Wer hat Lust auf einen kleinen Ausflug in die Tiefen der Onkologie und in zukunftsweisende Technologien?
Es wird kompliziert, aber es lohnt sich!
Für viel Aufregung weltweit hat zuletzt folgender Artikel im "New England Journal of Medicine" gesorgt: nejm.org/doi/pdf/10.105…
Kurz zusammengefasst wurde hier eine Patientin mit metastasiertem Bauchspeicheldrüsenkrebs mit genetisch modifizierten T-Lymphozyten (ihren eigenen T-Zellen) behandelt. Daraufhin kam es zu einem Ansprechen der Tumorerkrankung und zu einem Rückgang der Lungenmetastasen.
Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört zu den tödlichsten Krebserkrankungen überhaupt. Siehe folgenden Thread aus dem #OnkoABC:
Das ideale Ziel gegen eine Krebserkrankung stellt die Blockade einer Eigenschaft von Krebszellen dar, die in normalen Körperzellen nicht zu finden ist.
In diesem Beispiel ist es eine KRAS-Mutation.
KRAS kodiert für ein Eiweiß in Zellen, das in
Signalwege eingebunden ist (z. B. RAS/MAPK pathway), die Wachstumssignale vom Zelläußeren in den Zellkeren weiterleiten. Bei einer KRAS-Mutation funktioniert KRAS wie ein Schalter, der ständig auf "EIN" steht und damit ein unkontrolliertes Krebswachstum bewirkt.
Pankreaskarzinome verfügen fast immer über eine KRAS-Mutation. Wichtig in diesem Fall ist die KRAS-G12D-Mutation, die bei etwa 40% der Krebserkranken zu finden ist. Hier ist eine einzige Aminosäure ausgetauscht. In normalen Körperzellen findet sich diese Veränderung nicht.
Somit gibt es ein ideales Ziel, das nur in Pankreaskarzinomzellen zu finden. Dieses stellt gleichzeitig den "Motor" dar, der diese Krebszellen zum Wachsen anregt, so dass eine Blockade besonders vielversprechend erscheint.
Jahrzehntelang ist es nicht gelungen, spezifische
Medikamente zur KRAS-Blockade zu entwickeln. Erst zuletzt war dies gegen die KRAS-G12C-Mutation möglich, (noch) nicht aber gegen KRAS-G12D.
Jetzt kommt unser eigenes Immunsystem ins Spiel. Sogenannte zytotoxische T-Lymphozyten sind in der Lage, Tumorzellen (oder auch mit Viren
infizierte Zellen) zu erkennen und zu beseitigen.
Wichtig hierfür ist der T-Zell-Rezeptor. Erkennt ein T-Zell-Rezeptor z. B. Viruspartikel (z. B. bei einer Coronainfektion), die gemeinsam mit HLA-Eiweißen auf der Zelloberfläche von Körperzellen "präsentiert" werden, kann unser
Immunsystem dann von Viren befallene Körperzellen zerstören. Und das, obwohl die Viren sich bislang noch ungestört und scheinbar gut versteckt im Zellinneren vermehren. Ganz schön clever, oder?
Aber wie können wir jetzt unser Immunsystem gegen Krebszellen scharf stellen?
Seit einigen Jahren ist es möglich, T-Zellen außerhalb des Körpers molekulargenetisch zu verändern (sogenannte chimäre Antigenrezeptor (CAR)-T-Zellen).
In diesem Fall wurden T-Zellen hergestellt, deren T-Zell-Rezeptor das mutierte KRAS-Eiweiß der
Pankreaskarzinomzellen erkennt (wenn es gemeinsam mit der Oberflächeneigenschaft HLA-C*08:02 zu finden ist).
Hierzu mussten der Bauchspeicheldrüsenkrebspatientin zunächst T-Zellen aus ihrem Blut entnommen werden. Dann wurde der T-Zell-Rezeptor in diesen Zellen so verändert,
dass er in der Lage war, das mutierte KRAS zu erkennen. Diese genetisch veränderten T-Zellen wurden dann der Patientin zurückinfundiert.
Das hört sich so einfach an. Technisch ist der Herstellungsprozess aber anspruchsvoll und auch die Patientin hatte einiges durchzumachen:
In Vorbereitung auf die Infusion der T-Zellen musste eine relativ intensive Chemotherapie erfolgen. Zusätzlich erhielt die Patientin hochdosiertes Interleukin-2, um die Vermehrung der infundierten T-Zellen zu fördern. Niedriger Blutdruck, erhöhte Leberwerte, Fieber, Fatigue
waren die größten Nebenwirkungen. Auch benötigte sie Blutkonserven. Nach 11 Tagen konnte aber eine Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgen.
6 Monate nach Ende der Behandlung sind die Lungenmetastasen weiterhin deutlich geschrumpft. Noch 2% der T-Zellen der
Patientin sind gegen die KRAS-G12D-Mutation gerichtet. Ein anhaltender Erfolg.
Ist eine solche Therapie in Zukunft etwas für alle Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs?
Nein, bestimmt nicht. Bei einem weiteren Patienten wuchsen Metastasen trotz dieser Behandlung weiter.
Die Herstellung der T-Zellen und die Verabreichung sind sehr aufwändig und kostspielig. Nur 40% der Pankreaskarzinome haben eine KRAS-G12D-Mutation und die spezielle HLA-C*08:02-Eigenschaft liegt nur bei etwa 10% der Bevölkerung vor.
Und eventuell gibt es in näherer Zukunft
doch kleine Moleküle, um die KRAS-G12D-Mutation spezifisch angehen zu können.
Die Faszination in diesem Fallbeispiel liegt vielmehr darin, wie eine "Achillesverse" des Pankreaskarzinoms unter Zuhilfenahme modernster Therapiemöglichkeiten (CAR-T-Zellen) unser Immunsystem
veranlassen kann, Krebszellen auch bei soliden Tumoren in Schach zu halten. Und dass diese höchst theoretischen Überlegungen im Alltag, im individuellen Patienten schließlich auch tatsächlich funktionieren.
Ende.
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Darmkrebs gehört zu den häufigen Krebserkrankungen (etwa 40.000 Neudiagnosen im Jahr in Deutschland) und beschäftigt uns in der Onkologie tagtäglich.
Um die Fortschritte in der Behandlung einmal darzustellen, hier ein Fallbeispiel: 1/n
Ein 74-jähriger Mann stellt sich mit starken Schmerzen im Unterbauch in der Notaufnahme eines Krankenhauses vor. Aufgrund der schweren Symptomatik wird rasch eine CT-Untersuchung durchgeführt.
Diese zeigt einen tumorösen Prozess am aufsteigenden Dickdarm. Daneben liegt ein 2/n
riesiger Abszess von 18 cm Größe.
In einer schwierigen Operation werden der Tumor, der Abszess und die zugehörigen Lymphknoten entfernt.
Fast zwei Monate lang liegt der Patient auf Intensivstation mit einem komplikationsträchtigen Verlauf. Zwischenzeitlich 3/n
Wenn es eine Krebserkrankung gibt, bei der ich mir einen medizinischen Durchbruch wünschen würde, dann wäre es das Pankreaskarzinom.
Bauchspeicheldrüsenkrebs ist häufig (etwa 19.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland) und die
Prognose ist schlecht. Insgesamt überleben nur 9% der Patienten mit Pankreaskarzinom 5 Jahre. Meist erfolgt die Diagnose wegen unspezifischer Symptome (Rückenschmerzen, Gelbfärbung der Haut, Gewichtsverlust) erst in sehr fortgeschrittenen Stadien.
Wenn Allgemeinzustand und
Tumorstadium eine chirurgische Entfernung des Pankreaskarzinoms erlauben, ist eine sogenannte adjuvante Chemotherapie unumgänglich. Dann sind auch die Überlebenschancen (etwas) besser. nejm.org/doi/10.1056/NE…
Etwa 5% aller Krebserkrankungen sind erblich bedingt. Schaut man sich Familienstammbäume genau an, fällt eine Häufung von Krebserkrankungen in betroffenen Familien auf.
Eine ganze Reihe dieser erblichen, angeborenen Veränderungen lassen
sich heutzutage nachweisen, eine Domäne der Humangenetik.
Die bekannteste genetische Veränderungen ist die BRCA-Mutation. Hier haben Anlagenträgerinnen ein etwa 70%iges Risiko während ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken. Deutlich erhöht ist auch das Risiko für Eierstock-
krebs (und für Bauchspeicheldrüsen- und Prostatakrebs).
Das Lynch-Syndrom (HNPCC) verursacht etwa 3% aller Darmkrebserkrankung. Ursächlich sind Mutationen in sogenannten DNA-Reparaturgenen.
Viele erbliche Tumorsyndrome haben gemeinsam, dass es Früherkennungsprogramme gibt,
Der Beckenknochen ist der bevorzugte Ort für eine Knochenmarkpunktion. Eine Untersuchung, die für viele Patienten mit großen Ängsten behaftet ist.
Bei einem erfahrenen Untersucher, mit guter örtlicher Betäubung und viel Ruhe ist eine
Punktion trotzdem für die meisten Patienten überraschend erträglich in 10 Minuten über die Bühne zu bringen.
Im Anschluss an die Untersuchung heißt es noch einmal für ca. 30 Minuten auf einem Sandsack zu liegen, um die Punktionsstelle zu komprimieren. Dann geht es nach Hause.
Meistens erfolgen eine Knochenmarkaspiration, bei der ca. 10 ml Knochenmarkblut entnommen werden und eine Stanzbiopsie. Hier wird ein schmaler, ca. 1,5 cm langer Knochenmarkzylinder gewonnen.
Das Knochenmark kann dann histologisch unter dem Mikroskop, durchflusszytometrisch,
Brustkrebs ist der häufigste bösartige Tumor bei Frauen. Ungefähr 9% erkranken während ihres Lebens daran. Das mittlere Alter bei Erstdiagnose liegt bei etwa 65 Jahren. Über alle Stadien hinweg ist die Heilungsrate >80%.
In frühen Stadien entdeckt, sind die Heilungschancen sogar noch besser, was vielen Menschen nicht bewusst ist. Krebs ist nicht immer ein Todesurteil. Durch Mammographie-Screening wird das Risiko gesenkt, an Brustkrebs zu versterben.
Ziel der Behandlung in frühen Stadien (ohne
Metastasen) ist die Heilung. Je nach Ausbreitung und Aggressivität der Erkrankung werden hierzu Operation, Bestrahlung, Chemo- und Antikörpertherapie sowie endokrine Therapien miteinander kombiniert.
Auch in der metastasierten Situation hat sich in den letzten Jahren viel getan.
#OnkoABC - "A" wie autologe Stammzelltransplantation.
Die Stammzelltransplantation, (SZT) mit fremden Stammzellen, genannt allogene SZT ist ein Standardverfahren, vor allem bei akuten Leukämien.
Weniger bekannt, aber trotzdem mit festem Stellenwert, ist eine SZT mit eigenen
Stammzellen.
Die Hauptindikationen sind die Hochdosistherapie beim Multiplen Myelom, sowie die Rezidivbehandlung bei Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen.
Nach medikamentöser Stimulation werden Blutstammzellen ins periphere Blut abgegeben. Diese können mit einem Verfahren, das an
eine Dialyse erinnert, gesammelt und eingefroren werden. Die Präparate halten so Jahre.
Nun kann eine sehr intensive Chemotherapie gegen die Krebserkrankung verabreicht werden. Normalerweise würde sich das eigene Knochenmark von einer solchen Therapie nicht mehr erholen.