Was ich ja nicht verstehe: Arme, die Geldstrafen nicht bezahlen können, verschwinden wochen- oder sogar monatelang hinter Gittern, ohne je eine/n Richter/in gesehen zu haben.
Das ist unsinnig und müsste als nächstes dringend geändert werden.
Es gibt hierzulande *eigentlich* verfassungsrechtlich verankert den Anspruch, dass jede/r Festgenommene spätestens nach 1 Tag einen Richter zu Gesicht bekommt. *Nur* bei #Ersatzfreiheitsstrafe gilt das nicht - sondern…
… oft kommt es vor, dass Menschen ihre Geldstrafe rein im schriftlichen Verfahren erhalten haben, weil sich die Justiz bei kleinen Delikten nicht die Mühe macht, einen Gerichtstermin anzuberaumen. („Strafbefehl“)
Und auch alles weitere geschieht dann lediglich im schriftlichen Verfahren. Was das in der Praxis bedeutet, habe ich vor einer Weile bei einem Besuch in der JVA Berlin-Plötzensee erklärt bekommen.
Es ging damit los, dass mir da einen seltsamer Geruch auffiel.
Es stank. Die Sozialarbeiterin, die mich begleitete, sagte: „Ja, das kommt von den Dementen, die sich einkoten.“
Warum? Weil es immer wieder vorkommt, dass Strafbefehle rein nach Aktenlage am Schreibtisch ausgestellt werden. „Schon wieder was bei Aldi geklaut? Na dann gibt’s diesmal ein paar Tagessätze mehr.“
Die Menschen in der Justiz wissen manchmal gar nicht, dass der Betreffende inzwischen dement oder suchtkrank ist - also womöglich gar nicht schuldfähig, oder jedenfalls nicht haftfähig.
Wenn eine Richterin oder ein Richter sich den Menschen unmittelbar ansehen und kurz mit ihm reden würde, dann würde in ganz vielen Fällen auffallen, dass etwas nicht stimmt. Man würde vllt Nachforschungen anstellen, vielleicht auch humane Lösungen finden.
Aber dieses Korrektiv - mit dem man auch materiell rechtswidrige Haft rechtzeitig verhindern könnte - gibt es bei der #Ersatzfreiheitsstrafe in Deutschland nicht. Anders als etwa Schweden, Spanien, USA.
Why not? I don’t get it.
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Es ist ein Erfolg, dass @MarcoBuschmann die #Ersatzfreiheitsstrafe gesetzlich halbieren will. Das ist zwar noch nicht der große Wurf, aber dieser Schritt ist ein solcher No Brainer. Ein Stück Irrationalität wird verabschiedet. Endlich ist dafür Momentum da.
Nebenbei könnte man mal einen Blick auf die SPD werfen, die in 3 der 4 vergangenen Legislaturen das @bmj_bund hatte, aber in Fragen sozialer Ungerechtigkeit des Strafverfahrens kaum einen Finger gerührt oder sogar auf der Bremse gestanden hat.
Beispiel Pflichtverteidigung für Mittellose, hier gab es sogar aus Brüssel Vorgaben an Deutschland, die sozialer waren als die deutsche Rechtslage, aber unter SPD-Federführung ist das widerwillig und nur unzureichend umgesetzt worden.
Lese gerade was zu schwedischer Antiterrorpolitik und SAY WHAT offizielle schwedische Regierungsberichte sind online auch auf Englisch zu finde, wie großartig ist das.
Wie viel angenehmer macht es das für Menschen aus anderen Ländern, sich einzuklinken. Wie viel mehr Lust hat man da, auch zum Forschen, Wohnen etc zu bleiben.
Und in Deutschland: Hohn und Spott, weil @starkwatzinger die Wunschvorstellung von Englisch als 2. Amtssprache formuliert… 🤷🏻♂️
Der Grund: Der #Verfassungsschutz hat jahrelang systematisch die Verfassung verletzt. Einsatz von V-Leuten, Handy-Ortung, Observationen - in der bisher praktizierten Form alles verfassungswidrig, hat das @BVerfG am 26.April klargestellt.
Warum? Teils sind das Maßnahmen, die laut Bundesverfassungsgericht eh schon seit Jahren nur bei „dringender Gefahr“ schwerer Straftaten zulässig waren. Und dafür - ist ja die Polizei zuständig. Ein Geheimdienst darf nicht einfach eine verdunkelte Zweitpolizei sein.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Im 8. Jahr des verbrecherischen Jemen-Kriegs. spiegel.de/politik/deutsc…
Zur Erinnerung: Das märchenhaft reiche Saudi-Arabien terrorisiert die Zivilbevölkerung seines Nachbarlands Jemen, auch mit reichlich Kriegsgerät aus deutscher Produktion, und dies seit Jahren... sueddeutsche.de/politik/waffen…
Man muss da längst über völkerstrafrechtliche Verantwortung und Schuld sprechen - auch von deutschen Ingenieuren und Geschäftsleuten, die Saudi-Arabien seit Jahren beliefern.
Grüße von der Jahrestagung der @NeueRichter in Stuttgart 🪩 und danke für die Diskussion 🚬
Wir waren uns einig: Peer pressure der Richterschaft und Erledigungsdruck von oben sind groß, nicht nur im Strafrecht. Aber das kann nie eine Ausrede dafür sein, Verfahren übers Knie zu brechen.
Definitiv braucht es mehr Mittel für die Justiz. Wo man die Strafjustiz kaputtspart, geht das zuvorderst auf Kosten der Armen. Reiche, die auf gute Anwälte zählen können, kommen dann noch klar. Ärmere viel weniger.