Bei Benzin und Diesel ist die Preiselastizität der Nachfrage gering, aber durchaus gegeben wie die rückläufige Nachfrage zeigt. 16/x
Ein gewinnmaximierendes Unternehmen, selbst ein Monopolist, wird in einer solchen Situation nicht die komplette Steuer auf die Preise überwälzen, weil er sonst auch auf Gewinne durch einen höheren Absatz verzichtet. 17/x
Bei einer Gewinnsteuer ist aber eine Überwälzung ohnehin nur in einem deutlich geringerem Maße anzunehmen, da diese Steuer ja nicht direkt am Preis und der verkauften Menge ansetzt, und das Preiskalkül nur indirekt beeinflusst. 18/x
Wieder vereinfachend kann man sagen, dass ein Unternehmen bereits vor der Einführung einer Übergewinnsteuer den Preis gewinnmaximierend festsetzen würde, und ihn daher erhöhen würde, wenn die Marktsituation dies erlaubt. 19/x
Die Gewinnsteuer ändert an optimaler Preis-Mengen-Kombination sehr wenig. In Abhängigkeit von den Grenzkosten und der Preiselastizität der Nachfrage könnte es sich aber für das Monopol/Kartell lohnen die Menge ein wenig zu reduzieren und etwas höhere Preise durchzusetzen. 20/x
Es wird aber nur ein geringer Teil der Übergewinnsteuer sein, der so auf die Verbraucher überwälzt wird. Die Steuer wäre trotzdem noch sehr gut geeignet das Ziel, die Abschöpfung hoher und leistungsloser Gewinne, zu erreichen. 20/x
Die Einnahmen könnten für andere Entlastungen genutzt werden. Ich habe für die Betrachtung angenommen, dass ein Steuersatz von deutlich unter 100% gewählt wird, und dieser nur die Übergewinne betrifft. Das war die mikroökonomische Betrachung. Makro und weiteres folgt morgen 😃

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Jun 1
Heute sinken die Spritpreise. Vielleicht nicht so deutlich, weil die Mineralölwirtschaft ein Teil der geschätzt 3,4 Mrd. als Gewinn verbucht. Das sind zwar nur etwa 12% der Entlastungspakete, aber in meinen Augen so kontraproduktiv, dass man sich damit befassen muss. 1/x
Verteilungswirkung: Im Gegensatz zu anderen Energieträgern geben ärmere Haushalte nicht einen größeren Anteil ihres Einkommens für Benzin und Diesel aus als Reichere. Damit werden also alle etwa prozentual gleichmäßig entlastet, was ja auch das Ziel der FDP war. 2/x
Das DIW hat in seinem Wochenbericht 17/2022 festgestellt, dass auch nach den Entlastungen durch die Regierung ärmere Haushalte prozentual stärker getroffen werden: Bei den ärmsten 10% ein Rückgang des Nettoeinkommens um 3%, beim obersten Dezil 1,3%. 3/x
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Apr 19
Anders als andere Ökonom_innen habe ich mich mit einer Meinung zu einem Gas- und Ölboykott schwergetan. Die Frage ist auch alles andere als einfach und mit vielen Unsicherheiten behaftet. Ich befürworte aber jetzt ein Boykott. Die Gründe
Wir wissen heute nicht wie groß die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland sind. Finde es aber auch weniger entscheidend, ob es zwei oder sechs Prozent sind. Wichtiger scheint mir, ob wir die wirtschaftspolitischen Instrumente haben um darauf zu reagieren. Das ist der Fall.
Vor allem Gas ist nicht vollständig substituierbar. Wir können es einsparen und wir können auch auf andere Lieferländer ausweichen (siehe Studie des DIW), aber es bleibt noch eine Lücke. Bestimmte Produktionsprozesse in einigen Branchen werden deutlich reduziert werden müssen.
Read 16 tweets
Apr 19
Anders als andere Ökonom_innen habe ich mich mit einer Meinung zu einem Gas- und Ölboykott schwer getan. Die Frage ist auch alles andere als einfach und mit vielen Unsicherheiten behaftet. Ich befürworte aber jetzt ein Boykott. Die Gründe: 1/n
Wir wissen heute nicht wie groß die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland sind. Finde es aber auch weniger entscheidend, ob es zwei oder sechs Prozent sind. Wichtiger scheint mir, ob wir die wirtschaftspolitischen Instrumente haben um darauf zu reagieren. Das ist der Fall: 2/n
Vor allem Gas ist nicht vollständig substituierbar. Wir können es einsparen und wir können auch auf andere Lieferländer ausweichen (siehe Studie des DIW), aber es bleibt noch eine Lücke. Bestimmte Produktionsprozesse in einigen Branchen werden deutlich reduziert werden müssen 3/n
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