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Jun 23 22 tweets 4 min read
Der zentrale Aspekt beim #Separatorenfleisch ist letztendlich die neue Nachweismethode.

Aber wie funktioniert die Methode und wie spezifisch bzw. aussagekräftig ist sie?

Ein Überblick anhand der zur Methode veröffentlichten Studie. 1/19 ⬇️ Image
Die Methode wurde in einem Fachjournal mit Peer-Review veröffentlicht (Wilhelm et al. Food Analytical Methods 2022, 15, 1899-1908).

Das generelle Prinzip ist, ein Bindegewebsprotein nachzuweisen, das nur im Bindegewebe der Bandscheibe und in Knorpeln vorkommt. 2/19
Bei der Gewinnung von Separatorenfleisch werden manuell schwer zu zerlegende Teile der Tiere (wie bspw. die Bandscheibe) unter Druck durch eine Art Sieb gepresst.
An diesem bleiben Knochen hängen und weiche Bestandteile treten aus. 3/19
Durch die vorherrschenden Bedingungen gelangt neben Muskelfleisch auch ein Teil des Bindegewebes der Bandscheibe und der Knorpel ins Produkt.

In Muskelfleisch, das manuell vom Knochen entfernt wurde, sollte das aber nicht (in größerem Ausmaß) passieren. 4/19
Die Idee ist daher, über den Nachweis des o.g. Bindegewebeproteins das Separatorenfleisch nachzuweisen.

Hierbei stellen sich aus meiner Sicht zwei Fragen:
Wie gut ist der Nachweis und wie spezifisch ist das Protein für die jeweiligen Teile bzw. Separatorenfleisch? 5/19
Als Nachweismethode wurde HPLC-MS/MS gewählt, ausgeschrieben bedeutet das Hochleistungsflüssigkeitschromatographie mit Tandem-Massenspektrometrie.

Diese Methode ist ein sehr fortgeschrittener, leistungsfähiger und guter Ansatz zum spezifischen Nachweis von (u.a.) Proteinen. 6/19
Für diesen Analysenansatz werden Proteine, die aus einer langen Kette aneinandergereihter Einzelbausteine (Aminosäuren) bestehen, mithilfe eines Enzyms in definierte Bruchstücke zerteilt.
Dadurch erhält man eine wilde Mischung aus Bruchstücken (Peptide). 7/19
Je nach Art des Ursprungsproteins haben diese Bruchstücke eine bestimmte Länge, bestimmte Bausteine und eine bestimmte Abfolge der Bausteine.

Um einzelne Bruchstücke in einer komplexen Mischung nachzuweisen, braucht man dann die HPLC-MS/MS. 8/19
Bei der HPLC werden die Bruchstücke über ein Material gepumpt, an dem sie je nach Zusammensetzung unterschiedlich gut „hängenbleiben“.

Sie erreichen damit den zweiten Teil des Geräts (MS/MS) schon mal zeitlich versetzt. 9/19
Mittels Tandem-Massenspektrometrie (MS/MS) wird dann die Masse (das „Gewicht“) der Bruchstücke genutzt, um sie zu identifizieren.

Mit modernen Geräten (wie sie in der Studie verwendet wurden) kann man die Masse sehr genau analysieren. 10/19
Dazu kann man die Bruchstücke nochmal in kleinere Fragmente zerbrechen und diese nachweisen.

Für den Nachweis des Zielproteins wurden fünf verschiedene Bruchstücke ausgewählt, die jeweils über die Zeit zum Passieren des Systems und mit fünf Fragmenten identifiziert wurden. 11/19
Der Nachweis eines Proteins kann darüber sehr sicher erfolgen.

Die Frage die sich dann also noch stellt:
Wie spezifisch sind die Bruchstücke für das Zielprotein bzw. für Separatorenfleisch? 12/19
Die Autoren der Studie haben verschiedene Experimente durchgeführt, um das zu untersuchen.

So wurden verschiedene Hühnerteile auf die Bruchstücke untersucht, u.a. auch Sehnen, Haut, vom Knochen abgeschabtes Fleisch und Fleisch aus dem Oberschenkel. 13/19
Mithilfe statistischer Methoden konnten sie ermitteln, dass die verwendeten Bruchstücke sehr gut zum spezifischen Nachweis von Bandscheiben & Knorpeln geeignet sind.

Und in Separatorenfleisch konnten sie ebenso nachgewiesen werden. 14/19
Zur Untersuchung der Anwendbarkeit der Methode wurden dann verschiedene Fleisch-/Wurstproben untersucht, die definitiv kein Separatorenfleisch enthielten oder eine definierte Menge davon.

Bei der Untersuchung der Proben war die Zusammensetzung nicht bekannt. 15/19
Nach der Entblindung stellte sich heraus, dass alle Proben mit einem Anteil von 10-90 % Separatorenfleisch korrekt identifiziert wurden und auch die Proben ohne Separatorenfleisch wurden alle korrekt zugeordnet. 16/19
Natürlich gibt es auch noch etwas zu tun, bspw. die Übertragung auf andere Geräte und andere Labore sowie das Einbeziehen weiterer Spezies (die Methode bezieht sich bisher nur auf Hähnchen-Separatorenfleisch). 17/19
Aber zusammenfassend zeigt diese Methode schon sehr gute Ergebnisse mit Realproben.

Der Ansatz und die Messmethode sind zudem hochmodern und werden bereits vielfältig eingesetzt, um verschiedene Proteine (bspw. Allergene) nachzuweisen. 18/19
Es wird zu sehen sein, ob die Hersteller irgendwie zeigen können, warum sich das nachgewiesene Protein in ihren Produkten findet & ob es rechtliche Konsequenzen gibt.

Das hängt auch davon ab, ob die Methode vor Gericht als geeignet angesehen wird (kein Standardverfahren). 19/19
Über die Eignung der Methode und die Spezifität des nachgewiesenen Proteins für Separatorenfleisch wird sicher noch viel diskutiert werden. Sieht man auch an den Statements der Hersteller.
Dieser Aspekt ist vor allem für die rechtliche Seite sehr wichtig. 20/19
Dieser Aspekt kam nun schon ein paar mal auf (siehe bspw. Kommentare), daher hier auch noch im Thread als Ergänzung:

Man kann nicht zu 100 % ausschließen, dass das nachgewiesene Protein durch andere (wahrscheinlich nicht sonderlich wertige) Zutaten in die Wurst kam. 21/19
Bisher gibt es aber keine klaren Hinweise auf eine mögliche Quelle. Da müssten dann ggf. die Hersteller versuchen, Klarheit zu schaffen.
Letztendlich wird dann auch die jeweils nachgewiesene Menge des Proteins zu betrachten sein. 22/19

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Mar 1
Nun ein bisschen was zu MOSH & MOAH oder einfacher gesagt, Mineralölkontaminationen in Lebensmitteln, die u.a. @foodwatch_de (s.u.) neulich gefunden hat.

Was sind das für Substanzen, sind sie gefährlich, wie kommen Sie in Lebensmittel und wie lässt sich das verhindern? 1/20 ⬇️
Die Unterteilung der Mineralöle in diese zwei seltsam klingenden Fraktionen basiert auf bestimmten chemischen Merkmalen.
Die Fraktionen sind nicht durch Einzelsubstanzen definiert, sondern es sind sehr komplexe Stoffgemische mit einer großen Vielzahl an Substanzen. 2/20
Die MOSH (mineral oil saturated hydrocarbons) sind Mischungen sog. gesättigter Kohlenwasserstoffe, während die MOAH (mineral oil aromatic hydrocarbons) Mischungen aromatischer Kohlenwasserstoffe sind.
Für die Fans von Strukturformeln (😉) unten mal eine Zusammenstellung. 3/20
Read 21 tweets
Feb 16
Heute mal etwas zu Kokosblütenzucker.

Dieser wird wie unten gezeigt ja gerne als unraffiniert und sehr natürlich vermarktet (🙄).
Aber es wird auch häufig gesagt bzw. beworben, dass er gesünder als raffinierter "Industriezucker" sei.

Könnte da was dran sein? ⬇️ 1/17
Zunächst mal: Wie wird Kokosblütenzucker hergestellt?
Für die Gewinnung wird die Blütenknospe der Kokospalme regelmäßig angeschnitten und der austretende Nektar wird gesammelt.
Anbau-/Herkunftsgebiet ist idR Südostasien. 2/17
Nach traditioneller Herstellung wird der Nektar nun eingekocht bis der Zucker auskristallisiert.
Das kann einige Stunden dauern und hinter „schonende Verarbeitung“ würde ich hier zumindest schon mal ein Fragezeichen setzen. 3/17
Read 17 tweets
Jan 10
Aspartam ist ein häufig in kalorienfreien Getränken (siehe Beispiel unten) eingesetzter Süßstoff, über den seit seiner Entdeckung unglaublich viel diskutiert wird und um den sich auch diverse Verschwörungsmythen ranken.

Was ist Aspartam und ist es wirklich so gefährlich? ⬇️1/19
Aspartam zählt zur Zusatzstoffklasse der Süßungsmittel und unter diesen zu den Süßstoffen. Es hat eine ca. 200fach stärkere Süßkraft als Haushaltszucker (Saccharose).
Daher muss man nur sehr geringe Mengen an Aspartam zusetzen, um eine entsprechende Süße zu erzielen. 2/19
Getränke sind wie gesagt ein Haupteinsatzgebiet von Aspartam, denn es hat einen entscheidenden technologischen Nachteil:
Es ist beim Erhitzen nicht sonderlich stabil. Daher eignet es sich bspw. auch nicht für die Verwendung in Backwaren. 3/19
Read 19 tweets
Dec 6, 2021
Xylit hat gegenüber #Zucker einige Vorteile und kann diesen teilweise ersetzen. Zudem ist das Verbraucherimage sehr gut, was sicher auch mit der Aufmachung zusammenhängt (s.u.). Was gibt es über Xylit zu wissen und warum ist die Werbung dafür mMn teilweise unpassend? ⬇ 1/12 Image
Zunächst mal die Vorteile: Xylit ist nicht kariogen (bzw. antikariogen), wird nur langsam resorbiert und insulinunabhängig verstoffwechselt. Der Brennwert ist gegenüber Zucker deutlich reduziert. Negativ ist im Prinzip nur eine abführende Wirkung bei übermäßigem Konsum. 2/12
Falls jemand der Name Xylit bekannt vorkommt oder falls jemand denkt, das wäre doch ein prima Süßungsmittel... Xylit ist ein Süßungsmittel, also ein zugelassener Zusatzstoff (E967). Damit wird natürlich nicht geworben, Zusatzstoffe sind ja pauschal böse 🙄 3/12
Read 12 tweets

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